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Rechtlicher Anspruch Rechtlicher Anspruch: Warum viele Sachsen-Anhalter Bildungsurlaub verfallen lassen

22.09.2019, 15:53
Das Interesse an Weiterbildung ist da, nur fehlt oft die Zeit dafür.
Das Interesse an Weiterbildung ist da, nur fehlt oft die Zeit dafür. dpa

Magdeburg/Halle (Saale) - In Sachsen-Anhalt wird der Bildungsurlaub aus Gewerkschaftssicht noch viel zu wenig in Anspruch genommen. Nur etwa ein Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Land nutzt laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) diese Möglichkeit. Im Bundesdurchschnitt seien es zwei Prozent und damit auch immer noch deutlich zu wenig, sagte ein DGB-Sprecher. „Ein Problem dabei ist: Der gesetzliche Anspruch auf einen Bildungsurlaub ist leider noch zu wenig bekannt“, sagte er.

Anspruch auf fünf Tage

Nach Angaben des Landes haben Beschäftigte, deren Arbeitsstätte in Sachsen-Anhalt liegt, ein Anrecht auf fünf Tage bezahlten Sonderurlaub pro Jahr, um sich berufsspezifisch weiterzubilden. Jährlich nehmen laut Bildungsministerium 1 550 Menschen in Sachsen-Anhalt diese Bildungsfreistellung in Anspruch. Das sei weniger als ein Prozent. „Die Zahlen steigen, allerdings auf niedrigem Niveau“, teilte ein Sprecher mit.

Die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau sieht als Ursache für die geringe Inanspruchnahme, dass Unternehmen Weiterbildung in vielen Fällen bereits selbst organisieren, während der Arbeitszeit und mit Bezahlung. „Das passiert ohnehin“, sagte die Geschäftsführerin für Aus- und Weiterbildung, Simone Danek. Ein Bildungsurlaub gehe über diese Angebote hinaus.

Besonders nachgefragt sind dort laut Bildungsministerium Themen aus der Wirtschaft und Sprachen. Der Anteil der Frauen (43 Prozent) und Männer, die Bildungsurlaub in Anspruch nehmen, sei in etwa gleich.‎

Ängste der Beschäftigten

Nach Ansicht des DGB scheuen sich Mitarbeiter mitunter, den Bildungsurlaub beim Chef zu beantragen. „Weil sie ein schlechtes Gewissen Kollegen gegenüber haben, wenn sie fehlen und die anfallende Arbeit ja trotzdem gemacht werden muss“, sagte der Gewerkschafter. Es sei aber Aufgabe des Unternehmens oder der Verwaltung, die Arbeit so zu organisieren, dass der Betrieb jederzeit läuft, sagte er.

Aus Sicht der Wirtschaft ist es laut IHK-Vertreterin Danek vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels für Unternehmen nicht so einfach, zusätzliche Freistellungen in den Betriebsabläufen auszugleichen.

Die Zahl der zertifizierten Bildungsanbieter, die Maßnahmen nach dem Bildungsfreistellungsgesetz anbieten, ‎steigt derweil. Derzeit sind in Sachsen-Anhalt nach Angaben des Ministeriums etwa 2 250 Bildungsmaßnahmen anerkannt.‎

Inhaltlich sieht der DGB jedoch Nachholbedarf. Neben Klassikern wie Fremdsprachen- und Computerkursen sei es wichtig, die thematische Eingrenzung beim Bildungsurlaub aufzuheben und um die politische Bildung zu erweitern. „Gerade im Zeitalter der Digitalisierung und der Energiewende brauchen wir auch diese Form der Weiterbildung, um Skepsis und Ängste, was das für die Menschen bedeutet, ein Stück weit abzubauen“, sagte der Gewerkschafter. (dpa)