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Land verzögert Zahlung DDR Volkspolizei: Tausende Ex-Volkspolizisten der DDR warten auf mehr Rente

Von Hagen Eichler 17.10.2018, 08:04
Illustration: Ein Motorrad der  Volkspolizei der DDR in einer Polizeiausstellung in Mönchengladbach.
Illustration: Ein Motorrad der  Volkspolizei der DDR in einer Polizeiausstellung in Mönchengladbach. imago/O.Döring/Symbol

Halle (Saale) - Mehrere Tausend frühere Mitarbeiter der DDR-Volkspolizei haben Anspruch auf eine Rentenerhöhung, bekommen diese aber nicht ausgezahlt. Die Aufstockung wird durch ein Gerichtsurteil gefordert: Laut Landessozialgericht Sachsen-Anhalt ist das früher gezahlte Bekleidungs- und Verpflegungsgeld als Teil des Arbeitsentgelts anzusehen.

Dadurch erhöht sich auch der Anspruch auf die sogenannte Sonderversorgung, teilweise um 200 Euro monatlich. Erst ein kleiner Teil der Berechtigten hat die Neuberechnung beantragt. Von diesen wiederum liegen noch Tausende Anträge unerledigt im Amt.

Konkret wurden zwischen Oktober 2007 und September 2018 5.187 Überprüfungsanträge gestellt. Entschieden wurden nur 1.202 Fälle. Insgesamt erwartet das Land sogar 12.000 Anträge. Auf Nachfrage von Rentnern und gegenüber Gerichten erklärt die zuständige Polizeidirektion Nord in Magdeburg die Verzögerung mit Arbeitsüberlastung. Nach MZ-Informationen waren jedoch anfangs nur drei Mitarbeiter für die Antragsflut abgestellt.

Empörung bei Betroffenen: „Das ist unfair“

Aktuell sind es sieben, ein weiterer soll hinzukommen. Bei dieser Personalausstattung dürfte es Jahre dauern, bis alle Anträge entschieden sind. Zum Vergleich: Brandenburg hat mit elf Mitarbeitern vier Jahre gebraucht, um 12.000 Fälle zu überprüfen. Betroffene reagieren empört.

„Das ist sehr unfair gegenüber den Kameraden und Kollegen, die Jahrzehnte für die Bürger gearbeitet haben. Viele sind ja auch schon weggestorben“, sagt der Hallenser Hans-Jürgen Hertha, früher als Feuerwehr-Hauptmann bei der Volkspolizei in Halle beschäftigt. Sein 79-jähriger Gartennachbar habe den Bescheid gerade erhalten. „Ich bin 70 und muss noch warten. Wer weiß, ob ich das erlebe.“ Das Land arbeitet die Anträge nach Geburtsjahrgang ab. Begonnen hat die Überprüfung mit den Jahrgängen 1920 bis 1929.

Wann kommt Rentenerhöhung für Mitarbeiter der DDR-Volkspolizei

Brandenburg hatte bereits 2008 anerkannt, dass Bekleidungs- und Verpflegungsgeld bei DDR-Polizisten Teil des Gehalts waren. Die anderen Länder und der Bund jedoch lehnten das ab. Eine Hallenserin, einst Oberleutnant bei der Kriminalpolizei und heute Anwältin, wehrte sich vor Gericht. 2012 obsiegte sie in erster Instanz, das Land ging jedoch in Berufung. Im April 2017 wies das Landessozialgericht die Berufung zurück. Doch selbst danach reagierte das Innenministerium nicht, sondern sprach von einer Einzelfallentscheidung.

Erst Ende Oktober 2017 verfügte Minister Holger Stahlknecht (CDU), dass das Urteil umzusetzen ist. Bitter für Betroffene: Nachzahlungen gibt es nur für vier Jahre. Gerichte haben die Verzögerungstaktik des Landes mehrfach gerügt. Das sechsmonatige Warten des Ministers ändere nichts an den gesetzlichen Fristen, urteilte das Sozialgericht Dessau im Juli und verurteilte das Land, die außergerichtlichen Kosten eines klagenden Rentners zu tragen.

Von den höheren Renten profitieren vor allem untere Dienstgrade. So bekommt ein Polizist monatlich 200 Euro mehr. Die Hallenserin, die mit ihrer Klage den Weg freimachte, erhält nur 30 Euro zusätzlich. „Das ist doch besser als nichts. Außerdem geht es ums Prinzip“, sagt die Frau, die als Anwältin die Ansprüche dutzender Ex-Polizisten vertritt.

Zusatz- und Sonderversorgungssysteme gab es in der DDR für Angehörige verschiedener Berufsgruppen. Gewährt wurden sie häufig sehr willkürlich. Das zeigt das Beispiel eines Helbraer Diplom-Physikers, der dabei leer ausging,  (mz)