Bis zu drei Monatsgehälter Fachkräftemangel: Zeitarbeitsfirmen kassieren Ablösesummen für Arbeitnehmer

Halle (Saale) - Im Profi-Fußball ist es üblich, dass bei Spielerwechseln hohe Ablösesummen zwischen den Vereinen gezahlt werden. Dieses Phänomen findet wegen des Fachkräftemangels nun vermehrt auch im Zeitarbeitsmarkt statt. „Bis zu 6 000 Euro zahlen Industrie-Betriebe und Dienstleister bei der Übernahme von Leiharbeitskräften“, sagt Björn Richter vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen. Als Ablöse würden häufig drei Monatsgehälter des Arbeitnehmers vereinbart.
Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt: Seit Jahren gibt es Abwerbeprämien
Abwerbeprämien gibt es laut Richter bereits seit Jahren in der Branche, doch würden sie zunehmend wichtiger für die Zeitarbeitsfirmen. Und so funktioniert es: Vermittelt eine Leihfirma einen Mitarbeiter beispielsweise an einen Industriebetrieb, so wird vertraglich eine Ablösesumme vereinbart. Meist steht diese in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Zeitarbeitsfirma.
„Wie das konkret ausgestaltet wird, hängt aber von den Vertragspartnern ab“, erläutert Richter. Für eine Hilfskraft am Bau würden wohl nur wenige hundert Euro gezahlt. Für eine IT-Fachkraft einige tausend Euro. Ulrike Kücker, Geschäftsführerin der Zeitarbeitsfirma Olympia, bestätigt diese Praxis: „Die Abwerbeprämien werden sehr individuell ausgestaltet.“ Sie spricht von 1.000 Euro und weniger.
Die Zeitarbeitsbranche hat das Thema bisher kaum öffentlich thematisiert. Denn die Politik ist daran interessiert, dass Zeitarbeitnehmer möglichst reibungslos in unbefristete, reguläre Arbeitsstellen wechseln können. Ablösen können solche Wechsel jedoch erschweren.
Zahl der Zeitarbeiter in einem Jahr um elf Prozent gesunken
Laut Arbeitsagentur Sachsen-Anhalt nahm die Zahl der Zeitarbeiter zwischen Juni 2017 und Juni 2018 um elf Prozent auf rund 24.300 ab. Deutschlandweit lag das Minus nur bei 1,9 Prozent. „Ein Grund für den Rückgang der Leiharbeiter ist die Tatsache, dass Arbeitskräfte knapp werden“, sagte der Chef der Landesarbeitsagentur, Kay Senius, der MZ. So verzeichnet die Zeitarbeit bei den Metallberufen einen Rückgang um 30 Prozent, bei Büro- und Sekretariats-Mitarbeitern von 20 Prozent.
Einigen Leihfirmen gehen regelrecht die Mitarbeiter aus - ihre Existenz steht damit auf dem Spiel. „Vor zehn Jahren war ein Übergang des Zeitarbeiters zur Entleih-Firma gewünscht“, sagt Verbandssprecher Richter. Das ändere sich nun teilweise. Juristisch sind solche Prämien nach Einschätzung von Arbeitsrechtler Stefan Göring von der Leipziger Kanzlei Stolpe nicht einfach zu handhaben. „Es muss eine Kausalität geben“, so Göring.
Arbeitnehmer gehen bei Abwerbe-Prämien leer aus
Der Zeitarbeiter müsse direkt nach der Kündigung bei seiner Leihfirma bei der Entleihfirma anfangen. „Liegen dazwischen einige Monate, sind Ablöseprämien kaum durchsetzbar“, erklärt der Jurist. Die Arbeitnehmer gehen bei der Zahlung solcher Abwerbe-Prämien in der Regel leer aus. Häufig wissen sie nicht einmal, dass es solche Zahlungen gibt, sagt ein Betroffener der MZ.
Inzwischen gibt es eine weitere Art der Ablöse. Leiharbeitsfirmen in Ostdeutschland fungieren laut Verbandssprecher Richter immer öfter als Headhunter. Das heißt, sie suchen im Auftrag von Bau- oder Industriefirmen nach Fachpersonal. „Die Zeitarbeitsfirmen betreiben aktiv Abwerbungen“, so Richter. „Wenn Mitarbeiter die Firmen wechseln, werden die Arbeitnehmer an der Wechselprämie beteiligt.“ Dieses Phänomen sei noch nicht so stark verbreitet. Öffentlich würde sich dazu kaum ein Unternehmen bekennen. (dpa)