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Frühkindliche Aufklärung Olivia Jones zeigt André Poggenburg (AfD) wegen Volksverhetzung an

Von Alexander Schierholz 16.09.2016, 04:15
Olivia Jones
Olivia Jones dpa

Halle (Saale) - Es ist das Duell zweier denkbar verschiedenen, aber gleichsam schillernden Figuren. In der linken Ecke: Olivia Jones, der Travestie-Star mit Hang zu auffallenden Kleidern. In der rechten Ecke: André Poggenburg, der sachsen-anhaltische AfD-Landtagsfraktionschef mit Hang zu ausfälligen Meinungsäußerungen.

Jones hat Poggenburg wegen Volksverhetzung angezeigt, der keilt zurück und nennt das eine „Eigen-PR-Aktion eines Homolobbyisten“.

Die Drag-Queen und der Rechtspopulist haben sich wegen einer Broschüre der Landesregierung verharkt. Die hatte Gleichstellungsministerin Anne-Marie Keding (CDU) in 2.000-facher Ausfertigung an Kindergärten und Grundschulen verteilt. Darin werden verschiedene Bücher empfohlen, die wiederum kindgerecht unterschiedliche Familienmodelle behandeln. Das ist Teil eines „Aktionsplans“ des Ministeriums, mit der mehr Akzeptanz für sexuelle Minderheiten wie Homo- oder Transsexuelle erreicht werden soll. Jones gehört zu den empfohlenen Buchautoren.

Einen MZ-Bericht über die Broschüre hatte der rechtspolitische Sprecher der AfD, Jens Diederichs, noch sachlich kritisiert: „Bei Sexualerziehung hört der Spaß auf, da hat der Staat sich rauszuhalten.“

Dann hat die AfD-Fraktion aber garniert mit einem Poggenburg-Zitat („unverantwortliche Verblendung“) auf Facebook nachgelegt. Dabei sieht man das Bild eines Buches, das die AfD mit „Die neue Bildungslektüre für Kinder“ überschrieben hat. Dann sieht man zwei Seiten. Auf der einen steht: „Wie kann ich als Kind Sex haben? 5 Schritte, leicht erklärt. Heute: Warum du in Wirklichkeit homo bist.“ Auf der anderen Seite: „Schreibe deine 7 erotischen Szenarien mit einem Erwachsenen auf!“

Olivia Jones schreibt offenen Brief an AfD Sachsen-Anhalt

Olivia Jones wirft Poggenburg und seiner Fraktion deswegen vor, Homosexualität und den sexuellen Missbrauch von Kindern gleichzusetzen. Man dürfe in einer Demokratie unterschiedlicher Meinung sein, das sei jetzt aber keine Frage von Meinungsverschiedenheiten, sondern Volksverhetzung.

„Liebe AfD Sachsen-Anhalt“, schriebt Jones in einem Offenen Brief, „ich frage mich ernsthaft, ob eigentlich jemals eines Ihrer Fraktionsmitglieder eines der vom Ministerium empfohlenen Bücher gelesen hat. Ich schicke Ihnen meins gerne kostenlos zu.“ Wenn es sein müsse, komme sie sogar zum Vorlesen vorbei. Dann merke vielleicht auch die AfD, dass es noch andere Beziehungsformen als Mann-Frau oder Mutter-Vater-Kind gibt, „dass davon die Welt nicht untergeht und es sogar in der Natur vorkommt“.

In ihrem Buch werde das alles erklärt, ohne dass einmal das Wort „Sex“ vorkomme. „Was können denn bitte Kinder dafür, wenn Sie als Erwachsene beim Thema Liebe immer gleich an Sex denken müssen?“, fragt Jones. Sie wirft der AfD vor, alles in einen Topf zu werfen. Und: „Brandstifter gibt es schon genug. Hören Sie endlich auf, zu zündeln.“

André Poggenburg: Setzen Homosexualität nicht mit Pädophilie gleich

„Der Post ist sicher ein Stück weit übertrieben“, räumt Poggenburg auf MZ-Nachfrage ein, „aber wir setzen an keiner Stelle Homosexualität mit Pädophilie gleich. Das wird da hineininterpretiert.“ Um zu erklären, dass es nicht nur Vater-Mutter-Kind-Familien gibt, sondern zum Beispiel auch Vater-Vater-Kind-Familien, „brauche ich keinen Aktionsplan“, so Poggenburg.

Die AfD spreche sich gegen „jede Frühsexualisierung“ aus. „Wir brauchen weder Kita-Koffer noch irgendwelchen Sexualaktionismus, mit dem schon Drei- bis Achtjährige in Kitas und Grundschulen mit sexuellen Inhalten und Ansichten konfrontiert werden“, sagt Poggenburg. Schon gar nicht bräuchten Kleinkinder Aufklärungskampagnen zu Homo- und Transsexualität „unter dem Deckmantel von Toleranzerziehung“. Poggenburg: „Durch dieses Aktionsprogramm wird Kindern vermittelt, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Normalfall seien.“

André Poggenburg: Homo- oder Transsexuelle hätten die gleichen Rechte

Das Gegenteil sei der Fall. Homo- oder Transsexuelle hätten zwar „selbstverständlich die gleichen Rechte“ wie alle anderen, versichert der AfD-Fraktionschef. Das „klassische Familienbild als Keimzelle der Gesellschaft ist in Deutschland trotzdem der Normalfall“, sagt der unverheiratete und kinderlose 41-Jährige.

Die Landesregierung trete mit dem Aktionsprogramm nicht gegen Diskriminierung ein, „sondern gefährdet unter dem Druck von Lobbyverbänden die Seelen unserer Kinder“.

Die Vorsitzende des Landes-Frauenrates und Fraktionsvize der Linken, Eva von Angern, begrüßte die Anzeige. „Olivia Jones’ Strafanzeige ist eine gute Sache“, sagte von Angern der MZ. „Wir müssen uns gemeinsam gegen die hass-säende Politik der AfD engagieren.“ (mz)