Plötzlich Politiker Landtagswahl Sachsen-Anhalt 2016: Wer sind die Neulinge die die AfD in Sachsen-Anhalt ins Parlament schickt?

Magdeburg - Am Tag danach ist beim Wahlsieger noch nicht viel klar: Wer wird was in der neuen AfD-Fraktion? Wo werden sie sitzen im Landtag? Was werden sie als erstes anpacken? Alles offen. Fest steht nur, was Landeschef André Poggenburg am Wahlabend in alle Mikrofone gesprochen hat: „Wir werden eine starke Opposition sein.“
AfD setzt weiter auf außerparlamentarische Opposition
Wenn es nach Hannes Loth geht, nicht nur im Landtag. „Wir werden weiter auf die Marktplätze gehen, unsere Kundgebungen abhalten und die Leute informieren“, sagt der frisch gebackene AfD-Abgeordnete aus Raguhn (Anhalt-Bitterfeld) Wie bitte? Die AfD wäre demnach gleichzeitig parlamentarische und außerparlamentarische Opposition. Für Loth, 34, kein Widerspruch: „Wir wollen Politik transparenter machen“, sagt er. Die Berichterstattung aus dem Landtag erreiche die Bürger aber oft nicht.
Die schillernde Truppe der AfD-Neulinge
Loth, Produktionsleiter eines Gemüseanbaubetriebs, schafft es auf Platz 18 der Landesliste gerade noch so ins Parlament. Einer von 24 AfD-Neulingen. Eine schillernde Truppe: Angestellte sind darunter, Selbstständige, Akademiker, Handwerker, Studenten - ein Querschnitt der Gesellschaft. Sogar ein extremer Seitenwechsler ist dabei: Robert Farle aus Seeburg (Mansfeld-Südharz) war in den 1980er Jahren bei der Deutschen Kommunistischen Partei in Nordrhein-Westfalen aktiv. Wenige bringen kommunalpolitische Erfahrung mit, einige sind bekannt in ihren Heimatorten, andere waren bislang ein völlig unbeschriebenes Blatt.
Nun sitzen sie plötzlich im Landtag. Andreas Gehlmann zum Beispiel. Aus dem Stand hat der Maschinenbau-Ingenieur, 41, im Wahlkreis Sangerhausen das Direktmandat geholt - und den bisherigen Platzhirsch, CDU-Fraktionschef André Schröder, auf Platz zwei verwiesen. Gehlmann ist so etwas wie ein Polit-Phantom: Bisher nicht in Erscheinung getreten, politisch völlig unbeleckt.
Unerfahrene Kandidaten holen Direktmandate
Häufig hat die AfD mit solchen politisch unerfahrenen Kandidaten ihre 15 Direktmandate geholt - bis auf Staßfurt und Magdeburg I alle im Süden. Ein Phänomen, das sich nur bedingt damit erklären lässt, dass die Partei neben Ascherleben auch in fünf nördlichen Wahlkreisen, in der Altmark, in der Börde und im Harz, gar nicht erst mit Direktkandidaten angetreten ist. Vielfach haben die Wähler ihr Kreuzchen wohl auch aus Protest bei den AfD-Bewerbern gesetzt: Weil sie die Kandidaten der anderen Parteien nicht mehr wollten.
In einigen Fällen wird wohl auch der persönliche Bekanntheitsgrad eine Rolle gespielt haben. Etwa bei Andreas Mrosek, der in Dessau-Roßlau CDU-Mann Jens Kolze den Wahlkreis abspenstig gemacht hat. Mrosek, 58, ist bekannt in Dessau, ein paar Jahre lang saß er mal für die CDU im Stadtrat, seit 2014 für die AfD. Er hat Unternehmen in der Stadt geführt, bis 2007 als Ringer und Kraftsportler sportliche Erfolge gefeiert.
Mrosek ist sich sicher, dass seine kommunalpolitische Erfahrung ihm auch im Landtag helfen wird. Themen, die er beackern will, gebe es viele, sagt er: Wirtschaft, Bildung, innere Sicherheit oder Sport. Ingenieur Gehlmann kann sich vorstellen, sich um Energiepolitik zu kümmern, „das ist das, was ich kann“. Aber erst einmal will der Wahlsieg verdaut sein. Gefragt, ob er mit seinem Erfolg gerechnet habe, wirkt Gehlmann konsterniert. Ihm sei klar gewesen, dass es auf einen „Zweikampf“ mit dem CDU-Mann Schröder hinauslaufen werde, sagt er, „aber es war nicht abzuschätzen, wer gewinnt“.
Junge Garde in der neuen Fraktion
Zur neuen Fraktion gehören nicht nur gestandene Männer wie Gehlmann und Mrosek, sondern auch eine besonders junge Garde: Die Ingenieurin Sarah Sauermann etwa ist 27, der Immobilien-Unternehmer Tobias Rausch 25 Jahre alt. Und selbst Daniel Roi, Listenplatz 2 und einer der designierten Strategen der neuen Fraktion, ist erst 28.
Der jüngste Abgeordnete aber ist mit 24 Jahren Marcus Spiegelberg. Er wohnt in Weißenfels, studiert in Halle Geschichte und Ethnologie. Seine kurze politische Karriere: Als 18-Jähriger tritt er in die CDU in Weißenfels ein, arbeitet dort vier Jahre und tritt wieder aus, als er „einen Maulkorb verpasst bekommt“. Mit seinem „patriotischen Kurs“, wie er sagt, habe er „in innerparteilicher Opposition“ gestanden. In die AfD tritt er im Frühling 2015 ein, als diese gerade dabei ist, sich zur national-konservativen Partei zu wandeln. Wie Parteichef Poggenburg spricht er vom „Asylchaos“, das er in starker Opposition bekämpfen wolle.
Starke Opposition
Stark wird diese Opposition tatsächlich sein: Nach der bisherigen Geschäftsordnung des Landtages steht der AfD als zweitstärkster Fraktion einer von zwei Vizepräsidenten-Posten des Landtages zu. Der Vizepräsident leitet bei Abwesenheit des Präsidenten die Sitzungen und kann disziplinarisch eingreifen – etwa mit Ordnungsrufen oder Saalverweisen. Als zweitstärkste Fraktion stellt die AfD auch automatisch einen Vertreter für die geheim tagende Parlamentarische Kontrollkommission, die die Aufsicht über Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz hat. Und die AfD hat mit 24 Abgeordneten genügend Stimmen, um ohne Zustimmung einer anderen Fraktion die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschließen. (mz)