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Ging Kontrolle zu weit? Ging Kontrolle zu weit?: Schul-Kameras in Sachsen-Anhalt abgeschaltet

Von Jan Schumann 20.09.2019, 00:00
An Schulen in Sachsen-Anhalt wird die Videoüberwachung abgeschalten. (Symbolbild)
An Schulen in Sachsen-Anhalt wird die Videoüberwachung abgeschalten. (Symbolbild) www.imago-images.de

Magdeburg - Sachsen-Anhalts oberster Datenschützer hat Schulen im Land einen Wildwuchs bei der Videoüberwachung untersagt. Das gilt auch für Fälle, in denen sich Schulen vor Vandalismus und Einbrüchen schützen wollen, dabei aber über das gesetzlich erlaubte Maß der Observation hinausgehen. In einem Schreiben für das aktuelle Schuljahr, das mit dem Landes-Innenministerium abgestimmt ist, zieht der Datenschutzbeauftragte Harald von Bose nun enge Grenzen. Klar ist damit auch: Einige Schulen haben über Jahre eine problematische Videoüberwachung praktiziert.

2017 war erstmals bekannt geworden, dass fast 40 Schulen im Land auf Kameras setzen - mal auf dem Hof, mal in Gebäuden, teilweise nur zum Schutz vor Fahrraddieben. Zugleich wurden viele Datenschutzverstöße augenscheinlich: Schulen missachteten die strengen Regeln zur Speicherung der Filme, bewahrten die Aufnahmen teils Wochen und Monate auf - erlaubt sind nur wenige Tage.

Konkreter Anlass der Videoüberwachung bei einigen Schulen unklar

Bei einigen Schulen blieb der konkrete Anlass der Videoüberwachung unklar - dabei fordert der Datenschutzbeauftragte eine klar belegbare Rechtfertigung, wenn mit der Überwachung in die Freiheit der Gefilmten eingegriffen wird. „Auch Schüler haben ein Recht auf ein unüberwachtes Leben, sie sind ja nicht freiwillig in der Schule“, so der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel. Seine Fraktion hatte die Missstände 2017 aufgedeckt.

Die folgende Debatte - und die Ankündigung des Datenschutzbeauftragten, den Schulen ganz genau auf die Finger zu schauen - wirkt bis heute. „Im Resultat haben wir unsere Kameras 2018 abgeschaltet“, sagte Carsten Coppi, Leiter der Berufsbildenden Schule in Leuna (Saalekreis) und begründet dies mit Datenschutzbedenken. Zwei Kameras hatten bis 2018 schlecht einsehbare Gänge im Gebäude gefilmt - um Vandalismus und Einbrüchen vorzubeugen.

Tatsächlich filmten die Kameras vor Jahren Einbrecher, die einen Rasenmähertraktor vom Gelände stahlen, sagte Coppi. Aufgeklärt wurde der Fall nicht. „Vandalismus nimmt zu, wir würden gerne mehr dagegen tun“, betonte der Schulleiter. Allerdings hatte das Innenministerium seiner Einrichtung 2017 eine problematische Praxis bescheinigt: Statt nicht benötigte Filme zügig zu löschen, blieb das Material so lange auf den Festplatten, bis diese voll waren und überspielt wurden - ein Verstoß.

„Sollte es erneut zu Beschwerden kommen, müssten wir wieder aktiv werden.“

Auch das Herder-Gymnasium in Merseburg (Saalekreis) besserte infolge der Debatte nach, speichert Filmmaterial nur noch 24 Stunden statt wie früher eine Woche. Die bestbewachte Schule war 2017 das Berufsschulzentrum „August von Parseval“ in Bitterfeld: Zehn Kameras und Speicherzeiten bis zu acht Monate habe es dort gegeben, dokumentierte das Innenministerium damals. Ob die Schule heute immer noch so verfährt, ist unklar. Die Einrichtung ließ MZ-Anfragen dazu bisher unbeantwortet.

Für das aktuelle Schuljahr hat der Datenschutzbeauftragte nun klare Regeln formuliert, die für alle gelten: Für eine Videoüberwachung zum Schutz vor Vandalismus, Einbruch oder ähnlichem genügt nicht die „bloße Vermutung“ einer Gefahr, es braucht konkrete Anhaltspunkte.

Zudem müssen vor der Installation weniger einschneidende Schutzmaßnahmen geprüft werden. So kann eine Videoüberwachung nachts sinnvoll sein, während die Geräte am Tag bei Anwesenheit eines Hausmeisters ausgeschaltet bleiben. Eine Speicherung über zwei bis drei Tage dürfte „regelmäßig ausreichen“. Vorgeschrieben sind zudem Hinweisschilder. „Damit sollten nun alle wissen, was erlaubt ist“, sagte von Bose. „Sollte es aber erneut zu Beschwerden kommen, müssten wir wieder aktiv werden.“ (mz)