Ehrenamt in Sachsen-Anhalt Ehrenamt in Sachsen-Anhalt: Sechs Helfer aus Leidenschaft in Magdeburg ausgezeichnet

Magdeburg - Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat an diesem Sonnabend zugesagt, ebenso vier seiner Kabinettskollegen und Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch.
Mit weiteren Vertretern aus Parlament und Regierung wollen sie das Engagement der tausenden Ehrenamtlichen in Sachsen-Anhalt unter dem Motto „Politik sagt danke“ würdigen.
Stellvertretend wurden mehr als 90 von ihnen in die Staatskanzlei nach Magdeburg eingeladen. Neben dem obligatorischen Gruppenfoto auf der großen Treppe in der Regierungszentrale steht an diesem Tag ein gemeinsames Mittagessen auf dem Programm.
Dabei werden einzelne Personen und ihr Engagement von Moderatoren vorgestellt, die während des Essens von Tisch zu Tisch gehen. Anschließend wollen die Politiker mit den Ehrenamtlichen ins Gespräch kommen.
Die Veranstaltung feiert dabei ein Jubiläum, sie findet 2016 zum zehnten Mal statt.
Gudrun Urban aus Helbra: Die Oma für Flüchtlinge
Seit April 2015 ist Gudrun Urban Frührentnerin. „Aber“, so sagt die 63-Jährige, „ich bin nicht der Typ, der nur zu Hause sitzt.“ Also fragte sie beim Kinderschutzbund in Eisleben (Mansfeld-Südharz) nach, ob Hilfe gebraucht wird. Und der stellte den Kontakt zu Nasra Mohamud Mohamed her - eine junge Somalierin, die vor eineinhalb Jahren mit ihren zwei Kindern nach Deutschland kam.
Seitdem kümmern sich Gudrun Urban und ihr Ehemann Günter um die kleine Familie. Dreimal pro Woche holen sie die fünfjährige Barira und den sechsjährigen Mohamed aus der Kindereinrichtung ab und unternehmen etwas mit ihnen.
Im Moment begleiten sie ihre „Mäuse“ regelmäßig zum Schwimmunterricht. Mutter Nasra kann derweil in Ruhe ihren Sprachkurs absolvieren. Was ganz wichtig ist, damit sie sich auch in Zukunft mit ihren Kindern verständigen kann.
Denn die beiden sprechen nur noch deutsch. Sie haben es - im Gegensatz zu ihrer Mutter - spielerisch in der Kita erlernt. „Die drei gehören inzwischen zur Familie“, betont Gudrun Urban. Die Kinder sagen Oma zu ihr. Ihr Mann ist für sie der „Meister“. Und die junge Mutter freut sich über Hilfe bei bürokratischen Angelegenheiten - etwa der Schulanmeldung von Mohamed.
Aber auch darüber hinaus gibt es freundschaftliche Bande. „Wir sprechen über viele Themen, zum Beispiel auch über Religion“, sagt Gudrun Urban. Und sie unterstreicht, dass Barira, Mohamed und ihre Mutter viel Freude in ihr Leben gebracht haben.
Erhardt Berner aus Dessau-Roßlau: Der Mundartretter
Es ist jetzt fast genau fünf Jahre her, dass die Dessauer den 200. Geburtstag ihres Originals Christoph Gottlieb Leopold Hobusch feierten. Dieses Fest, das die mit Witz und Schlagfertigkeit gesegnete lokale Berühmtheit würdigte, war gleichzeitig auch die Geburtsstunde der „Mundartgruppe 2011 Dessau-Roßlau“.
Ihr steht der 69-jährige Erhardt Berner vor. Die Gruppe sorgt nun dafür, dass die mitteldeutsche Mundart nicht in Vergessenheit gerät. Auf ein bis zwei Veranstaltungen pro Monat, so erzählt Erhardt Berner, tragen die mittlerweile 13 Mitglieder Stücke von Mundartdichtern aus der Region vor - beispielsweise von Hermann Wäschke (1850 bis 1926). Aber auch selbst Verfasstes wird zu Gehör gebracht.
Erhardt Berner, der erst kürzlich zum Engagementsbotschafter Kultur des Landes Sachsen-Anhalt berufe wurde, ist unermüdlich, wenn es um die Sprache geht.
Nicht nur, dass er die Zusammenarbeit mit Heimatvereinen und andere Mundartgruppen der Region sucht. Er und seine Mitstreiter organisieren ein Mundartfest, das im September des kommenden Jahres in Dessau-Roßlau stattfindet.
Außerdem will er junge Leute an Schulen für die mitteldeutsche Mundart begeistern - etwa über entsprechende Wettbewerbe. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Anhaltischen Theater schwebt ihm bereits vor. Und obendrein soll eine Art Wörterbuch mit der mitteldeutschen Mundart entstehen.
Erhardt Berner hat damit alle Hände voll zu tun. Aber er scheut keine Mühe - und mitunter auch keine Kosten, „seine Leute bei Laune zu halten“. Denn sein größter Wunsch ist, dass die Mundart nicht ausstirbt.
Hansi Emmrich aus Bad Schmiedeberg: Die Tierschützerin
Die Betreiberin eines Gnadenhofes hat schon viel Elend gesehen. Eine Katze etwa, mit drei Einschüssen, einer davon knapp neben der Wirbelsäure. Oder den Hund, der von seinem Peiniger immer wieder mit Benzin übergossen und anschließend angezündet worden ist.
„Der hatte an den Brandstellen tiefe Fleischwunden und dazu noch zwei gebrochene Vorderbeine“, erzählt die engagierte Tierschützerin. Doch der 67-Jährigen gelang es, das Tier wieder aufzupäppeln.
„Das hat jedoch mehrere Jahre gebauert.“ Wie sie die unzähligen Schicksale von Tieren verkraftet, die sie in den knapp 30 Jahren ihres Engagements erlebt? Manchmal weiß sie das selbst nicht.
„Aber die Tiere leiden zu sehen, dass tut mir in der Seele weh, da kann ich einfach nicht aufgeben.“ Und so arbeitet Hansi Emmrich 365 Tage im Jahr ehrenamtlich. Dabei kümmert sie sich mit ihrem Mann Frank und fast 100 Mitstreitern ihres Vereins um Hunde und Katzen ebenso wie um Pferde, Papageien, Schildkröten und Esel.
Und manchmal auch um Menschen. Wie den Besitzer von zwei Pferden, der todkrank in seiner Wohnung lag, als Hansi Emmrich die Tiere angekettet im Straßengraben fand. Schnell machte sie den Besitzer ausfindig und fand ihn in seiner Wohnung.
Eines der Pferde konnte der Gnadenhof später weitervermitteln. Geld für seine Arbeit nimmt der Verein dafür aber nicht, sondern hofft immer nur auf Spenden.
Heidelore Rathen aus Löbejün: Die Museumsmutter
Die 71-jährige Mathematikerin weiß, wie man mit Fördermitteln umgeht. Viele Jahre war sie im internationalen Finanzmanagement tätig, bevor sie 2000 nach Löbejün zog.
Die Arbeit der dort ansässigen Carl-Loewe-Gesellschaft e.V. verfolgte sie alsbald mit großem Interesse, denn das Schaffen des deutschen Komponisten faszinierte die 71-Jährige.
Da war es naheliegend, dass sie anbot, sich um das Finanzmanagement der Gesellschaft zu kümmern. Mittlerweile ist das 14 Jahre her und Rathgen nicht mehr nur Schatzmeisterin der Gesellschaft, sondern vielmehr „Mutter des Ganzen“.
So half sie beispielsweise dabei, das 2014 neu eröffnete Carl-Loewe-Museum zu planen, veranstaltet seither Führungen, kümmert sich um dessen Verwaltung und betreut Studenten- und Schülergruppen.
„Das Museum ist mein Baby“, sagt Rathgen voller Stolz. Die Arbeit käme einem Fulltime-Job nahe, doch das störe sie nicht. Ganz im Gegenteil: Ans Aufhören will Rathgen frühestens denken, wenn sie ihren 80. Geburtstag gefeiert hat.
Nikolas Weigt aus Dieskau: Der App-Entwickler
Als Nikolas Weigt sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim DRK Landesverband Sachsen-Anhalt begann, gehörte er noch einem Pilotprojekt an. Die Grundidee: Jugendliche sollten das ihnen eigene digitale Wissen nutzen, um anderen Menschen weiterzuhelfen.
Die Aufgabe des 19-Jährigen bestand darin, eine App zur Gewinnung neuer Ehrenamtlicher weiterzuentwickeln und zu betreuen. „Vorerfahrung hatte ich keine, aber eine grobe Vorstellung von dem, was mich erwartet - das hat ausgereicht“, sagt Weigt.
Für die Programmierung sei er glücklicherweise nicht zuständig gewesen, entwickelte stattdessen neue Strategien. Mehrere Hundert Ehrenamtliche nutzen die App mittlerweile regelmäßig. Sie ist bundesweit einzigartig.
Darin werden Nutzer beispielsweise auf Kleiderspendenaktionen aufmerksam gemacht, an denen sie sich beteiligen können. Seit Abschluss seines FSJ studiert Weigt in Berlin, fungiert aber auch weiterhin als Ansprechpartner für nachfolgende Jahrgänge und engagiert sich bei Seminaren des DRK-Landesverbandes.
Michel Vorsprach aus Lostau: Der Netzpionier
Öffentlich zugängliche, nicht kommerzielle und unzensierte Datennetzwerke: Das ist das Ziel der Funkinitiativen in Sachsen-Anhalt, bei der sich Michel Vorsprach seit 2014 engagiert.
Die freien Netze werden in Eigenregie aufgebaut und gewartet. Freiwillige stellen ihren WLAN-Router für den Datentransfer anderer zur Verfügung und lassen so eine neue Infrastruktur entstehen.
Vorsprach hat auf diese Weise zum Beispiel dabei geholfen, mehrere Flüchtlingsunterkünfte in Magdeburg relativ unkompliziert an ein kostenloses WLAN-Netzwerk anzuschließen.
„Das Projekt war uns sehr wichtig“, sagt der 29-Jährige. Finanziert wurde das Vorhaben durch Spenden, die er unter anderem über eine Onlineplattform gesammelt hat.
Er selbst empfindet sein Engagement nicht nur selbstverständlich, sondern auch als gesellschaftliche Verpflichtung: „Ich habe das Know-How und die Technik - also sollte ich beides auch an andere Menschen weitergeben.“
(mz)