Europas umstrittenster Eierlikör Europas umstrittenster Eierlikör: Warum Familienbetrieb Geflügelhof Braune aus der Börde das EU-Parlament beschäftigt
Halle (Saale) - Am Ortsausgang von Altenweddingen, noch hinter dem Sportplatz, befindet sich die Einfahrt zum Geflügelhof Braune. Von der Straße aus ist das Gegacker der Hühner bereits gut zu hören. Hunderte Tiere picken auf einer großen Weide nach Futter, andere machen in der warmen Frühlingssonne ein Nickerchen.
Während viele Hühnerställe in Sachsen-Anhalt noch immer wie Bunker-Anlagen aussehen, zeigt der Familienbetrieb, dass artgerechte Haltung und große Bestände kein Widerspruch sein müssen. 75.000 Legehennen hält das Unternehmen an drei Standorten - hauptsächlich in Freilandhaltung.
Hof Braune durch seinen Eierlikör bekannt
Bekannt ist der Hof Braune in Sachsen-Anhalt jedoch nicht wegen seiner Eier, sondern für den daraus hergestellten Eierlikör. Der hat zuletzt sogar EU-Richter und das europäische Parlament beschäftigt. Denn der Eierlikör nach Börde-Rezept schmeckt nicht jedem.
Doch der Reihe nach: Die Eierlikör-Macherin heißt Antje Brandt. Die Frau mit blonden Haaren trägt ein Shirt mit der Aufschrift Braune’s Eierlikör und Jeans. Auf dem Tisch in ihrem kleinen Büro stehen neben zahlreichen Aktenordnern verschiedene Eierliköre. Crème Brulée ist darunter zu finden, genauso wie Schoko-Chili oder Apfel-Zimt.
Eines ist bei den 18 verschiedenen Geschmacksrichtungen jedoch gemein. „Unser Eierlikör ist mit Kondensmilch gemacht“, sagt Brandt. Es handle sich um ein altes Familien-Rezept. Dadurch werde der Eierlikör besonders cremig.
Aus Spielerei wird Geschäftsfeld
Die Familie Braune betreibt Landwirtschaft in der achten Generation, nach der Wende hat Brandts Vater den Betrieb neu aufgebaut. „Ärgerlich waren immer die Knickeier“, sagt Brandt. Sie meint damit Eier, die kleine Risse und Knicke in der Schale aufweisen. Um diese zu verwerten, begann die Familie vor einigen Jahren daraus Eierlikör für Freunde und Bekannte zu herzustellen. „Der kam so gut an, dass er irgendwann auch im Hofladen angeboten wurde“, erzählt Brandt.
Und so entwickelte sich aus einer Spielerei ein neues Geschäftsfeld. Zuerst nahmen Supermärkte im Raum Magdeburg den Eierlikör in ihre Regale auf, inzwischen stehen die Flaschen auch in Halle oder Leipzig in vielen Kaufhallen. Über den Online-Shop werden die Flaschen inzwischen auch an Kunden in ganz Deutschland versendet. Doch mit dem Erfolg kam auch der Neid.
Ein Wettbewerber aus Brandenburg zog den Eierlikör-Hersteller aus der Börde vor Gericht. Der Vorwurf: Echter Eierlikör darf nur Eier, Alkohol, Zucker und Honig enthalten - nicht aber Milch und Sahne. Der Kläger verwies auf eine EU-Richtlinie. Die Richter am Landgericht Hamburg verwiesen den Fall an den Europäischen Gerichtshof und dieser entschied im Oktober 2018, dass Eierlikör mit Milch nicht Eierlikör heißen darf.
Firma nimmt Schriftzug „Eierlikör“ vom Etikett
Für Brandt war das zunächst eine niederschmetternde Nachricht. „Wir haben zunächst geprüft, auf die Kondensmilch zu verzichten“, sagt die Inhaberin heute. Doch Landwirte aus der Börde sind stur. Nach ihren Worten meldeten sich auch zahlreiche Kunden und bestärkten sie darin, die Rezeptur beizubehalten.
Einige Verbraucher sendeten sogar neue Namensvorschläge. „Börde Perle“ hieß einer, erinnert Brandt sich. Sie beließ die Mischung und strich den Schriftzug „Eierlikör“. Auf dem Etikett steht nun noch knapp „alkoholisches Getränk“.
Auf der weltgrößten Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin stellte der Betrieb in diesem Jahr stattdessen die limitierte Sonderabfüllung „EUerlikör“ vor. Der ironische Seitenhieb auf die EU-Verordnung verfehlte seine Wirkung nicht. Mehrere Medien griffen das Thema auf.
Auch politisch hat sich einiges getan. Bereits auf dem Hof-Sommerfest 2017 erzählte die Landwirtin dem EU-Abgeordneten Arne Lietz (SPD) aus Magdeburg vom Rechtsstreit. Dieser griff das Thema auf und brachte es bei der Neuregelung der EU-Spirituosen-Verordnung ein.
Mitte März verabschiedete das EU-Parlament die Neu-Fassung. Darin wird auch geregelt, dass Eierlikör mit Milch hergestellt werden darf. Brandt freut sich über die Entscheidung: „Das ist ein klares Zeichen, dass traditionelle Produkte Bestand haben.“ Denn nicht nur Braune’s ist betroffen. In Sachsen-Anhalt gibt es mehrere Dutzend kleiner Eierlikör-Hersteller, die meist nur in Hofläden verkaufen.
70 Messetage im Jahr
Geschäftlich geschadet, hat der juristische Streit dem Unternehmen bisher nicht. „Eher im Gegenteil, unsere Bekanntheit ist deutlich gestiegen“, sagt Brandt. Fünf Mitarbeiter beschäftigen sich inzwischen mit dem Thema Eierlikör In einer kleinen Produktionshalle steht eine moderne Abfüllanlage.
„800 Füllungen schaffen wir am Tag“, sagt die Unternehmerin. „Wir produzieren nach Bedarf.“ Damit dieser zunimmt, ist Brandt viel unterwegs. „Im vergangenen Jahr hatte ich 70 Messetage“, rechnet sie zusammen. Das Geschäft führt sie oft vom Smartphone aus. Im gesamten Agrar-Betrieb verantwortet sie zudem die Themen Finanzen, Personal und Marketing.
Wann sie ihre Flaschen wieder mit dem Schriftzug Eierlikör bedrucken darf, weiß die Firmenchefin noch nicht genau. Zunächst muss der geänderten Verordnung noch der Europarat passieren. „Frühestens im Sommer 2019, vielleicht aber auch erst nächstes Jahr ist die Neuregelung rechtskräftig“, sagt Brandt.
Im Umgang mit der Bürokratie musste sie lernen, gelassen zu bleiben. Doch die Arbeit hat nach ihren Worten auch viele angenehme Seiten. Neue Sorten entwickelt und testet sie selbst. „Bei nur 14 Prozent Alkoholgehalt besteht da auch keine Gefahr“, sagt sie lächelnd. Der Eierlikör, der auch bald wieder so heißen darf, findet immer mehr Kunden. Die Knickeier aus ihren Ställen reichen jedenfalls schon lange nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken.
Rezept: Eierlikör nach DDR-Art
Für selbstgemachten Eierlikör nach DDR-Art benötigt man folgende Zutaten:
Zuerst die Eidotter und den Vanillezucker schaumig schlagen, langsam den Puderzucker unterrühren und die Kondensmilch dazugeben. Nun langsam den Rum unterrühren - je nachdem wie „alkoholisch“ der Eierlikör sein soll, kann es auch etwas mehr sein. Das Ganze wird nun im Wasserbad langsam erhitzt. Das geht am besten, wenn man einen kleineren Topf in einen größeren stellt. Dabei immer wieder umrühren. Solange bis es schön dickflüssig wird. Die Masse sollte aber keinen Fall kochen.
Noch warm in Flaschen abfüllen und diese nicht ganz voll machen, weil der Eierlikör beim Abkühlen noch fester wird und man oftmals mit etwas Milch oder auch Rum auffüllen muss, um ihn wieder aus der Flasche zu kriegen. Die Zutaten ergeben etwa eine 0,7 Liter und eine 0,5 Liter Flasche Eierlikör. (mz)