MZ-Sommerinterview MZ-Sommerinterview: AfD-Chef André Poggenburg lobt die DDR
Halle (Saale) - Am Sozialismus findet André Poggenburg nicht alles schlecht, die DDR lobt er für ihr Bekenntnis zum „Nationalgedanken“. Der AfD-Fraktionschef spricht über seinen Start in die Politik, nicht bezahlte Rechnungen und die Frage, warum er keine Kinder hat.
Herr Poggenburg, Politik machen Sie erst seit vier Jahren. Sie erinnern sich an Ihre erste Rede?
André Poggenburg: Das war 2014 bei der Landratswahl im Burgenlandkreis, bei der ich kandidiert habe.
Landrat sind Sie nicht geworden. Lag’s an der Rede?
André Poggenburg: Ich bin im Mittelfeld gelandet und war zufrieden – die AfD war damals ja eine völlig unbekannte Partei. Das war schon ein Sprung ins kalte Wasser. Vor der Rede war ich natürlich etwas aufgeregt. Ich denke aber, dass ich rübergebracht habe, was ich mir vorgenommen habe. Meine liebe Mutter saß vorn mit ein paar Tränen in den Augen. Wie das bei einer Mama so ist, wenn der Sohn oder die Tochter einen großen Schritt macht.
Im vergangenen Jahr kam ein noch größerer Schritt, seither halten Sie Reden im Landtag. Was haben Sie dazugelernt?
André Poggenburg: Ein Anfängerfehler ist eine gewisse Aufgeregtheit, die man aber nicht sofort ablegen kann. Man ist dann etwas unkonzentriert, spricht zu hastig. Irgendwann schaltet man aber um, die Wiederholungen machen es, wie so oft im Leben. Man versucht dann nicht mehr, die Rede möglichst schnell hinter sich zu bringen, sondern etwas bei den Zuhörern zu erreichen. Ich hatte den Vorteil einer gewissen Charakterfestigkeit und dass ich nicht allzu schüchtern bin – das hilft natürlich.
Ist der Sprung ins kalte Wasser Ihr Weg, im Leben voranzukommen?
André Poggenburg: Ja, das habe ich oft so gemacht. Mit 19 Jahren war ich bereits selbstständig und hatte Mitarbeiter. Später habe ich den Gutshof erworben, auf dem ich jetzt lebe und auf dem es viel zu tun gibt. An solchen Entscheidungen und Aufgaben bin ich gewachsen.
Wer ist im Landtag der beste Redner?
André Poggenburg: Schwer zu sagen, aber weit vorn steht für mich auch Wulf Gallert. Man bemerkt schon großes Wissen und dass er hinter dem steht, was er sagt – auch wenn wir inhaltlich großteils völlig andere Überzeugungen haben.
Sie bezeichnen sich als „nationalkonservativ“. Wann haben Sie diese Einstellung zum ersten Mal an sich festgestellt?
André Poggenburg: Ich sage ein Beispiel: Für meine Firma habe ich auf die Visitenkarte meine Initialen in altdeutscher Schrift drucken lassen. Das sollte für alte deutsche Qualitätsarbeit stehen. Genauso kam es auch an. Kunden haben gesagt: Wenn Sie genau so arbeiten wie das hier dargestellt ist, sind Sie der richtige Betrieb für mich. Da habe ich gemerkt: Das Deutsche steht auch für sehr positive Sachen. Für gründliche Arbeit, Freude daran, etwas zu schaffen, das lange Bestand und Wert hat.
Französische oder rumänische Handwerker arbeiten also weniger gut als deutsche?
André Poggenburg: Diese Art zu arbeiten ist sehr stark bei uns vorhanden, im Ausland oftmals weniger. Dafür zollt man uns im Ausland ja auch Respekt. Das ist ein positiver Punkt, die man mit dem Deutschtum verbindet.
André Poggenburg: „Ich habe 'Mein Kampf' nie gelesen"
Haben Sie Ihre Vorstellungen vom Deutschtum aus Ihrer Familie übernommen?
André Poggenburg: In meiner Familie waren viele Kommunisten. Meine Großeltern sind mit dieser Überzeugung teils auch ins Grab gegangen, ein Großvater war Oberst bei der Volkspolizei und beim MfS. Am damaligen Sozialismus und der DDR gab es auch gute Ansätze. Was mir beim Kommunismus nie gefallen hat, ist die Gleichmacherei auf Biegen und Brechen. Es müssen auch Unterschiede zugelassen werden, in der Gruppenzugehörigkeit, im Identitätsbewusstsein, der Nationalität. In Deutschland sollen wir heute nicht stolz sein, wir müssen uns immer bücken und ducken. Es gibt einen Hang zur Selbstgeißelung, immer mit Blick auf diese schrecklichen zwölf Jahre der NS-Zeit. Entgegen linker Behauptungen habe ich „Mein Kampf“ nie gelesen, kann also auch nie daraus zitiert haben, „Das kommunistische Manifest“ schon.
Was würden Ihre kommunistischen Großeltern zu Ihrer deutschnationalen Haltung sagen?
André Poggenburg: Die wären stolz darauf. In der antifaschistischen DDR hatte niemand ein Problem mit dem Nationalgedanken. Die DDR hat seit Ende der 60er Jahre bestritten, dass es überhaupt ein deutsches Volk gibt. Aber nein, es hieß ja auch „Deutsche“ Demokratische Republik. Wir hatten sogar eine „Nationale Volksarmee“. Versuchen Sie mal heute, so einen Begriff einzuführen. Da hätten die Linken und Grünen ganze Schaumberge vor dem Mund.
Sind Sie schon vor der AfD einmal einer Partei nähergekommen?
André Poggenburg: Frühere Besitzerin des Gutshofs war die Familie Curt Becker, also der frühere Landesjustizminister. Durch meine Bekanntschaft mit ihm habe ich auch über die CDU nachgedacht. Das war aber sofort vorbei, als sich die CDU am Irak-Krieg der Amerikaner beteiligen wollte. Gott sei Dank hat Deutschland da nicht mitgemacht. Dafür bin ich Kanzler Schröder dankbar.
Sie sind heute gut bezahlter Berufspolitiker. Haben Sie sich finanziell saniert?
André Poggenburg: Das musste ich nicht. Ich hatte eine gut funktionierende Firma und genügend Aufträge und konnte damit auch diesen Gutshof kaufen, schon vor dem Landtag.
Vor der Wahl in den Landtag hat der Gerichtsvollzieher sieben Mal den Offenbarungseid von Ihnen verlangt, weil sie Rechnungen nicht bezahlt hatten.
André Poggenburg: Ich habe im Zuge der Parteiarbeit 2014 und 2015 und früher durch eine Erkrankung meinen Betrieb zeitweise etwas vernachlässigen müssen. Viele Dinge blieben dadurch liegen, sind nicht bezahlt worden. Zum Teil – aber nur zum Teil – fehlten auch Rechnungen und Schriftverkehr, weil mein Briefkasten mit AfD-Beschriftung zigmal aufgebrochen wurde. Aber immer, wenn der Gerichtsvollzieher da war, habe ich sofort mit Zinsen und Gebühren bezahlt. Das waren mal Beträge von 50 Euro, aber auch mal 2 000 oder 3.000 Euro. Ich habe daraus gelernt, dass man auch mit privaten Sachen, die mit der Politik gar nichts zu tun haben, aufmerksamer sein muss als Politiker.
Finanziell geht es Ihnen aber jetzt schon besser als früher.
André Poggenburg: Jein. Als Fraktionsvorsitzender kann ich mich überhaupt nicht beklagen, ich verdiene gut. Aber ich behalte ja nicht alles, ich spende sehr viel und rechne auch nicht alle Ausgaben ab, die ich für die AfD auf meinen Reisen habe. Viele Leute beschweren sich, dass Politiker einen Haufen Geld bekommen. Ich bremse dann und sage: Ein Politiker soll so gut verdienen, dass er absolut immun ist gegen jede Versuchung und Bestechlichkeit und dafür keinen Euro von jemandem annimmt.
Ihre neue Rolle bedeutet also, dass Sie den Landtag gegen populistische Kritik verteidigen?
André Poggenburg: Natürlich, wir verteidigen ja das freiheitlich-demokratische System. Wir wollen ja keine Revolution, sondern eine grundlegende Reform innerhalb des Grundgesetzes. Es braucht eine Grundinstandsetzung, wenn ich mal als ehemaliger Fachhandwerker sprechen darf. Es reicht nicht mehr, einzelne Flicken aufzusetzen.
Wie lange wollen Sie Politiker bleiben?
André Poggenburg: Ich kann Ihnen das nicht sagen. Wir schauen, wie sich die ganze Sache entwickelt. Klar ist, dass man es nicht so machen sollte wie einige unserer Altpolitiker, die nie aus diesem Kreis herauskommen. Sehr gern möchte ich eine nächste Legislaturperiode mitmachen. Ob das im Landtag wird oder im Bundestag, ist noch offen.
Ihre Fraktion hat drei Abgeordnete verloren, einen an die CDU. Welche CDU-Abgeordneten würden Sie gern in Ihre Fraktion aufnehmen?
André Poggenburg: Wir hätten gern jeden, der wirklich etwas für Deutschland tun will und sich dem Linksdrall in unserer Gesellschaft widersetzt. Wir haben niemandem direkt ein Angebot gemacht. Aber wer es mit uns ehrlich meint, ist willkommen.
Vor welchem Minister haben Sie Respekt?
André Poggenburg: Respekt habe ich erstmal allein vor jedem Ministeramt. Finanzminister Schröder erweckt den Eindruck, sich zu bemühen und seine Arbeit ehrlich zu machen. Ob ihm das gelingt, werden wir sehen.
Ihre Lebensgefährtin Lisa Lehmann sitzt im AfD-Landesvorstand, ihr Vater Mario Lehmann im Fraktionsvorstand. Gibt es für Sie Grenzen der persönlichen Verbandelung?
André Poggenburg: Die Personen wurden gewählt, bevor sich diese persönliche Konstellation zu mir ergeben hat. Eine Grenze überschritten wäre sicher dann, wenn ein Vorstandsmitglied ein anderes Vorstandsmitglied voll angestellt hat und dadurch eine echte finanzielle Abhängigkeit besteht. Das geht dann wirklich nicht.
Ihr Partei-Stellvertreter Ronny Kumpf ist doch bei Ihnen in der Landtagsfraktion angestellt.
André Poggenburg: Das ist ein Riesenunterschied. Herr Kumpf verdient sein Geld bei der Fraktion, nicht bei einem Vorstandsmitglied persönlich.
„Mehr deutsche Kinder" - Darum ist André Poggeburg kinderlos
Björn Höcke hat zuletzt bei einem Wahlkampfauftritt mit Ihnen „mehr deutsche Kinder“ gefordert. Wann fangen Sie selbst damit an?
André Poggenburg: Ich konnte mich aus vielerlei Gründen bisher noch nicht dazu entscheiden. Als Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD bin ich jetzt zeitlich sehr eingespannt, dazu kommt die persönliche Bedrohungslage. Wenn ich mich gerade jetzt für Kinder entschiede, wäre das ihnen gegenüber auch ungerecht. Da ich Kinder sehr mag, trage ich mich aber noch mit dem Gedanken.
Auch ihre vielen jungen Abgeordnetenkollegen halten sich sehr zurück.
André Poggenburg: Richtig, ein weiterer Beweis für die Missstände in diesem Land. Viele Familien fragen sich ja sogar, ob es angesichts der jetzigen Entwicklungen in unserem Land richtig war, Kinder in die Welt zu setzen.
Sie sagen „Danke, Merkel“, weil die AfD-Abgeordneten keine Kinder bekommen?
André Poggenburg: So ungefähr. Die Politik von Frau Merkel verleidet es jungen Leuten, Familien zu gründen und Kinder zu haben. (mz)