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Swen Knöchel Die Linken in Sachsen-Anhalt: Auf Lichtfigur Wulf Gallert folgt Swen Knöchel

Von Jan Schumann 22.03.2016, 19:52
Swen Knöchel (Linke)
Swen Knöchel (Linke) nko

Magdeburg - Der Generationswechsel bei den Linken kommt am Ende ohne eine Stimme des Protests.

Schon vorher galt es als sicher, dass es der Hallenser Swen Knöchel sein würde, der nach dem enttäuschenden Wahlergebnis der Linken in die Fußstapfen von Wulf Gallert treten würde. „Die Partei braucht neue Gesichter“, hatte der bisherige Fraktionschef nach der bitteren Wahlniederlage gesagt.

Dass die Wachablösung bei den Linken nach zwölf Jahren aber gänzlich ohne Gegenstimme vonstatten gehen würde, galt im Vorfeld nicht als selbstverständlich.

Denn der Führungswechsel wird auch ein Stilwechsel sein. Gallert und Knöchel sind zwei unterschiedliche Charaktere: Der eine, Gallert, ist seit Jahrzehnten eine Ikone der Landespolitik, er gilt als Generalist, laut, debattenfreudig.

Der andere, Knöchel, galt bisher als fleißiger Finanzspezialist, eher zurückhaltend im Landtagsplenum und auf den großen Bühnen der Landespolitik. Keiner, der für die lauten Töne zuständig war. Und keiner, den man sich - wie Gallert - plaudernd bei Markus Lanz im Fernsehstudio vorstellen konnte.

Gallert kündigte Rückzug an

In der Chef-Frage hat Knöchel das nicht geschadet: Die 17 Abgeordneten stimmten gestern einstimmig dafür, dass der 42-Jährige künftig die Linken-Fraktion im Landtag anführen soll - ein Zeichen großen Vertrauens. „Froh und glücklich“, mache ihn das Ergebnis. „In der Fraktion spüre ich Entschlossenheit für die kommende Legislatur“, so Knöchel. „Das Wahlergebnis war bitter, es herrscht eine Jetzt-erst-recht-Stimmung.“

Dass Knöchel das Zepter nun übernimmt, kommt für Eingeweihte nicht überraschend. Bereits im Vorfeld der Wahl hatte Gallert intern angekündigt, sich möglicherweise aus der ersten Reihe der Fraktion zurückzuziehen. „Er sprach mit mir über diese Möglichkeit“, sagte Knöchel am Dienstag.

Am Wahlabend landete die Linke dann bei erschütternden 16 Prozent, verlor mehr als ein Drittel ihrer Parlamentsplätze und gab den Titel der größten Oppositionspartei an die kraftstrotzende, rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) ab. Am Tag darauf stellte der 52-jährige Gallert den zehn Jahre jüngeren Knöchel vor versammelter Presse als seinen designierten Nachfolger vor.

Das „Jetzt-erst-Recht-Gefühl“

„Es war mein Wunsch, vor der Wahl des Fraktionsvorstands mit allen Abgeordneten intensiv über die Zukunft zu sprechen“, sagte Knöchel gestern. „Es geht auch darum, künftig Politikfelder neu zu besetzen.“ Dabei, so ist zu verstehen, wird auch ein Rolle spielen müssen, dass die Linke bei der Landtagswahl rund 29.000 Wähler an die AfD verloren hat.

Seit Dienstag ist amtlich: Knöchel macht’s. Wenn er nun von Entschlossenheit redet, schaut der neue Fraktionschef auch auf die verschobenen Machtverhältnisse auf den Oppositions-Bänken. „Wir haben zwar formal nicht die Oppositionsführerschaft inne, faktisch nehmen wir diese aber an“, sagt er.

Was er meint: Seine Fraktion sei eben doch die größte, die künftig linke Gegenentwürfe zu den Regierungskonzepten bringen werde. „Und linke Positionen sind in dieser Konstellation bitter nötig.“ Zum Umgang mit der AfD-Fraktion kündigt Knöchel an: „Natürlich respektieren wir das Wahlergebnis. Aber gemeinsame Anträge und parlamentarische Initiativen mit der AfD wird es von unserer Seite nicht geben.“

Die neue Aufbruchsstimmung spiegelt sich auch in den Wahlergebnissen für Knöchels Stellvertreterinnen. Landeschefin Birke Bull und die rechtspolitische Sprecherin Eva von Angern wurden mit deutlicher Mehrheit in die Ämter gewählt. Von Angern erhielt nur eine Gegenstimme, Bull eine Gegenstimme und eine Enthaltung. Unter Gallert war die Einigkeit zuletzt nicht immer so groß: Als er 2012 eine Verjüngung des Fraktionsvorstands per Personalrochade anstrebte, scheiterte dies am Widerstand der alten Garde.

Dass Knöchel für Beobachter außerhalb von Partei und Parlament nicht zwingend als Nummer-Eins-Option für Gallerts Nachfolge galt, lag in erster Linie daran, dass der Hallenser bisher als Experte für Haushaltsfragen arbeitete - und abseits dessen spärlich die Öffentlichkeit auf sich zog. Seltene Ausnahme: In Halle sorgte Knöchel 2014 für Aufsehen, als er nach einem Parkplatzunfall Fahrerflucht beging, erwischt wurde und wegen des Blechschadens zu einer Geldstrafe von 2 600 Euro verdonnert wurde.

Unbestritten ist die Sachkompetenz des Linken: Der Diplom-Finanzwirt leitete seit 2014 den Finanzausschuss, eines der mächtigsten Instrumente, das der Opposition in der Kontrolle der Regierung zur Verfügung steht.

In der Außendarstellung stand Knöchel bislang im langen Schatten des omnipräsenten Wulf Gallert - ein Phänomen, das freilich auch für die restlichen Akteure der Fraktion gilt. Tatsächlich gibt es einige Punkte, in denen sich der alte und der neue Chef deutlich unterscheiden. So hat Gallert, der Lehrer, immer von sich behauptet: „Ich bin Generalist - mich interessiert der Konflikt, mit Details beschäftigen sich andere genauer.“ Es gibt kein Thema, zu dem Gallert nicht im Landtag sprechen würde. Auf 268 Reden kam er in der vergangenen Legislatur - Topwert im Landtag.

Knöchel kommt als Fachpolitiker. Als Mann, der von 1996 bis 2008 Prüfer im Finanzamt Halle-Süd war, ein Studium zum Finanzwirt nachschob, im Jahr 2011 in den Landtag einzog und dort haushaltspolitische Sprecher wurde. Auf 66 Reden kam Knöchel in fünf Jahren - unteres Mittelfeld. Auch außerhalb des Parlaments trat Knöchel bisher eher leise auf.

Gallert rutscht nun in die präsidiale Ebene des Landtags. Die Fraktion nominierte den Magdeburger gestern als Kandidaten für den Posten des Vizepräsidenten. Auch bei dieser Entscheidung herrschte Einigkeit bei den Linken. 16 von 17 Abgeordneten gaben grünes Licht für die Kandidatur. (mz)