Moderatoren-Aus beim Radio Stephan Michme und der MDR - eine Chronologie
Im März 2022 war plötzlich Schluss: Moderator Stephan Michme und MDR Sachsen-Anhalt trennten sich nach 16 Jahren "Knall auf Fall". Während beide Seiten zu den Gründen weitgehend schweigen, gibt es jede Menge Gerüchte und Spekulationen. Wir fassen den Fall zusammen.
Magdeburg/DUR/MZ/VS - 16 Jahre lang moderierte Stephan Michme freiberuflich für den MDR im Radio. Doch im Frühjahr 2022 war damit plötzlich Schluss. Der Moderator, der zudem als Stadionsprecher des Handball-Bundesligisten SC Magdeburg im Einsatz ist, und sein Sender trennen sich. Eine Chronologie.
23.03.2022: Die Nachricht kommt völlig überraschend: Der MDR und Radio-Moderator Stephan Michme beenden ihre Zusammenarbeit. Beide Seiten schweigen zu den Gründen, der MDR nimmt die mehr als zehn Jahre alte Meldung von der damaligen Verpflichtung des Moderators vom Netz. Michmes Anwalt Uwe Bitter sagt „Beide Seiten haben sich in Freundschaft getrennt“. Später ergänzt er: „Stephan Michme hat ein anderes Angebot bekommen. Das wollte er wahrnehmen.“
Im Umfeld des MDR wird jedoch gemunkelt, dass hinter der Trennung möglicherweise ein arbeitsrechtlicher Verstoß oder gar eine Straftat stehen könnte.
25.03.2022: Die Diskussionen um den Abgang von Stephan Michme beim MDR reißen nicht ab. Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Siegfried Borgwardt, fordert von MDR- Landesfunkhausdirektorin Ines Hoge-Lorenz Auskünfte zu den Gründen der Trennung. Die Personalie wird auf die Agenda der nächsten Sitzung des MDR-Rundfunkrats, Landesgruppe Sachsen-Anhalt, am 6. April gesetzt.
29.03. 2022: Einvernehmliche Trennung oder Rauswurf? Rund um den Michme-Abgang beim MDR kursieren mehrere Gerüchte. Eins besagt, dass dem MDR-Moderator eine Positionierung im Oberbürgermeister-Wahlkampf in Magdeburg zum Verhängnis wurde. Auch andere Gerüchte kochen hoch, lassen sich aber nicht verifizieren. MDR und Moderator schweigen. Michme ist derweil wieder als Hallensprecher des SC Magdeburg im Einsatz.
06.04.2022: Vor der Sitzung des MDR-Rundfunkrates taucht ein pikantes Foto von Michme auf, das von ihm in Umlauf gebracht worden sein soll. Hat dieses und haben seine Begleitumstände eine Rolle bei der Trennung vom MDR gespielt? Zu hören ist, dass auch dem Landesfrauenrat die „Causa Michme“ nicht unbekannt sein soll. Dieser antwortete auf eine konkrete Anfrage ausweichend. Der MDR und Michme schweigen weiter zu den Gründen. Michmes Anwalt sagt lediglich: „Fotos haben keine Rolle bei der einvernehmlichen Trennung von Herrn Michme und dem MDR gespielt.“
07.04.2022: Der MDR-Landesrundfunkrat hat sich mit der Personalie Stephan Michme beschäftigt – allerdings nichtöffentlich. Die Mitglieder des Landesrundfunkrats wurden zu absolutem Stillschweigen verpflichtet.
Nach Volksstimme-Informationen berichtete der Juristische Direktor des MDR, Professor Jens-Ole Schröder, im vertraulichen Teil der Rundfunkratssitzung über Hintergründe der Trennung. In diesem Zusammenhang soll es in der mehrstündigen Veranstaltung auch Informationen zum Umgang Michmes mit Frauen gegeben haben. Mit der Angelegenheit vertraute Personen werten die Länge der Diskussion als Beleg dafür, dass es sich um juristisch schwerwiegende Vorgänge gehandelt haben müsse. Dem Landesfrauenrat ist der „Fall Michme“ nicht unbekannt, verweist aber auf Vertraulichkeit.
14.04.2022: Im Januar hatte der frühere MDR-Topmoderator Stephan Michme eine Spendenaktion für das „Trau-Dich!“-Projekt zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs angeschoben. Er Musiker versteigerte 50 Shirts meistbietend, die Ende April übergeben werden sollen. Eingebunden in die Aktion war „Wildwasser Magdeburg e.V.“ – ein Verein gegen sexualisierte Gewalt. Ein Podcast Michmes mit Wildwasser-Leiterin Ines Hattermann wird jedoch im April aus dem Internet genommen.
Zudem taucht ein von Ines Hattermann unterschriebener Brief aus dem Februar auf. Darin steht unter anderem, es sei eine „nicht seltene Täterstrategie, Schutzstrukturen für Betroffene im Sinne der positiven Selbstdarstellung zu nutzen. Im Falle einer Offenlegung der Gewalt durch die Betroffenen erreicht der Täter so, die öffentliche Meinung zu spalten und kann vorgeben, eine klare Haltung gegen Gewaltausübung einzunehmen.“ Diese Strategie sei den Fachberaterinnen bekannt: „Und dennoch ist es uns passiert, dass wir ohne unser Wissen instrumentalisiert wurden.“ Anfragen, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Brief und dem Fall Michme gibt, beantwortet der Verein nicht.
13.07.2022: Nach der plötzlichen Trennung von Stephan Michme und dem MDR einschließlich vieler Gerüchte hält Handball-Bundesligist SC Magdeburg an dem Moderator fest. Der Verein bestätigt, dass Michme auch in der kommenden Saison Hallensprecher bleibt.
17.10.2022: Nach der Trennung vom MDR hat Moderator Stephan Michme einen neuen Job. Ab November arbeitet er für eine Tochterfirma des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt als Medienberater.
28.02.2023: In einem MDR-Livestream sagt Hörfunk-Programmchef Winfried Bettecken auf eine Hörerfrage, dass Michme vor einem Jahr selbst den Dienst quittiert habe – „von jetzt auf gleich“. Man habe nur drei Tage Zeit gehabt, für die folgende Woche einen Ersatzmoderator zu finden. Michme selbst habe gesagt, er stelle sich sein Leben außerhalb des MDR vor. Michme und sein Anwalt kommentieren die Äußerungen nicht.
01.03.2023: Die Landesgruppe des MDR-Rundfunkrates soll sich am 8. März erneut mit der Causa Michme beschäftigen. Grund sind die aktuellen Äußerungen von Hörfunk-Programmchef Winfried Bettecken, der auf eine Hörerfrage geantwortet hatte, Michme sei freiwillig gegangen. Mehrere Rundfunkräte sagen jedoch: Michme habe den Sender nicht aus freien Stücken verlassen. Die Zusammenarbeit sei auf Drängen des MDR beendet worden, so Rundfunkratsmitglied Guido Kosmehl. Dem hätten „Vorfälle“ zugrunde gelegen, welche der MDR ausgewertet habe.
02.03.2023: Der MDR rudert zurück. Nachdem Hörfunk-Programmchef Bettecken zuletzt öffentlich gesagt hate, die Trennung sei von Michme ausgegangen, rudert der Sender jetzt zurück. Bettecken ließ miteilen, sein spontaner "persönlichen Eindruck" sei "offensichtlich missverstanden" worden. Zu den tatsächlichen Gründen für die Trennung schweigen beide Seiten weiterhin.
03.03.2023: Nachdem der MDR die Aussagen seines Hörfunkchefs zur Causa Michme korrigiert hat, gibt es möglicherweise das nächste Detail: Nach MZ-Informationen soll der MDR als Ergebnis von Verhandlungen auch eine Abfindung gezahlt haben. Die Rede ist von mehreren Monatsgehältern. Zudem habe der Sender nach dem Michme-Aus elle Sendemitschnitte und Interviews, bei denen Michme als Autor oder Co-Autor geführt war, gelöscht.
Zudem sorgt der Umgang mit dem Fall für immer mehr Frust innerhalb des MDR. Nach MZ-Informationen entlud sich der Ärger am Freitagmorgen in der täglichen Redaktionssitzung der Hörfunkjournalisten. Neben Hörfunkchef Bettecken, gegen den es erste interne Rücktrittsforderungen geben soll, steht dabei auch Funkhauschef Tim Herden in der Kritik.
08.03.2023: Der MDR Rundfunkrat, Landesgruppe Sachsen-Anhalt, tagt erneut zum Fall Michme. Es geht vor allem um die Äußerungen von Hörfunkchef Winfried Bettecken, der von einem freiwilligen abgang des Moderators sprach. Mitglieder des Rundfunkrates hatten dem wiedersprochen. In der Sitzung hieß es nun, Bettecken kenne den wahren Grund für den Michme-Abgang gar nicht. Teilnehmer bezeichnen die Veranstaltung am Mittwochabend als grotesk. Zu den wahren Gründen für das Michme-Aus schweigt der MDR weiter.