Der grüne Lieblingsfeind Der grüne Lieblingsfeind: Sebastian Striegel bald Co-Chef der Grünen?

Magdeburg - Am Anfang war das Wort. Es war leider abgeschrieben. Fast vier Monate ist es her, dass Britta-Heide Garben als Grünen-Vorsitzende in Sachsen-Anhalt zurücktrat - sie stolperte über eine Plagiatsaffäre. Monatelang hatte sie kopierte Texte als eigene Botschaften veröffentlicht. Dieser Sündenfall brachte viel in Bewegung in die kleine Partei: Am Samstag wählen die Grünen in Magdeburg nun ein neues Führungsduo. Es wird eine entscheidende Weichenstellung in Zeiten des deutschlandweiten Grünen-Hypes. Die Frage lautet: Wohin entwickelt sich die kleine Ökopartei in Sachsen-Anhalt?
Partei wächst schnell
Zumindest ein neuer Kandidat verspricht eine Art Professionalisierung: Mit Sebastian Striegel tritt seit 2016 erstmals wieder ein Landtagsabgeordneter und Vollzeitpolitiker für den Chefposten an - die bisherigen Co-Vorsitzenden Britta-Heide Garben und Susan Sziborra-Seidlitz arbeiten im Nebenjob weiter als Landwirtin und Krankenschwester.
Striegel hingegen ist als parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion ein intimer Kenner des Magdeburger Politikbetriebs. Geht es um Koalitionsfragen mit CDU und SPD, sitzt er mit dem Ministerpräsidenten und den Parteichefs am Tisch, zudem ist er als Innenexperte in aktuellen Sicherheitsfragen voll im Bilde.
Striegel will „Partei und Fraktion stärker verzahnen“
Zwar gab es bei den Grünen immer wieder Diskussionen über die Trennung von Parteiamt und Abgeordnetenmandat. Der Hallenser Striegel sagt dazu, er wolle „Partei und Fraktion stärker verzahnen“. Anders gesagt: Basis und Profi-Ebene sollen zusammenarbeiten, statt nebeneinander zu existieren.
Eine Professionalisierung der Parteistrukturen sehen auch andere Grüne im Land als nötig an. Denn trotz der Regierungsbeteiligung, einem Ministerium und dem wachsenden Klimabewusstsein in der Bevölkerung ist die Ökopartei in Sachsen-Anhalt weiter klein.
Nach ihrer Wahl zur Co-Chefin 2016 begrüßte Sziborra-Seidlitz zunächst das 700. Mitglied, mittlerweile sind es 1000. „Dieser Zuwachs klingt wenig, ist prozentual aber viel“, sagt sie. Mit den Mitgliederzahlen sollen auch die Parteistrukturen wachsen.
Eine Frage des Angebots
„Bis 2021 muss es zudem darum gehen, neue Wählerschichten anzusprechen“, sagt sie. Bisher wird die Partei vor allem in Halle und Magdeburg gewählt, auf dem Land eher nicht. 2016 zogen die Grünen haarscharf mit 5,2 Prozent in den Landtag ein. Eine Verdoppelung hält Sziborra-Seidlitz für möglich.
Die Wiederwahl der Quedlinburgerin gilt als sehr wahrscheinlich, auch Striegels Wahl dürfte kaum gefährdet sein. Ein Kreischef gibt sich pragmatisch: „In einer idealen Welt wären Amt und Mandat sicher getrennt. Aber es ist auch eine Frage des Angebots.“
Kaum Chancen werden der Wittenbergerin Reinhild Hugenroth zugerechnet. Die Bildungsexpertin will ebenfalls Vorsitzende werden, ihr fehlt aber Unterstützung. Zu Kandidatur Striegels sagt sie kritisch:
„Die Frage ist, ob die Partei von oben nach unten eingenordet werden soll. Ich bin da unschlüssig.“ Im Jahr 2006 hatte die Frau aus dem Münsterland bereits in Nordrhein-Westfalen für den Landesvorsitz kandidiert und scheiterte.
Gegner für CDU-Politiker
Es läuft also auf Sziborra-Seidlitz und Striegel hinaus - bei einigen Partnern in der Koalition dürften schon die Alarmleuchten blinken.
In der CDU gilt Striegel manchem als Intimfeind - auch weil der 38-Jährige verbale Auseinandersetzungen nicht scheut. Die heutige Bildungsstaatsekretärin Eva Feußner (CDU) beschuldigte ihn einst indirekt, durch Provokationen auch gewalttätige Übergriffe heraufzubeschwören - 2017 verlangte sie von der Landesregierung Auskunft darüber, wie viel Striegels Polizeischutz das Land koste.
Bald könnte er den Christdemokraten als Parteivorsitzender entgegentreten. „Es sind alle aufgerufen, ernsthaft Politik zu machen“, sagt er. „Da kann es nicht darum gehen, wer mit wem besonders gut kann.“ (mz)