Geldstrafe wegen SA-Parole Verurteilt wegen Nazi-Losung: So lief das Finale des Höcke-Prozesses in Halle
Weil er eine verbotene Nazi-Losung genutzt hat, ist der AfD-Politiker Björn Höcke in Halle zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt worden. Schon am Morgen protestieren Dutzende Demonstranten gegen den Politiker: Und im Gerichtssaal gibt es einen Überraschungszeugen.
Halle/MZ - Der rechtsextreme Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke ist vor dem Landgericht Halle wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Kammer um Richter Jan Stengel sah es am Dienstag als erwiesen an, dass der 52-Jährige die Parole „Alles für Deutschland“ bei einer Rede in Merseburg (Saalekreis) 2021 benutzt hatte.
AfD-Politiker Höcke zu Geldstrafe verurteilt
Es handelt sich um eine Losung der Sturmabteilung (SA), einer Kampftruppe der Nationalsozialisten. Höcke wurde zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt, damit würde er als vorbestraft gelten. Er kann gegen das Urteil noch Rechtsmittel einlegen.
Richter Stengel begründete, die Strafkammer gehe davon aus, dass Höcke die Bedeutung der Losung gekannt habe. Der AfD-Politiker sei ein „redegewandter Mann“. Zudem sei im Prozess klar geworden, „dass er wieder Sachen sagen will, die seiner Meinung nach zur Meinungsfreiheit gehören“. Stengel betonte: „Wir haben auch den Eindruck, dass der Deckmantel ,Meinungsfreiheit’ stark strapaziert wird“. Da die Wahlkampfrede in Merseburg 2021 von Kameras gefilmt wurde, habe Höcke auch die weitere Verbreitung der SA-Formel billigend in Kauf genommen.
Höcke-Anwälte fordern Freispruch
Höcke und seine Anwälte hatten dagegen nach vier Prozesstagen auf Freispruch plädiert. Auf die Landtagswahl in Thüringen, bei der Höcke im September als AfD-Spitzenkandidat antreten will, hätte das Urteil keinen direkten Einfluss: Seine Wählbarkeit hätte Höcke erst ab einer halbjährigen Haftstrafe verlieren können.
Allerdings: Die Staatsanwaltschaft Halle hatte mehr als nur eine Geldstrafe gefordert. Sie plädierte auf eine sechsmonatige Bewährungsstrafe. Staatsanwaltschaft Benedikt Bernzen begründete, Höcke habe mit seiner Rede eine in Vergessenheit geratene Parole „wiederbelebt und wieder salonfähig gemacht“. Als Politiker habe Höcke eine Vorbildfunktion, zudem sei ein Video der Rede auf einer öffentlichen AfD-Facebook-Seite seit 2021 gut 21.000 Mal von Internetnutzern abgerufen worden.
Erst im Laufe des Strafprozesses hatte Höcke Parteifreunde um die Löschung des Films gebeten. „Die Nachahmer-Quote ist erschreckend hoch“, sagte Bernzen am Dienstag. Er verwies darauf, dass seit Prozessstart in Halle zahlreiche Onlinenutzer die illegale Parole benutzt hätten.
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Nichts vom Verbot der SA-Formel gewusst?
Bernzen widersprach auch der Beteuerung Höckes, nichts von der SA-Formel und ihrem Verbot gewusst zu haben. „Der augenscheinlich fundierte NS-Sprachschatz des Angeklagten deutet auf Täterwissen hin“, erklärte der Staatsanwalt. Bernzen verwies auf frühere Reden und Schriften Höckes, in denen unübliche Formulierungen wie „Volksverderber“ und „Tat-Elite“ vorkämen.
Höcke habe sich offenkundig mit der Sprache der Nationalsozialisten befasst und sich diese „zu eigen gemacht“, so der Strafverfolger. Der Staatsanwalt unterstellte Höcke „planvolle Grenzüberschreitungen“, um auf diesem Weg angebliche Denk- und Sprechverbote anzugreifen.
Höcke: "Glauben Sie mir, ich wusste es nicht"
Höcke und sein Verteidiger-Trio forderten stattdessen einen Freispruch. „Glauben Sie mir, ich wusste es nicht“, sagte der AfD-Politiker in seinem letzten Wort. „Ich bin völlig unschuldig.“ Sein Anwalt Ralf Hornemann beklagte eine „mediale Hexenjagd“ auf den Thüringer Politiker. Er bezeichnete die SA-Parole als „völlig unverfänglich“. Zugleich warf er der Staatsanwaltschaft vor, die Nazi-Losung mit ihrer Anklage gegen den AfD-Politiker erst wieder bekannt gemacht zu haben: „Sie haben diese Losung wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht“, sagte Hornemann.
Sein Verteidiger-Kollege Philip Müller betonte, die Staatsanwaltschaft habe im Laufe des Prozesses nicht beweisen können, dass Höcke die SA-Losung und deren Verbot tatsächlich zum Zeitpunkt der Rede kannte. Höcke ist Geschichtslehrer und seit Jahren vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Seine Verteidiger betonten zudem, die Losung "Alles für Deutschland" sei seit dem 19. Jahrhundert von verschiedenen politischen Organisationen genutzt worden - auch vom sozialdemokratischen "Reichsbanner" in der Weimarer Republik.
AfD-Politiker fühlt sich als "politisch Verfolgter"
Höcke erklärte vor Gericht, er fühle sich als „politisch Verfolgter“. Ihm droht bereits jetzt ein zweites Strafverfahren in Halle, weil er die SA-Parole nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Ende 2023 im thüringischen Gera ein weiteres Mal verwendete. Zudem wird er sich vor dem Landgericht Mühlhausen wegen Volksverhetzung verantworten müssen.
Zum Start des letzten Prozesstags hatten am Dienstagmorgen Dutzende Demonstranten vor dem Justizzentrum Halle protestiert. Sie trugen Transparente mit Slogans wie „Björn Höcke ist ein Nazi“.
Höcke-Anwalt will früheren IfS-Leiter vor Gericht befragen
Im Gerichtssaal ließ Richter Jan Stengel noch vor den Plädoyers ein Video abspielen, in dem Höcke die Parole ein zweites Mal verwendete: In Gera sprach er Ende 2023 erst über den anstehenden Prozess in Halle, stimmte dann die Parole an mit den Worten "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für…". Dann animierte er das Publikum mit einer Armbewegung dazu, "Deutschland" zu rufen.
Höckes Anwälte bemühten sich indes zu beweisen, dass die Parole keineswegs ein klassischer nationalsozialistischer Slogan sei. Höcke-Verteidiger Ulrich Vosgerau beantragte überraschend, dazu den Historiker Karlheinz Weißmann im Gericht zu befragen: Er könne bezeugen, dass der Ausspruch "Alles für Deutschland" bereits im 19. Jahrhundert genutzt worden sei.
Weißmann war Mitgründer und bis 2014 einer der Köpfe des neurechten "Instituts für Staatspolitik" in Schnellroda (Saalekreis). 2014 verließ er das Institut, das 2021 vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde. Mittlerweile ist es aufgelöst.
"Alles für Deutschland" stand auf jedem SA-Dienstdolch
Weißmann sagte vor Gericht zwar, die SA-Parole "Alles für Deutschland" habe im Nationalsozialismus "keine starke Präsenz" gehabt. Allerdings habe sie auf jedem Dienstdolch der früheren "Sturmabteilung" gestanden. Diese Waffen hätten laut SA-Dienstvorschrift zur Uniform eines jeden "Sturmmannes" gehört. "An der massenhaften Verbreitung dieses Dienstdolches gibt es keinen Zweifel", so Weißmann. Die SA war Anfang der 1930er-Jahre zu einer Massenorgansiation mit Millionen von Mitgliedern angewachsen. Auch in einem Hitlerjugend-Liederbuch komme die Parole vor, so Weißmann: als Refrain.
Trotzdem glaubt der Historiker: Es sei "eine weltfremde Einschätzung", dass die Parole "Alles für Deutschland" heute noch im Geschichtsunterricht oder im -studium stattfinde. So hatte auch Höcke argumentiert. Weißmann sagte zudem: Auch andere Organisationen in der Weimarer Republik hätten die Formel verwendet: etwa das sozialdemokratische Reichsbanner, der Stahlhelm oder die Eiserne Front.