1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt
  6. >
  7. Tagebau Profen: Tagebau Profen: Baggerfahrer Thomas Kämpfer erschließt das letzte Kohlefeld im Land

Tagebau Profen Tagebau Profen: Baggerfahrer Thomas Kämpfer erschließt das letzte Kohlefeld im Land

Von Steffen Höhne 13.05.2019, 10:00
Der Baggerfahrer Thomas Kämpfer arbeitet seit 1977 in der Kohle
Der Baggerfahrer Thomas Kämpfer arbeitet seit 1977 in der Kohle Steffen Höhne

Profen - In der linken und der rechten Hand hält Thomas Kämpfer die Joysticks. Ein Tippen mit dem Zeigefinger reicht aus, um das 40 Tonnen schwere Schaufelrad vor ihm in Bewegung zu versetzen. Die Eisenschaufeln graben sich tief in die Erde und werfen den Sandboden auf ein Förderband. Vier Runden schafft das elf Meter große Rad in der Minute. „Immer wieder müssen wir aber stoppen, weil Felsbrocken aus der Erde ragen“, sagt der Baggerfahrer. Er zeigt auf einen solchen Findling, der noch in der Böschung liegt. „Mit dem Schaufelrad habe ich den erst freigegraben und stoße den Brocken dann vorsichtig nach unten“, sagt Kämpfer. Dafür benötigt er viel Gefühl. Mit dieser Fertigkeit hätte der Bergmann sich früher vielleicht auch bei der TV-Sendung „Wetten, dass..?“ bewerben können. „Für das Material ist das natürlich brutal, der Verschleiß ist enorm.“ Kämpfer sagt über sich, er sei „Baujahr 61“ und seit 1977 arbeite er in der Kohle.

Tagebau Profen: 2035 ist Schluss mit dem Kohleabbau

Sein Arbeitsgerät ist Baujahr 1986, der Kohlebagger 1580 wiegt etwa 2.850 Tonnen, ist 150 Meter lang und 35 Meter hoch. Er steht im Abbaufeld Domsen des Tagebaus Profens. Es ist vermutlich das letzte Tagebaufeld, das der Kohleförderer Mibrag in Sachsen-Anhalt erschließt. Mit dem Auslaufen des Feldes 2035 endet voraussichtlich auch der bergmännische Kohleabbau, den es seit dem 19. Jahrhundert im Land gibt. Spätestens im Jahr 2038 soll aus Klimaschutzgründen die deutsche Kohleverstromung eingestellt werden, legte die Kohlekommission Ende Januar im Auftrag der Bundesregierung fest.

„Das Ende der Kohle ist politisch beschlossen, doch so richtig vorstellen kann ich es mir noch nicht“, sagt der Bergmann. Das sei nicht nur so ein Gefühl. Folgende Fakten machen die Bedeutung von Profen deutlich: In dem Tagebau werden täglich etwa 25.000 bis 30.000 Tonnen Kohle gefördert, die mit 18 Zügen ins Kraftwerk Schkopau geliefert werden. Rein rechnerisch könnte das Kraftwerk damit alle Haushalte in Sachsen-Anhalt rund um die Uhr mit Strom versorgen.

Tagebau Profen: 20 Dörfer mussten seit 1947 weichen

Jeden Tag werden Kämpfer und sein Team mit dem Mannschaftstransportwagen zum Bagger gefahren. Die Heizung in dem Wagenkasten erzeugt eine heiße, stickige Luft. Der Tagebau erinnert an die vielzitierte Mondlandschaft. Bis zu 70 Meter tief in die Erde haben sich Bagger gegraben, um die meterdicken Braunkohleflöze zu erreichen. Sieben große Schaufelbagger und zwei sogenannte Absetzer, die Abraum und Kohle befördern, sind rund um die Uhr im Einsatz. Seit 1947 mussten 20 Orte dem Tagebau weichen. Das Feld Domsen wurde nach dem gleichnamigen Ort benannt, der in den 60er Jahren umgesiedelt wurde. Weichen musste später auch Großgrimma mit 850 Einwohnern.

Tagebau Profen: Ganze Fahrzeuge wurden schon gefunden

Die Spuren der Dörfer und der Menschen, die dort lebten, findet Kämpfer täglich. Acht Stunden sitzt er pro Schicht im verglasten Führerhaus. Das Abraumfeld befindet sich keine 20 Meter vor ihm. „In die oberen Sandschichten fressen sich die Schaufeln wie in Butter“, so der Baggerführer. Doch nicht nur durch Felsbrocken kommt es immer wieder zu Erschütterungen. „Wir stoßen auch auf alte Rohre, die auf keiner Karte verzeichnet waren“, erzählt er. Häufig liege Schrott im Erdreich, der sich über die letzten 100 Jahre angesammelt habe. Ganze Fahrzeuge wurden schon gefunden.

Vor allem beim Abbaggern in den oberen Erdschichten wird die Arbeit oft unterbrochen. Auf dem Förderband befindet sich ein Metallspürgerät. Es schlägt an, wenn sich Metall im Abraum oder der Kohle befindet, das entfernt werden muss. Kämpfer oder die zwei weiteren Mitarbeiter auf dem Bagger gehen dann mit dem Spaten auf das Förderband und holen das Metall heraus. Diese Pausen werden dann auch genutzt, um einen Kaffee zu trinken oder die Toilette zu besuchen. Im Inneren des Baggers gibt es auch einen etwa zehn Quadratmeter großen Mannschaftsraum mit einer kleinen Kochnische. „In der DDR, als auch noch Frauen auf den Baggern waren, hingen auch immer weiße Gardinen an den Fenstern“, erinnert er sich. Das gebe es heute aber nicht mehr.

Tagebau Profen: Bei Regen wird die Arbeit zur Schlammschlacht

Bei trockenem Wetter legt sich täglich eine dicke Staubschicht auf Mensch und Maschine. Problematisch sind nach Worten des Fahrers eher längere Regenzeiten: „Dann wird das hier zur regelrechten Schlammschlacht.“ Bis zu den Waden sinkt er dann auf dem Weg zum Bagger ein. „Wie überall gibt es gute und schlechte Tage“, sagt Kämpfer. Nach seiner Ansicht führt „die Arbeit bei Wind und Wetter zu einem Arbeitsethos“. In der DDR hieß es: „Ich bin Bergmann, wer ist mehr?“ Kämpfer bezeichnet die Mibrag-Mannschaft im Tagebau Profen als „hartes Team“. Durch Effizienzvorgaben des Unternehmens habe der Wettbewerb unter den Mitarbeitern zwar auch zugenommen. „Es gibt aber weiter ein großes Gemeinschaftsgefühl und Solidarität.“

Mibrag: Neue Geschäftsfelder abseits der Kohle gesucht

Das ist auch Mibrag-Chef Armin Eichholz, der 1988 in Seoul Olympiasieger im Ruder-Achter wurde, wichtig. „Nur als Team können wir etwas erreichen“, sagt er häufig. Wird dieses Team durch den Kohleausstieg nun schrittweise aufgelöst oder löst es sich selbst auf? Eichholz sagte zuletzt nach einer Betriebsversammlung: „Eine überwältigende Mehrheit der Mitarbeiter steht klar zum Unternehmen.“ Doch der Firmenchef betonte auch, dass die Mibrag als „Arbeitgeber attraktiv bleiben muss“. 2.700 Beschäftigte arbeiten in der Mibrag-Gruppe. Der tschechische Eigentümer EPH gab grünes Licht dafür, dass das Unternehmen nun auch Geschäftsfelder abseits der Kohle erschließen kann. Immerhin sind laut Betriebsrat 43 Prozent der Mitarbeiter jünger als 40 Jahre. Sie benötigen auch nach dem Kohle-Ausstieg einen Job.

Wie der Wandel des Kohle-Unternehmens aussehen soll, ist noch weitgehend offen. Kämpfer wird sein Berufsleben sicher noch im Tagebau beenden. Er sitzt mit einer Kaffeetasse im Führerhaus und wartet, dass die Instandhaltung die Freigabe zum Anfahren gibt. Dass Deutschland auf erneuerbare Energien umsteigen will, akzeptiert er. „Gut wäre nur, wenn bis dahin unsere Arbeit hier gewürdigt wird“, sagt er. „Denn ohne die Kohle würde derzeit nichts laufen.“ Er schaut auf die Schaufel. „4.000 Tonnen Kohle kann die täglich abbaggern An guten Tagen auch 4.800.“ (mz)