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Verspätete Retter Notruf 112: Jeder fünfte Rettungswagen in Sachsen-Anhalt kommt zu spät

Von Felix Fahnert 16.07.2019, 08:00
Ein Notarzt hält in einem Rettungswagen auf dem Weg in ein Klinikum die Hand einer Patientin.
Ein Notarzt hält in einem Rettungswagen auf dem Weg in ein Klinikum die Hand einer Patientin. dpa

Halle (Saale) - Patienten in Sachsen-Anhalt müssen bei Notfällen immer öfter lange auf einen Rettungswagen warten. Die Einsatzkräfte waren auch 2018 häufig nicht in der vorgeschriebenen Frist von zwölf Minuten vor Ort.

Wie aus einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung hervorgeht, wurde diese Frist bei fast jedem fünften Einsatz überschritten - nur 81 Prozent der Fahrzeuge waren rechtzeitig vor Ort. Das Gesetz sieht als Richtgröße jedoch eine Quote von 95 Prozent vor. Die Situation hat sich so weiter verschärft. 2017 erreichten die Rettungskräfte einen Quote von 82 Prozent, 2016 kamen 83 Prozent der Rettungswagen innerhalb der Frist.

Rüdiger Erben fordert mehr Rettungsfahrzeuge und Rettungskräfte

Innenpolitiker Rüdiger Erben (SPD), der die Kleine Anfrage gestellt hatte, sagte der MZ, man dürfe sich nicht darauf einstellen, dass die vorgeschriebenen Fristen dauerhaft unterschritten würden. „Gesetze müssen eingehalten werden.“ Wie das Innenministerium in seiner Antwort mitteilt, sei man bereits seit 2015 mit dem Landesverwaltungsamt im Gespräch, um die Quote zu verbessern.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Gespräche nicht besonders erfolgreich sind“, sagte Erben. Konkrete Maßnahmen konnte auch das Innenministerium Montag auf MZ-Nachfrage nicht nennen. Sprecher Lars Fischer räumte ein, dass „weiterhin Verbesserungsbedarf bei den Rettungstransportwagen“ bestehe.

Erben forderte angesichts der Zahlen, dass die Träger der Rettungsdienste, meist die Landkreise, die Zahl der Fahrzeuge und Personen erhöhen. Dazu müsse die jeweilige Satzung geändert werden. „Die Rechtslage ist eindeutig. Alles, was gesetzlich notwendig ist, wird von den Krankenkassen bezahlt.“

Experten bezweifeln, dass das Problem damit gelöst werden kann. Gerhard Nadler, Professor für Rettungswesen an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin, sagte der MZ, es müsse die gesamte Struktur des Leitstellensystems geändert werden.

„Das Problem ist, dass heute fast jedem ein Rettungswagen geschickt wird.“ Für Bagatellnotfälle wie Schnittwunden sei dies aber nicht nötig. „Die Fahrzeuge sind dann nicht da, wenn es echte Notfälle gibt.“ Problematisch sei eine gestiegene Erwartungshaltung. „Wenn das Kind Fieber hat, ist heute schneller Hysterie zu beobachten.“

Hinzu käme die Angst vieler Mitarbeiter in Leitstellen, Fehler zu machen. „Es darf keine Scheu geben, Anrufern mit leichten Blutungen zu sagen, dass sie vom Taxi oder Nachbarn ins Krankenhaus gebracht werden können“, sagte Nadler. Zudem sollten die Leitstellen nicht nur für den Rettungsdienst, sondern auch für den ärztlichen Bereitschaftsdienst zuständig sein, der viele Patienten versorgen könne.

Rettungsquote: Magdeburg ist Spitzenreiter, Harz Schlusslicht

In Sachsen-Anhalt wurde die Quote von 95 Prozent im Vorjahr in keiner Region erreicht. Dennoch gibt es große regionale Unterschiede. Spitzenreiter sind Magdeburg und der südliche Saalekreis, wo die Fahrzeuge in 89 Prozent der Fälle rechtzeitig eintrafen. Schlusslicht mit einer Quote von 69 Prozent ist der Harz. Michael Werner, Leiter des Rettungsbetriebs im Harz, macht dafür die weiten Strecken und das teils bergige Gelände verantwortlich. „Zudem sind die Kliniken im Kreis spezialisiert.“

Wenn jemand in Schierke einen Herzinfarkt erleide, müsse er nach Quedlinburg gebracht werden. „Dann ist der Rettungswagen drei Stunden unterwegs.“ Werner sagte, in Zukunft wolle man auch auf neue Modelle setzen. So seien Erste-Hilfe-Teams bei Feuerwehren und Telenotarztsysteme, bei denen der Arzt Anweisungen per Schalte gibt, Optionen, um die Fristen einhalten zu können. (mz)