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Brasilianisch essen in Magdeburg: Das "Alento"

Von Hans-Ulrich Köhler 30.06.2014, 08:33
Das „Alento“, Hotel und Restaurant, liegt im Westen von Magdeburg.
Das „Alento“, Hotel und Restaurant, liegt im Westen von Magdeburg. hans-ulrich köhler Lizenz

Magdeburg - Brasilien hat wohl schon jeder Bar-Besucher mal im Glas gehabt. Man liebt den Cocktail oder man trinkt ihn nach dem ersten Mal nie wieder: Caipirinha, das wohl bekannteste Getränk aus dem Weltmeisterschaftsland, ein Mix aus Zuckerrohrschnaps, Limettensaft, Zucker und Eis.

Caipirinha gibt es natürlich auch im „Alento“ in Magdeburg (5,50 Euro). Auf das Restaurant stößt man unweigerlich, versucht man herauszufinden, wo man in Sachsen-Anhalt „brasilianisch“ essen gehen kann. Alternativen gibt es nicht, abgesehen vom „El Gaucho“, gleichfalls in der Domstadt. Wie das „Alento“ gehört es dem Inder Vipan Kuma.

Brasilianische Küche gibt es gar nicht, sagt der „Alento“-Chef

Das Restaurant „Alento“ im Westen der Stadt wird von Mohamed Afzaal geführt. Der in Pakistan geborene Gastronom lebt wie sein Chef schon seit Jahrzehnten in Deutschland. Mohamed Afzaal klärt gleich vor der ersten Bestellung einen weit verbreiteten Irrtum auf: die brasilianische Küche gibt es überhaupt nicht. Das deckt sich mit dem zuvor angelesenen Wissen. So riesig das Land, so vielfältig die Küche.

Urbrasilianische Zutaten sind Ananas, Maniokwurzeln, Palmherzen, eingebracht von den Indios. Portugiesen haben vor 300 Jahren die städtische Küche bereichert, österreichische Auswanderer kamen mit Mehlspeisen, Inder, Libanesen, Asiaten, Mexikaner, Schwarzafrikaner brachten über Jahrhunderte mit, was ihnen in ihrer Heimat gefiel. Ein multikultureller Mix entstand.

Viel Fleisch, aber auch vegetarische Gerichte im „Alento“

Fleisch spielt traditionell in dem WM-Land im Ess-Alltag eine große Rolle. Vor Fleischbergen muss man sich im „Alento“ nicht fürchten, es findet sich Vegetarisches, ein wenig Pasta auch, Fisch. Der Fleischfreund und Liebhaber von „All you can eat“-Angeboten kommt freilich hier voll auf seine Kosten. Auf Vorbestellung für Gruppen ab vier gibt es Rodizio, ins Deutsche übersetzt heißt das etwa „Das Drehende“.

Was sich da im Grill dreht, sind halbmeterlange Schwertspieße mit verschiedenem Fleisch. Ist es fertig, kommt der Cortador, der Fleischschneider, an den Tisch und säbelt riesige, dünne Scheiben ab - so oft der Gast will, wenn er vorab 19,50 Euro pro Person bezahlt hat. In Mohamed Afzaals Grill passen bis zu 16 Schwertspieße rein, das reicht für 30 Leute. Wer solo kommt oder zu zweit, wird nicht hungern im „Alento“. Nur wie der Cortador mit energischem Schwung das Fleisch schneidet, das kann er nicht erleben.

Zu wählen ist unter 54 Fleischgerichten, darunter klassische Steaks von Rind und Schwein, Gerichte mit Hähnchen und Pute. Für Neugierige und Mutige ist die Rubrik „Wildfleisch“ interessant, dazu später mehr. Acht Vorspeisen gibt es, die Wahl fällt auf „Alento Especial“ (5,90). Gebratener frischer Spinat in der Ankündigung macht neugierig, dazu Champignons und Sahnesauce. Kurzes Zögern: Das alles noch mit Käse überbacken? Viel zu viel zum Auftakt? Probieren, sagt Herr Afzaal.

Wein könnte man aus 16 Angeboten wählen, spanische Weine, argentinische, griechische, darunter der gute El Coto (hier als Roter für 12,90 Euro pro Flasche) und der unvermeidliche Retsina, der Grieche (2,60 Euro das Glas). Aber irgendwie scheint beim brasilianischen Abend ein Bier besser. Zwei machen neugierig, weil Südamerika-Klischees im Kopf aktiviert werden: Banana Weizen (der halbe Liter 3,50 Euro) und Desperado Bier (2,90 für 0,3 Liter). Banana? Hefeweizen mit Bananensaft! Das muss es dann nun wirklich nicht sein, also Desperado, ein Mexikaner, hergestellt in Holland, leicht, hell, wenig Alkohol, mit einem Limettenstück im Flaschenhals, das drin bleibt, wird angesetzt.

Noch mal kurz Luftholen, als die Vorspeise kommt - doch eine recht große Sache, die da unter dem gebackenen Käse wartet. Beim Essen dann Überraschung: Der Teller wird leergeputzt, der gebratene Spinat erweist sich als leicht, die Käsedecke ist hauchdünn und über allem liegt ein Gewürzgeschmack, der dann später noch öfter auftauchen wird. Mohamed Afzaal bleibt beim Erklären im Ungefähren - es sei ein Mix aus vielen Gewürzen Südamerikas und Indiens, was wir mal so hinnehmen. Pikant jedenfalls ist das, spürbar scharf im Abgang, aber nicht so, dass einem der Mund offen stehen bleibt, sehr angenehm.

Original argentinisches Steak

Beim Hauptgang kann es dann in die Vollen gehen. Steak natürlich, argentinisches, sagt die Karte. Gewählt werden könnte das teuerste, was es gibt, „Bife de Lomo“, Rinderfilet für maximal 19,50. Das wiegt dann 350 Gramm und ist mit dem Vermerk „Super Grande“ in der Karte eingetragen. Die Vernunft meldet sich rechtzeitig und es wird ein „Mediano“, 180 Gramm, für 15,50 Euro (Grande: 250 Gramm, 17,50 Euro).

Neugier wecken Alento-Kartoffeln, halb gekocht, in Scheiben, paniert, gebraten. Die werden es dann bei den Beilagen (1,90 Euro). Salat „all you can eat“ am Selbstbedienungsbuffet. Dort holt man sich guten Standard ab, der jedes vergleichbare deutsche Restaurant schmücken würde.

„Alento“ war früher ein „Deutsches Haus“

Vipan Kumas Haus war in seinem früheren Leben mal ein „Deutsches Haus“. Sucht man im „Alento“ ein WLAN-Netz, wird dort noch immer „Deutsches Haus“ für die Heimstatt des Brasilianers in Magdeburg angezeigt. Hält das Personal bei der Weltmeisterschaft zu Brasilien? Mohamed Afzaal winkt ab. Man sei für Deutschland, Halbfinale wird es, mindestens, ist sich der Chef sicher und seine Augen leuchten. Ja, er sei ein echter Fan der deutschen Nationalelf, sagt der Pakistani im Brasilianer hinter den Mauern eines vormaligen Deutschen Hauses.

Beim Warten aufs Hauptgericht ist Zeit, sich noch mal der Rubrik „Wildfleisch“ zuzuwenden. Wild ist hier: Krokodil, Känguru und Strauß. Gibt es alles gegrillt, alles zwischen 12,90 und 16,90 Euro, dann als Trio aus allen drei Exoten.

Lust auf Krokodil, Känguru oder Strauß?

Möchte man Krokodil essen? Heute nicht, aber wenigstens probieren, sagt Mohamed Afzaal, wäre möglich. Krokodil sei hell wie Hühnchen, Känguru eine sehr kräftig-markante Sache, Strauß sei fast wie Kalb. Probieren? Ein anderes Mal vielleicht, danke.

Das Mediano-Steak erfüllt alle Erwartungen, perfekt medium, sehr knusprig außen, Kräuterbutter dazu, Saucen extra möglich. Und siehe da: 180 Gramm sehen wenig aus, Grande wäre wohl kein Problem gewesen. Kartoffeln in dieser Form sind neu, wirklich eine überraschend-feine Sache, fest gebacken außen, butterweich innen und wieder dieser rätselhafte Gewürzmix, nur jetzt einen Tick schärfer - so einfach, so wunderbar sind Kleinigkeiten mitunter.

Mango Lassi zum Nachtisch

Das war er nun, der brasilianische Abend. Die Dessertkarte im „Alento“ ist nicht sehr verlockend, Eisvariationen vom Großanbieter und gebackene Banane. Herr Afzaal nimmt es gelassen, dass nichts mehr ausgewählt wird, empfiehlt aber als Rausschmeißer einen „Mango Lassi“. Ohne Alkohol, beruhigt er, und kommt wieder mit einem Glas voll dickflüssigen Getränks. Mango und Joghurt, sagt er. Süß wie ein Dessert geht es runter. Naja. Nun aber noch ein Hasseröder, bitte! Im Nu ist Herr Afzaal zurück: „Auf Deutschland“, sagt er. „Halbfinale!“ (mz)

Weiterführende Informationen

Blick in den Gastraum des „Alento“
Blick in den Gastraum des „Alento“
hans-ulrich köhle Lizenz