Reaktionen auf Handschrift-Studie Reaktionen auf Handschrift-Studie: "Kinder wissen oft nicht wie Stifte zu halten sind"

Halle (Saale) - Unleserlich, langsam und fehlerhaft: Die Handschrift von Schülern wird immer schlechter. Das hat eine gerade veröffentlichte Studie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) ergeben. Dazu wurden bundesweit 2.000 Lehrer befragt, davon 600 Grundschullehrer.
Nach deren Einschätzung haben 41 Prozent der Schüler Probleme, eine gut lesbare, flüssige Handschrift zu entwickeln. Und 87 Prozent der Pädagogen sind der Meinung, dass sich die Handschrift ihrer Schüler in den vergangenen Jahren verschlechtert hat.
Wissenschaftler zeichnen dagegen kein so düsteres Bild. „Die meisten Kinder lernen auch heute noch, hochgradig funktional zu schreiben.“, sagte Michael Ritter, Professor für Grundschuldidaktik an der Universität Halle.
„Lehrer haben im Unterricht zu wenig Raum und Zeit, die Handschrift zu üben“
Für Torsten Wahl, VBE-Vorsitzender in Sachsen-Anhalt, ist das Ergebnis der Befragung wenig verwunderlich. „Lehrer haben im Unterricht zu wenig Raum und Zeit, die Handschrift zu üben“, kritisierte er. Hinzu komme, dass Kindern oft die notwendigen Fähigkeiten fehlten.
„Viele Schulanfänger wissen nicht einmal, wie sie einen Buntstift halten müssen“, sagte Wahl. Da seien die Eltern in der Pflicht. Diesen Eindruck bestätigt auch die Studie. Als wichtigste Gründe für die schlechte Handschrift ihrer Schüler geben Lehrer wenig Routine sowie schlechte Motorik und Koordination an.
Thekla Mayerhofer vom Grundschulverband Sachsen-Anhalt sieht darin auch eine veränderte Lebenswelt gespiegelt. „Handschrift hat im Alltag an Bedeutung verloren.“ Anstatt eines Zettels auf dem Küchentisch würden Kinder heute eine SMS von ihren Eltern bekommen. Verteufeln sollte man diese Entwicklung aber nicht. „Viele Schüler können dafür besser mit zehn Fingern auf der Tastatur schreiben als ihre Lehrer.“
Der Grundschulverband trete trotzdem für das Erlernen einer Handschrift ein. Problematisch in Sachsen-Anhalt ist laut Mayerhofer aber, dass der Lehrplan derzeit zwei sehr verschiedene Handschriften vorsieht. Neben der Druckschrift, in der auch gelesen wird, lernen Kinder zudem die Schulausgangsschrift.
Grundschulverband plädiert für die Grundschrift als Alternative
Dabei handle es sich um vollverbundene Schreibschrift, die nach strengen Regeln funktioniert. „Die ist ein Relikt aus der Tintenfass-Ära und bereitet vielen Schülern Probleme“, sagt Mayerhofer. Der Wechsel zwischen diesen beiden Welten könne mitverantwortlich für das schlechtes Schriftbild der Kinder sein.
Als Alternative plädiert der Grundschulverband schon seit Jahren für die Grundschrift. Die sei der Druckschrift viel ähnlicher und nicht so streng reglementiert. „Und ab der fünften Klasse schreibt ohnehin fast keiner mehr in Schulausgangsschrift“, sagte Mayerhofer.
Eine größere Öffnung für unterschiedliche Schreibschriften wünscht sich auch Grundschuldidaktiker Ritter. Für ihn ist zudem wichtig, dass das Üben der Handschrift wieder mehr Raum bekommt. „Das wurde durch neue Lerninhalte, die auch die Digitalisierung mit sich gebracht hat, ein wenig verdrängt“, sagte der Uni-Professor.
Diese digitalen Technologien seien zwar auch sehr bedeutend. „Allerdings muss man da eine gute Balance finden“, so Ritter. „Denn für Kinder ist ein vielfältiges Lernen entscheidend, das auch die Bewegung als wichtigen Zugang berücksichtigt.“
Studien wie die Lehrer-Befragung des VBE sieht Ritter kritisch. „Es war zu allen Zeiten so, dass Befragte die Vergangenheit positiver bewerten als die Gegenwart.“ Wissenschaftliche Studien würden aber oft das Gegenteil zeigen. (mz)