Helmhersteller Schuberth Helmhersteller Schuberth: Polizeihelme bringen Umsatzwachstum in 2016
Magdeburg - Im Prüfstand wird eine Metallkugel auf eine Höhe von 2,85 Meter gezogen. Dann drückt Labor-Mitarbeiter Georg Büchner auf einen Knopf und das kiloschwere Gewicht saust krachend auf einen Polizei-Helm. Dort, wo sie aufschlug, sieht man Abplatzungen und Risse auf der Glasfaser-Aramid-Schale. Büchner nickt: „Der Helm soll sogar kaputt gehen. Die Energie wird durch die Zerstörung absorbiert.“ Im Inneren des Helms gibt es keine Verformungen. Der „Kopf“ darunter, in diesem Fall war es nur ein Aluminiumguss, bleibt unversehrt. Im richtigen Einsatz, etwa beim Aufschlag eines Pflastersteins, wäre der Kopf des Polizisten unverletzt geblieben. „Test bestanden“, sagt Büchner.
Helm-Hersteller Schuberth: Noch viel Handarbeit nötig
Es ist nicht die einzige Untersuchung, die an diesem Tag beim Helm-Hersteller Schuberth durchgeführt wird. Anschließend wird mit einen Metalldorn auf das Visier gestochen. Zur Folge hat das nur einen kleinen, tiefen Kratzer. Auch der Nackenschutz aus Kevlar ist für die Metallspitze undurchdringlich.
Bekannt ist das Magdeburger Unternehmen eigentlich für seine Motorradhelme und als Ausrüster für die Formel 1. Dass Schuberth auch ein großer Lieferant von Schutz- und Sicherheitshelmen ist, blieb lange Zeit unbeachtet. Amokläufe und Terroranschläge haben in Europa aber die Sicherheitslage verschärft. Die Polizei rüstet auf. „Wir verkaufen daher auch mehr Einsatzhelme“, sagt Unternehmenschef Jan-Christian Becker. Genaue Absatzzahlen und Auftraggeber nennt er nicht. Das Bundesinnenministerium teilte aber mit: Die Firma ist Hauptlieferant von Einsatzhelmen für die Polizei. Auch Beamte in Griechenland, Tschechien oder Spanien tragen Kopfschutz aus Magdeburg.
Becker nimmt das 1,5 Kilogramm schwere Modell P100N in die Hand: „Ein Polizei-Helm muss nicht nur Stößen, Stichen und Feuer widerstehen, ein guter Helm darf beim Tragen auch nicht behindern. Er muss wie ein guter Anzug sitzen.“ Mit wenigen Klicks hat der Firmenchef eine Gasmaske befestigt, die etwa bei Bränden oder Tränengas-Einsätzen aufgesetzt wird.
Das Know-how hat Schuberth in jahrzehntelanger Helm-Herstellung erworben. Gegründet wurde das Unternehmen bereits 1922 als Möbeltischlerei in Braunschweig.
Seit Anfang der 50er Jahre werden Schutzhelme gefertigt, 1954 kam der erste Motorradhelm auf den Markt. Im Jahr 2003 zog die Firma von Braunschweig nach Magdeburg um, da in der niedersächsischen Stadt die Expansionsmöglichkeiten fehlten. Sachsen-Anhalt hatte auch mit Fördermitteln gelockt - das Steuergeld ist in diesem Fall gut angelegt.
Roboter und Angestellter arbeiten bei Schuberth Hand in Hand
Schuberth ist der einzig verbliebene große Helm-Hersteller Europas - die meisten Wettbewerber sitzen in Asien. Die Produktion ist noch immer durch viel Handarbeit bestimmt. Doch anstatt, wie das nicht wenige deutsche Betriebe tun, Teilfertigungen ins billigere Ausland auszulagern, holt der 36-jährige Firmenchef Produktion sogar zurück ins Unternehmen.
Beim Rundgang durch die Produktion zeigt er, warum Helme „Made in Germany“ gefragt sind: Am Anfang ist es nur ein Glasfaserfaden.
Ein Roboter „spinnt“ diesen zu biegsamen Glasfasermatten. Die Matten legt ein Produktionsmitarbeiter anschließend zusammen und gießt sie mit Harz aus. Das Ganze wird gepresst und es entsteht eine Art Helmschale. Im benachbarten verglasten Automaten schneiden zwei Roboter mit „Wasserpistolen“ unter 4.000 bar Druck Aussparungen - wie das Visier - in die Helmschalen. Den Feinschliff übernimmt dann wieder der Mensch. Verschraubt und beklebt wird der Helm ebenso manuell wie das Innenfutter eingesetzt.
Die Schuberth-Mitarbeiter in einheitlich orangener Arbeitsmontur und die Roboter arbeiten in den Werkhallen im wahrsten Sinne Hand in Hand.
In den vergangenen drei Jahren wurden mehrere Millionen Euro investiert, um Fertigungsschritte wieder selbst zu übernehmen. So wurden etwa Spritzgussmaschinen angeschafft, um beispielsweise Lüftungsteile für den Helm selbst herzustellen. „Aus bis zu 500 Einzelteilen besteht ein Helm“, erläutert Becker. „Es kommt in der Produktion daher auf hohe Präzision an.“ Die Kunden sind auch bereit, dafür etwas mehr Geld auszugeben. Die modernsten Motorradhelme kosten etwa 600 Euro, ein Polizeihelm 300 bis 400 Euro.
Zahl der Mitarbeiter deutlich erhöht
Helm-Hersteller Schuberth produziert eine Million Helme pro Jahr
Im vergangenen Jahr verließen rund eine Million Helme die Fabrik - darunter etwa 200.000 Motorradhelme. Der Umsatz stieg um vier Millionen Euro auf 74 Millionen Euro. Becker ist sehr zufrieden mit der Bilanz. Als 2013 die Investmentgesellschaft Perusa die Mehrheitsanteile an der Firma erwarb, gab es Befürchtungen, dass Arbeitsplätze wegrationalisiert werden könnten. Doch das Gegenteil ist passiert: Die Zahl der Beschäftigten stieg von damals 300 auf nunmehr 400 Mitarbeiter.
Und künftig soll es weitere Innovationen aus dem Hause Schuberth geben. Die Helme mit moderner Kommunikationstechnik zu verbinden, bezeichnet Becker als großen Trend. Allein 25 Mitarbeiter arbeiten in der Entwicklungsabteilung. Von der Konstruktion bis zur Produktion eines neuen Helms dauert es zwei bis drei Jahre.
Ein besonderes Projekt wird aktuell auch für die Sicherheitsbehörden vorangetrieben. Zusammen mit dem amerikanischen Unternehmen 3M arbeitet Schuberth an einem sogenannten Anti-Terror-Helm. Dieser soll die Polizisten auch vor Kugeln und bei Bomben-Explosionen schützen. „3M hat bereits Erfahrungen auf dem Gebiet“, sagt Becker. Solche Produkte würden zunehmend nachgefragt. Als Krisengewinner sieht der Unternehmenschef Schuberth allerdings nicht. „Jedes unserer Produkte ist dafür da, Menschen zu schützen“, sagt er. Das sei beim Motorradhelm nicht anders als beim Feuerwehr- oder Polizeihelm. (mz)