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Hebammen Hebammen in Sachsen-Anhalt: Steigende Haftpflichtversicherung macht Hausgeburten kaum noch möglich

Von Nicolas Ottersbach 10.08.2016, 19:30
Wegen steigender Kosten gibt es immer weniger freie Hebammen.
Wegen steigender Kosten gibt es immer weniger freie Hebammen. dpa

Halle (Saale) - Die steigende obligatorische Haftpflichtversicherung macht den Hebammen in Sachsen-Anhalt zu schaffen. Geburten außerhalb von Kliniken - zu Hause oder im Geburtshaus - sind nach Einschätzung des Hebammenverbandes kaum noch möglich. Das Recht auf die Wahl des Geburtsortes, das per Gesetz geregelt sei, gebe es praktisch nur noch auf dem Papier. „Wir haben mehr Nachfragen, als wir bearbeiten können“, sagt Verbandsvorsitzende Petra Chluppka.

Auf dem Land seien die immer länger werdenden Wege problematisch, in den Städten fehle es insgesamt an Hebammen. Der Landesverband der Hebammen sieht daher die Versorgung von Müttern in der Schwangerschaft gefährdet. „Vor allem für die selbstständigen Hebammen sind die teuren Versicherungen existenzbedrohend“, sagt Chluppka. Unter anderem habe etwa ein Geburtshaus in Halle deshalb im vergangenen Jahr schließen müssen, weil es die Haftpflichtversicherungen nicht mehr aufbringen konnte.

Zum 1. Juli hat sich die jährliche Versicherungsprämie für freiberufliche Geburtshelferinnen um rund neun Prozent auf 6.843 Euro erhöht. 2017 soll der Beitrag weiter steigen und nach ersten Informationen die Schwelle von 7.000 Euro weit überschreiten.

Keine offizielle Statistik

Die Versicherung greift, wenn das Kind durch einen Fehler bei der Geburt schwer geschädigt wird. Die steigenden Prämien werden von den Versicherern damit begründet, dass sich auch die Behandlungskosten erhöht haben. Ein mit den Kassen ausgehandelter Sicherstellungszuschlag, nach dem die Hebammen quartalsweise einen Teil des Geldes für die Versicherungen zurück bekommen, reicht laut Verband nicht aus.

Zusätzlich verschärft wird die Situation dadurch, dass in jedem Quartal die Versicherungstarife gewechselt werden können. Damit können die Hebammen ihre Versicherungen aufteilen und sich auf einzelne Tätigkeitsfelder wie Geburtshilfe, Vor- und Nachsorge beschränken. Die teure Geburtshilfe fällt dann regelmäßig aus. Und weil das nicht zentral koordiniert wird, bieten viele Hebammen gleichzeitig keine Geburtshilfe an.

Ein weiterer Kritikpunkt Chluppkas: Es gibt keine offizielle Statistik zu Hebammen. „Diese Zahlen wollen wir seit Jahren“, sagt Chluppka. Im Landesverband sind derzeit rund 350 Hebammen und Geburtshelfer organisiert. Die Berufsgenossenschaft erfasst nur Betriebe und dabei alle darin tätigen, nicht nur die Hebammen.

Der Verband fordert zudem von der Landespolitik, einen Fonds für die Versicherungen anzulegen, der die Hebammen unterstützt. Einige Kommunen in Deutschland zahlen Zuschüsse an Hebammenpraxen oder übernehmen Teile der Haftpflichtprämie.

Pläne für einen Hebammen-Fonds gibt es im Landessozialministerium nicht. „Im Koalitionsvertrag für Sachsen-Anhalt ist vereinbart, einen Runden Tisch Geburt und Familie zu initiieren“, sagt Ministeriumssprecherin Ute Albersmann. An dem sollen neben Akteuren aus dem Gesundheitsbereich wie dem Landeshebammenverband auch Vertreter aus Politik, Verwaltung und Verbänden sitzen. „Regionale Bedarfe“ und deren Abdeckung mit Leistungen der Geburtshilfe sollen ein zentrales Thema sein. Wann der runde Tisch seine Arbeit aufnehmen wird, ist unklar.

Die Engpässe bekommen indes auch die werdenden Mütter zu spüren. So berichtet Chluppka von einer schwangeren Frau aus Halle, die schon Anfang des Jahres zum geplanten Geburtstermin im Oktober dieses Jahres eine Hebamme für die Entbindung zu Hause suchte. „Wir haben niemanden für sie gefunden“, sagt die Verbandsvorsitzende. „Deshalb muss sie nun in eine Klinik.“ (mz)