1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt
  6. >
  7. Peiniger hetzten Hunde auf sie: Sex-Sklavin aus Eisleben erzählt von ihrem Leiden in Bosnien

Peiniger hetzten Hunde auf sie Sex-Sklavin aus Eisleben erzählt von ihrem Leiden in Bosnien

Von Ralf Böhme 24.04.2017, 14:44
Die Angeklagte Christine M. beim Prozessauftakt im Februar
Die Angeklagte Christine M. beim Prozessauftakt im Februar dpa

Halle (Saale) - Schläge, die sie nicht vergisst: Narben an Kopf, Armen, Beinen und Rücken erinnern Bettina S. aus Eisleben an Jahre des Leidens in Bosnien. Ihre Mutter, die aus Eisleben stammt, hatte zugelassen, dass sie dort als Kind wie eine  Sklavin auf einem Bauernhof schuften musste. Der inzwischen 60-Jährigen wird dafür zum zweiten Mal der Prozess gemacht, am Landgericht in Halle. Ein Gutachter bescheinigte der Angeklagten am Montag zwar fehlendes Einfühlungsvermögen, nannte sie aber schuldfähig.

Sklavin in Bosnien: Neue beklemmende Einzelheiten kommen zur Sprache

Während der Verhandlung, die der Überprüfung einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren aus dem Verfahren vor einer anderen Strafkammer dient,   kamen neue beklemmende Einzelheiten zur Sprache. So fällt es der heute 24-jährigen Ex-Sklavin immer noch schwer, den Zwangsaufenthalt auf dem Balkan zeitlich einzuordnen. Den  Ermittlungen zufolge geht es um die Jahre 2004 bis 2012.

Bettina S. berichtet über den Ablauf anhand ihrer Verletzungen. So wurde  versucht, ihr mit einem heißen Messer im Gesicht ein Brandmal zu setzen.  Prügel mit Eisenstangen, Heugabeln oder den Fäusten waren ihr zufolge an der Tagesordnung. Als Strafe für angeblich schlechte Arbeit  brach ihr ein  Peiniger zwei Finger. Dann wurden Hunde auf sie gehetzt. Ärztliche Hilfe erhielt die Heranwachsende  bis zu ihrer  Befreiung durch die bosnische Polizei nicht, bestätigte eine Richterin aus dem ersten Prozess. 

Bettina S. zog sich einige der Verletzungen bei der Sklaven-Arbeit zu

Einige der Verletzungen zog sich Bettina S. bei der Sklaven-Arbeit zu. Unter anderem soll eine Narbe über der Augenbraue von einem Unfall mit einer  Motorsäge herrühren. Über Jahre musste das Opfer, so ein weiteres Ergebnis der Vernehmungen, jeden Tag zwischen 4 und 6 Uhr in den Wald gehen und  Bäume umsägen. Die Stämme und Äste wurden zu Feuerholz geschnitten und auf dem Markt verkauft. Als Dank erhielt sie dann eine Mahlzeit am Tag, aber nie ein warmes Essen. Ihre Mutter speiste, wenn sie zu mehrwöchigen Besuchen bei ihrem Mann war, in der Küche. Bettina blieb nach eigener Darstellung im Stall bei den Tieren. Ihr sehnlichster Wunsch: ein Glückwunsch der Mutter zum Geburtstag. Dieser Traum erfüllte jedoch nie. Nun wird Bettina S. selbst bald ein Kind gebären - und hofft auf ein schöneres Leben.

Betreuerin bestätigt Hilfsbedürftigkeit von Bettina S. als Folge des Zwangsaufenthaltes in Bosnien

Dass es für den Nachwuchs ein besonders leichter Start werden kann, ist nicht sicher. Auf Nachfrage des Gerichtes musste die zuständige Sozialbetreuerin von Bettina S. vor Gericht schon mal erklären, dass der Vater unbekannt sei. Bei ihm soll es sich, soweit offiziell bekannt, um eine flüchtige Bekanntschaft aus dem Eisleber Trinkermilieu gehandelt haben. Man habe sich bei einer Flasche Bier kennengelernt und später nicht mehr wieder gesehen, berichtete sie. Die Sozialbetreuerin, die vorerst bis 2021 bestellt ist, bestätigte die allseitige Hilfsbedürftigkeit von Bettina S. als eine Folge ihres Zwangsaufenthaltes in Bosnien.  

Christina M. erhielt für drei Jahre ein Einreiseverbot nach Bosnien

Um das Handeln der Angeklagten nachvollziehen zu können, zog das Gericht das Vorstrafenregister von Christine M. heran. Danach kam die Mutter von neun Kindern schon in vielen Fällen mit den Gesetzen in Konflikt. Richter Jan Stengel verlas auf eine entsprechende Übersicht aus dem Justizministerium. Danach wurde die Frau unter anderem schon wegen Fahren ohne Führerschein, Erschleichung einer Niederlassungserlaubnis, der Inanspruchnahme von Leistungen sowie wegen betrügerischer Handlungen verurteilt. Strafbefehle, die in der Folge erlassen wurden, bezahlte die gebürtige Hallenserin nicht immer. Verschiedentlich musste die Frau, die den Abschluss der achten Klasse besitzt und die Lehre abbrach, die Strafe ersatzweise umgerechnet nach Tagen im Gefängnis verbringen.

Auch gegenwärtig befindet sich die Frau, die zeitweise als Küchenhilfe und Marktfrau tätig gewesen ist, in Haft. In einem ersten Verfahren um die Misshandlung und Vernachlässigung ihrer damals minderjährigen Tochter erhielt die Langzeitarbeitslose eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Ihr bosnischer Ehemann wurde in gleicher Sache in seiner Heimat gleichfalls zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Christina M. erhielt für drei Jahre ein Einreiseverbot nach Bosnien. (mz)