Soziales Kinderreiche Familien sind häufiger arm
Politiker fordern Grundsicherung für Minderjährige. Bevorzugen die aktuellen Hilfsleistung für Kinder vor allem Gutverdiener?
Magdeburg. Es gibt immer mehr kinderreiche Familien in Sachsen-Anhalt, und diese sind besonders häufig von Armut betroffen. 2019 waren 43,2 Prozent der Haushalte mit zwei Elternteilen und drei oder mehr Kindern arm. Nur Alleinerziehende waren mit 49 Prozent noch häufiger betroffen.
Das geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor, die der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte ausgewertet hat. Korte kritisiert, dass das aktuelle System der Kinderleistungen wohlhabende Familien begünstige und fordert deswegen die Einführung einer Kindergrundsicherung. Auf MZ-Anfrage spricht sich auch das Sozialministerium Sachsen-Anhalts dafür aus: „Perspektivisch müssen die verschiedenen existenzsichernden Leistungen in einer Kindergrundsicherung gebündelt werden“, heißt es.
Kinder seien nicht per se ein Armutsrisiko, sagt das Sozialministerium. Zwar zeigen die Statistiken, dass mit zunehmender Zahl der Kinder die Gefahr für Armut steigt, doch die Ursachen dafür seien vielfältig. So sei vor allem der Erwerbsstatus der Eltern ein wichtiger Faktor. Dieser hänge einerseits von der Bildungsbiografie der Eltern ab, andererseits von vorhandenen Betreuungsangeboten. Gibt es letztere nicht, könne es zum Beispiel passieren, dass Eltern weniger arbeiten können, weil sie mehr Zeit für die Betreuung ihrer Kinder aufbringen müssen.
Geringe Einkommen der Eltern führen zu Kinderarmut
So sei Kinderarmut in erster Linie Einkommensarmut der Eltern, sagt Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Die Landesregierung setze deswegen zuallererst auf Teilhabe am Arbeitsmarkt mit guter Bezahlung. Daneben führt das Ministerium finanzielle Leistungen wie Elterngeld, Kindergeld und Kinderfreibeträge, Kinderzuschlag, das Bildungs- und Teilhabepaket oder Unterhaltsvorschüsse als Mittel gegen Einkommensarmut an. Perspektivisch wird gefordert, dass diese Einzelleistungen in einer Kindergrundsicherung gebündelt werden. Eine Umsetzung vom Bund steht aber noch aus. Auch sollen alle Kinder unabhängig von der Situation ihrer Eltern eine Chance auf Bildung bekommen. „Das Kinderförderungsgesetz mit seinem Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung, Bildung, Betreuung und Erziehung spielt dabei eine ganz zentrale Rolle“, so Grimm-Benne weiter.
Wie aus Kortes Auswertung hervorgeht, hat die Zahl der kinderreichen Familien in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Gab es 2010 noch 58.000?Familien mit drei oder mehr Kindern, waren es 2019 mit 79.000 Familien ein Drittel mehr. Der Anteil dieser Familien an allen Familien im Land ist von 13?Prozent in 2010 auf 19,2?Prozent in 2019 gewachsen. Das Sozialministerium führt als Erklärung „sehr gut aufgestellte Kinderbetreuungseinrichtungen“ und ein „kinderfreundliches Umfeld“ im Land an. (mz/Franz Ruch)