Essen wie im Wohnzimmer Michelin-Guide: "Zeitwerk" in Wernigerode ist eines der besten Restaurants Deutschlands
Wenigerode - Pellkartoffelschaum mit Kohle - eine karamellisierte Kartoffel - im Glas. Ein Stück Beef Jerky, Steakhüfte, 24 Stunden lang bei 45 Grad gegart, bestrichen mit Gorgonzolacreme und angerichtet auf einem flachen Stein. Oder Schweinebauchragout, 13 Stunden gegart, mit kandiertem Sellerieblatt, serviert in einem weißen Knochen.
Klingt alles ungewöhnlich und überraschend, und so schmeckt es auch. Genau das will der Blankenburger Robin Pietsch, Inhaber des „Zeitwerk“ in Wernigerode. Eine feine, kreative Küche auf gehobenem Niveau, „gegen den Strom gekocht“, wie er selbst sagt. Einzigartig. Abseits vom Mainstream und noch bezahlbar. Sein Restaurant hat er vor gut fünf Jahren ganz bewusst im Harz eröffnet, den er kulinarisch als unterschätzt bewertet.
Er verwendet frische, regionale Zutaten, Bio zumeist, experimentiert natürlich, verwendet auch alte Methoden. „Wir fermentieren gerade Sellerie, der liegt dann ein Dreivierteljahr, bis wir ihn verwenden“, sagt Pietsch. Durch solche Techniken sei es zum Beispiel möglich, Bärlauch auch im Winter anzubieten.
Restaurant „Zeitwerk“ in Wernigerode bekommt einen Michelin-Stern: „Das ist wie ein Oscar-Gewinn!“
Für seine herausragende Küche ist das „Zeitwerk“ jetzt geadelt worden, der Hotel- und Restaurantführer Guide Michelin hat ihm einen Stern gegeben. Eine Ehrung, die nur sehr wenigen zuteil wird: 300 Restaurants sind es in diesem Jahr in ganz Deutschland, das „Zeitwerk“ ist das einzige in Sachsen-Anhalt, nachdem das Land in den vergangenen fünf Jahren, neben Bremen, leer ausging.
Das „Zeitwerk“ in Wernigerode bietet gehobene Küche im „Wohnzimmerrestaurant“, wie es sich selber nennt. Es bietet Platz für 25 Gäste und hat von mittwochs bis samstags geöffnet. Zudem bietet Inhaber Robin Pietsch Kochkurse für interessierte Hobbyköche an. Die Restaurantgäste können, wenn die Zeit des Personals es zulässt, auch einen Blick in die Küche werfen und mit den Köchen plaudern. Seine Gerichte bezeichnet Spitzenkoch Robin Pietsch selbst als fein, kreativ und „gegen den Strom gekocht“.
››Mehr im Internet unter: www.dein-zeitwerk.com
Robin Pietsch gehört mit seinen 29 Jahren zu den jüngsten Köchen in der Spitzenklasse. Er ist immer noch fassungslos über den Ritterschlag. Zwar ist das „Zeitwerk“ schon mehrfach geehrt worden, im Gault Millau, im Schlemmer-Atlas, im Varta Guide, im Gusto. „Aber das ist nicht zu vergleichen, über den Stern geht nichts drüber. Das ist wie ein Oscar-Gewinn!“
Restaurant „Zeitwerk“ in Wernigerode ausgezeichnet: Sterne-Koch Robin Pietsch hat schön früh Ehrgeiz bewiesen
Welche Gerichte genau zum Stern geführt haben, weiß er nicht, die Tester kommen anonym. In ihrer Begründung schreiben sie: „Ein Menü - viele kleine Gänge. Ausgesuchte Produkte aus der Region werden hier sehr durchdacht, kreativ und finessenreich zu reduzierten, geradezu puristischen Speisen zusammengestellt - jung und erfrischend! Trendiges Ambiente und charmant-legerer Service passen schön ins moderne Bild!“
Um in dieser Liga anzukommen, braucht es Ehrgeiz. Den hatte Robin Pietsch schon immer: An seiner ersten Ausbildung bei Konditormeister Michael Wieker in Wernigerode hatte ihn auch gereizt, dass ein Platz so schwierig zu bekommen war. Das Interesse für Essen war sowieso vorhanden, seine Eltern arbeiteten beide in der Gastronomie. Pietsch sagt, alle Lehrlinge seien super gewesen damals, ihnen wurden Höchstleistungen abverlangt. Er selbst war so gut, dass er sogar ein Stipendium bekam. Er habe immer alles gut machen wollen, sagt er, das sei heute nicht anders.
Spitzenküche in Wernigerode: Mit gerade Mal 23 Jahren hat Robin Pietsch sein eigenes Restaurant eröffnet
Nach seinem ersten Abschluss wechselte Pietsch in ein Hotel in Ilsenburg. Dort wurde ein Patissier gesucht, der junge Mann wurde sofort eingestellt und machte dann eine weitere Ausbildung zum Koch. „Doppelt hält besser“, habe er sich gedacht, erzählt er. Die nächste Station war Blankenburg, wo er an der Seite von René Bobzin arbeitete, dem ersten Sterne-Koch Sachsen-Anhalts. Nach dieser Zeit eröffnete Robin Pietsch schließlich sein eigenes Restaurant. Mit gerade einmal 23 Jahren, im kleinen Wernigerode.
Ein Traum, sagt er. Ein großer, den er mit der finanziellen Hilfe seiner Familie verwirklichen konnte. Die gesamte Einrichtung des Restaurants sei selbst angefertigt von Freunden, nach seinen Ideen. Das Logo, die Farben - alles seins. Die Küche - gebaut nach seinen Vorstellungen. Der Anfang war nicht leicht, oft genug war er verzweifelt, weil er direkt erfahren musste, dass Spitzengastronomie kein Selbstläufer ist in Deutschland. Doch die Entscheidung sei genau sein Weg gewesen.
Spitzenküche in Wernigerode: Ohne sein Team geht nichts, sagt Robin Pietsch
Robin Pietsch betont immer wieder, er sei nichts ohne sein Team, im Restaurantalltag sowieso, aber auch bei der Entwicklung neuer Gerichte. Immer dienstags findet ein gemeinsames Frühstück statt, danach geht es kreativ zu. Gemeinsam werden die Menüs entwickelt, gemeinsam wird verkostet. „Dann fällt auch auf, wenn etwas nicht so gut funktioniert bei der Zusammenstellung, das kommt immer mal vor.“
Im Team herrsche eine familiäre Atmosphäre, anders funktioniere es auch gar nicht. „Es ist heute so schwierig, gutes Personal zu bekommen, dass man dankbar sein muss, wenn man jemanden findet.“ Er sei zwar Chef, mache aber die gleiche Arbeit wie alle anderen. „Ich schäle auch Kartoffeln.“ So entspannt wie möglich müsse die Stimmung sein, meint er. Deshalb hält er auch die drei Ruhetage, eher ungewöhnlich in der Gastronomieszene, für unerlässlich.
An den vier verbleibenden Tagen werde hart gearbeitet. Zwischen zehn und elf Uhr am Vormittag geht es los, bis 17 Uhr werden die Menüs vorbereitet, dann kommen die Gäste, der Tag endet häufig erst um ein Uhr nachts. In den vergangenen sechs Jahren ist Robin Pietsch einmal in den Urlaub gefahren, für eine Woche. Was er in seiner Freizeit macht? „Kochen!“ Glücklicherweise hat er eine Partnerin, die seine Passion akzeptiert. Sie ist Filialleiterin einer Drogeriemarktkette und damit ähnlich vielbeschäftigt.
Michelin-Stern für Restaurant „Zeitwerk“ in Wernigerode: Welche Pläne Spitzen-Koch Robin Pietsch für die Zukunft hat
Wie geht es nun weiter? Alles völlig offen, sagt der junge Mann. Den Stern verteidigen, klar. Einen zweiten anstreben, vielleicht. Er kann sich aber auch vorstellen, noch einmal woanders hinzugehen, bei anderen Köchen zu arbeiten, irgendwann. Jeder hat doch eine andere Technik beim Kochen, da kann man, denkt er, stets dazulernen. „Es wird jetzt interessant. Ich würde mich gerne noch mal umgucken. Die skandinavische Küche zum Beispiel reizt mich.“ Aber, wie gesagt, alles ist offen zur Zeit. Das heißt, nicht alles. Robin Pietsch überlegt gerade, von Blankenburg nach Wernigerode umzuziehen. Für ein geregelteres Leben, wie er hofft. (mz)