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Nach tödlichem Angriff Nach tödlichem Angriff: Müssen alle Hundehalter in Sachsen-Anhalt zum Test?

Von Jan Schumann 20.04.2018, 08:14
Hunde der Rasse American Staffordshire sind als gefährliche Kampfhunde eingestuft.
Hunde der Rasse American Staffordshire sind als gefährliche Kampfhunde eingestuft. dpa

Halle (Saale) - Nach den Beißattacken von Hannover ist in Deutschland eine Debatte über den Umgang mit Kampfhunden entbrannt. Der Terrier „Chico“ hatte seinen 27-jährigen Besitzer und dessen Mutter totgebissen. Daraufhin hat der Deutsche Tierschutzbund einen Führerschein samt Pflichttest für alle Hundehalter gefordert - egal, ob sie einen Kampfhund halten oder eine sonstige Rasse.

Es gehe darum, die Sachkunde der Halter grundsätzlich zu verbessern, so der Bund. Der Vorstoß trifft in Sachsen-Anhalt auf gemischte Reaktionen. Zugleich zeigt eine Gesetzesverschärfung im Land Wirkung: Obwohl es immer mehr Hunde gibt, sinkt die Zahl der Beißvorfälle - und das deutlich.

Zahl der registrierten Hunde in Sachsen-Anhalt von 54.800 auf 109.500 gestiegen

Seit 2013 verdoppelte sich die Zahl der registrierten Tiere von 54.800 auf 109.500. Zugleich beißen Hunde seltener zu, zeigen Zahlen des Landesverwaltungsamts: Statt 94 Fällen im Jahr 2013 registrierte die Behörde 2017 nur noch 47 Bisse. Gezählt wurden Angriffe auf Menschen. Nur drei Angriffe entfielen zuletzt auf sogenannte Kampfhunde - obwohl deren Anzahl im Land seit Jahren steigt.

Als Kampfhunde sind in Sachsen-Anhalt vier Rassen klassifiziert: Bullterrier, Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier. Hinzu kommen alle zugehörigen Kreuzungen.

Seit der Gesetzesverschärfung von 2008 gelten alle Tiere dieser sogenannten Rasseliste als potenziell gefährlich: Halter müssen deshalb zwingend eine Theorie- und Praxisprüfung zur Hundehaltung ablegen, für die Tiere ist ein Wesenstest Pflicht. So wird ihre Sozialverträglichkeit geprüft und die Tiere dürfen nur bei einem positiven Befund gehalten werden.

Trotz verschärfter Bedingungen wurden in Sachsen-Anhalt mehr Kampfhunde angemeldet: Ihre Anzahl stieg von rund 1.200 im Jahr 2013 auf fast 1.900. Dabei verbietet das Gesetz auch Handel, Zucht und Vermehrung der Terrier. Doch jedes Bundesland hat eigene Hundegesetze, ein Kauf außerhalb ist leicht möglich.

Vor diesem Hintergrund plädiert der Tierschutzbund für eine bundesweit einheitliche Regelung zum Hundeführerschein für alle. Das findet Anklang bei Sachsen-Anhalts Grünen. „Eine solche Änderung halte ich für sinnvoll“, sagte Innenpolitiker Sebastian Striegel der MZ. Rasselisten gingen am Problem vorbei.

Angriffe von Kampfhunden sind auf konstant niedrigem Niveau

„Rasse und Beißverhalten stehen nicht im Zusammenhang“, so Striegel. „Es geht dabei viel stärker um individuelle Faktoren wie Aufzucht, Erziehung und Haltung des Tieres.“ Als Beleg sieht er die Beißstatistiken: Angriffe von Kampfhunden sind auf konstant niedrigem Niveau. Auch die Christdemokraten wollen die Rasselisten loswerden. „Wir können uns eine Liberalisierung vorstellen“, so Chris Schulenburg, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.

„Denn klar ist: Auch ein psychisch labiler Spitz kann gemeingefährlich sein.“ In der Hundehaltung eint CDU und Grüne daher die Überzeugung, dass sich das Problem am anderen Ende der Leine befindet. Doch im Gegensatz zum grünen Koalitionspartner lehnt Schulenburg den Prüfzwang für alle ab: „Zu bürokratisch.“

Er wolle auf Einzellfallprüfung setzen, im Zweifel Maßnahmen für Hund und Halter erlassen. SPD-Innenexperte Rüdiger Erben pocht aber auf den Koalitionsvertrag im Land, der bis mindestens 2021 an der Rasseliste festhält. „Die niedrigen Beißzahlen geben unserem Modell Recht.“ Ein Test für alle sei weder sinnvoll noch praktikabel: „Allein deswegen, weil sich die Gefährlichkeit des Hundes auch aus der Größe ergibt.“ (mz)