Kassenlage der Kommunen Stadt Leuna verbucht Millionen-Überschuss - trotzdem zahlt das Land „Härtefall“-Hilfe
Viele Kommunen in Sachsen-Anhalt rutschen immer tiefer in die Schulden, warnt der Rechnungshof. Gleichzeitig bekommen reiche Kommunen einen Extra-Zuschlag - warum?
Magdeburg/MZ - Die finanzielle Situation vieler Kommunen in Sachsen-Anhalt spitzt sich nach Einschätzung des Landesrechnungshofs zu. Die Gesamtverschuldung aller kommunalen Haushalte sei im vergangenen Jahr auf mehr als 2,9 Milliarden Euro gestiegen, sagte Rechnungshofpräsident Kay Barthel am Freitag.
Besonders besorgniserregend sei die Lage in Halle und in Mansfeld-Südharz. Die aufgehäuften Schulden erreichen dort fast zwei Drittel der jährlichen Gesamteinnahmen. Eine solche Situation sei „tragisch“, da eine Rückzahlung so unmöglich sei, sagte Barthel.
Da haben Kommunen, die gemessen an den echt Bedürftigen schon im Geld schwammen, noch mal Geld obendrauf bekommen.
Kay Barthel, Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt
Für die Lage macht der Rechnungshof auch eine Fehlsteuerung von Landeszuschüssen und teilweise kommunale Misswirtschaft verantwortlich. Sachsen-Anhalt zahle zwar Jahr für Jahr mehr Geld an die Kommunen, auch inflationsbereinigt gebe es eine Steigerung. Davon profitierten aber teils die Falschen. So habe das Land aus einem Fonds für besonders notleidende Kommunen freizügig Geld verteilt. „Da haben Kommunen, die gemessen an den echt Bedürftigen schon im Geld schwammen, noch mal Geld obendrauf bekommen“, kritisierte Barthel.
Die Stadt Leuna (Saalekreis) etwa habe im vergangenen Jahr einen Überschuss von 172 Millionen Euro erzielt und dennoch aus dem Fonds des Landes für Notfälle weitere 5,2 Millionen Euro erhalten. „Das versteht niemand“, sagte Barthel. „Das Geld muss zielgerichteter an notleidende Kommunen gehen, statt es mit der Gießkanne auch an wohlhabende zu geben.“ Leuna ist Standort der Total-Raffinierie. Im vergangenen Jahr erzielt die Stadt aus Gewerbesteuern 207 Millionen Euro.
Das Finanzministerium beruft sich auf ein Gutachten
Das Finanzministerium weist die Kritik zurück. „Es erfolgte keine Verteilung des Geldes mit der Gießkanne, sondern vielmehr eine einzelfallbezogene Berechnung“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Mit der Zahlung an die Kommunen habe man „Verwerfungen abgefedert“, die durch die Neuverteilung der Zuweisungen aufgetreten seien. Ein finanzwissenschaftliches Gutachten habe dieses Vorgehen ausdrücklich empfohlen.
In einzelnen Kommunen sieht der Landesrechnungshof auch hausgemachte Entscheidungen als Ursache anhaltender Finanzprobleme. Als Beispiel nannte Barthel die von der Stadt Wernigerode im Ortsteil Schierke für 9,3 Millionen Euro errichtete Feuerstein-Arena. Den jährlichen Zuschussbedarf hatte die Stadt auf 270.000 Euro geschätzt. Tatsächlich sind es mittlerweile 720.000 Euro.
Kommunale Zweckverbände bunkern Millionenbeträge
Die Stadtverwaltung gehe davon aus, dass sich an jährlichen Verlusten in dieser Höhe auch mittelfristig nichts ändern werde. „Es sieht hübsch aus, es sieht schön aus“, sagte Barthel. Aber die Stadt habe sich damit eine dauerhaft hochdefizitäre Freizeiteinrichtung angeschafft. Barthel nahm auch das Land in Mithaftung, weil es den Bau finanziell gefördert hatte.
Als kritikwürdig stuft Barthel auch das Agieren der kommunalen Abwasserzweckverbände ein. Viele von ihnen sammelten rechtswidrig Gewinne an, statt das Geld durch niedrigere Beiträge an die Gebührenzahler zurückzugeben, sagte Barthel. Von 41 untersuchten Zweckverbänden hätten 22 Rückstellungen in Millionenhöhe. Über das mit zwölf Millionen Euro dickste Polster verfügt nach Angaben des Rechnungshofs der in Blankenburg ansässige Trink- und Abwasserzweckverband Vorharz.
Mehr finanzielle Unterstützung fordert der Rechnungshof für die Landkreise. Durch Gerichtsurteile zu Gunsten der kreisangehörigen Kommunen seien die Landkreise in Bedrängnis, sagte Barthel. Er habe Verständnis dafür, dass diese nunmehr auf Hilfe vom Bundesverfassungsgericht hofften. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde haben der Salzlandkreis und Mansfeld-Südharz angekündigt.