Anzeige wegen Facebook-Post CDU-Politiker Sepp Müller bietet nach Nazi-Slogan Entlastungszeugen auf
Kam der Hashtag #DeutschlandErwache tatsächlich von ChatGPT? Ja, sagt Müllers Anwalt Johannes Eisenberg - er stützt sich auf ein eigenes Experiment.
Magdeburg/MZ - Nach der Veröffentlichung einer nationalsozialistischen Parole auf seiner Facebookseite will Unionsfraktions-Vize Sepp Müller (CDU) einen Entlastungszeugen aufbieten. Unter Müllers Profil war vor gut zwei Wochen der Slogan „#DeutschlandErwache“ erschienen, ein Schlachtruf von Hitlers Schlägertrupp SA.
Der aus Gräfenhainichen (Landkreis Wittenberg) stammende Politiker erklärte das mit dem Fehler eines Mitarbeiters, der den Text durch Künstliche Intelligenz (KI) habe formulieren lassen. Auf MZ-Anfrage erklärte Müllers Rechtsanwalt Johannes Eisenberg nun, dass sich die Panne durch eine Rekonstruktion auch beweisen lasse.
Zwei Treffer im Chat-Bot
In seinem Beisein habe ein Anwaltskollege dem KI-Programm ChatGPT-4 die exakt gleiche Aufgabe gestellt, die Müllers Mitarbeiter am 21. Februar eingegeben habe – „Prompt“ heißt ein solcher Auftrag in der Fachsprache. Das Ergebnis: „Beim zweiten Versuch mit dem identischen Prompt wurde ihm eben dieser Hashtag ‚#DeutschlandErwache’ von ChatGPT angeboten, und bei insgesamt acht Anfragen zwei Mal“, sagte Eisenberg.
Das Experiment der beiden Anwälte habe am 27. Februar stattgefunden, also mehrere Tage nach dem Bekanntwerden des Nazi-Spruchs auf Müllers Facebookseite. Eisenbergs Fazit: „Es gibt nicht den geringsten Anlass, an der Lauterkeit der Auskünfte von Herrn Müller zu zweifeln.“
Der Beweis wurde gesichert, sagt Rechtsanwalt Eisenberg
ChatGPT speichert alle Prompts und die gegebenen Antworten. Offenlegen will der Anwalt diese Daten nicht – weder für die ursprüngliche Anfrage noch für die Rekonstruktion in der Anwaltskanzlei. Da sein Kollege als Zeuge bereitstehe, gebe es dazu keinen Anlass, sagte Eisenberg. Aber: „Sie dürfen sicher sein, dass wir den Vorgang beweisgesichert haben.“
Ein Facebook-Nutzer hatte Müller wegen der NS-Parole angezeigt. Als der Westdeutsche Rundfunk (WDR) sich bei dem Politiker nach dem Facebook-Post erkundigte, entfernte dieser den Text und bat um Entschuldigung. Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat über die Einleitung eines Ermittlungsverfahren noch nicht entschieden, wie ein Sprecher sagte.
Mitarbeiter ist nicht mehr für Müller tätig
Wer den NSDAP-Slogan „Deutschland erwache“ verbreitet, macht sich strafbar – allerdings nur dann, wenn er das vorsätzlich tut. Bei bloßer Fahrlässigkeit, etwa einem ungeprüften Übernehmen eines Textes, könnte der Täter straffrei ausgehen.
Nach MZ-Informationen ist der betreffende Mitarbeiter nicht mehr für Müller tätig. Die studentische Hilfskraft soll an jenem Tag, an dem der Facebook-Post durch den WDR-Bericht bekannt wurde, regulär seinen letzten Arbeitstag gehabt haben. Müller wollte sich zu dem Vorgang auf MZ-Anfrage nicht äußern.