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Attentat mit sechs Toten Kommentar zur Aufarbeitung des Anschlags von Magdeburg: Problem liegt in der Analyse

Polizei und Justiz kannten den Magdeburger Attentäter jahrelang. Sie sahen aber nicht die wahre Gefahr, die von ihm ausging, kommentiert MZ-Redakteur Jan Schumann.

Von Jan Schumann 09.01.2025, 17:53
MZ-Redaktuer Jan Schumann sieht Schwächen in der Analyse von Sicherheitsbehörden.
MZ-Redaktuer Jan Schumann sieht Schwächen in der Analyse von Sicherheitsbehörden. (Foto: MZ/Andreas Stedtler)

Magdeburg/MZ - Je mehr über den Attentäter vom Magdeburger Weihnachtsmarkt bekannt wird, desto klarer wird: Die Sicherheitsbehörden scheiterten nicht deshalb beim Verhindern des Anschlags, weil sie zu wenige Informationen über Taleb A. hatten.

Im Gegenteil: Der 50-jährige Todesfahrer aus Saudi-Arabien hatte allein in Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 2017 Polizeiermittlungen am Hals, die Behörden beschäftigten sich seither in regelmäßigen Abständen mit ihm. Das Problem lag offensichtlich allein in der Analyse: Niemand erkannte die wahre Gefahr, die von dem Mann ausging.

Hätte eine Razzia den Täter zur Vernunft gebracht? Niemand weiß das

Besonders schwerwiegend erscheinen nun die Umstände rund um das Ermittlungsverfahren Ende 2023: Die Polizei wollte laut Innenministerium zur Razzia gegen A. ausrücken, weil er im Internet Texte schrieb, die wie Anschlagsdrohungen klangen. Die Hausdurchsuchung scheiterte an der Einschätzung des Bereitschaftsrichters, dem die Faktenlage für eine Razzia zu dünn erschien.

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Hätte eine Durchsuchung Taleb A. zur Vernunft gebracht? Keiner kann solch eine hypothetische Frage beantworten, zumal vieles rund um A.s Motivation unklar ist. Allerdings hätten Polizei und Justiz diesen Zwischenfall als Alarmzeichen erkennen müssen. Denn dieser Mann präsentierte sich öffentlich vor zehntausenden Lesern als gewaltbereiter Fanatiker. Selbst wenn sein Text nicht für eine Razzia reichte: Aus heutiger Sicht ist es nicht zu verstehen, wie Sachsen-Anhalts Landeskriminalamt zu der Einschätzung kommen konnte, von dem Mann gehe keine akute Gefahr aus.

Hinzu kommen all die Hinweise, die Behörden außerhalb Sachsen-Anhalts über Taleb A. sammelten. Die Chronologie der Warnungen ist lang. Es fehlte aber die richtige Einschätzung, wie gefährlich dieser Mann tatsächlich war. Dass er darüber hinaus auch noch unbehelligt im Maßregelvollzug des Landes Sachsen-Anhalt als Arzt arbeiten konnte, ist nicht zu erklären.