"Massive Fehlentwicklung" ARD/ZDF: Robra rügt Öffentlich-Rechtliche als teuer und ausufernd
Magdeburg - Rainer Robra (CDU) ist ein Verteidiger des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Jetzt aber will Sachsen-Anhalts Staatskanzleichef dem immer teureren System Grenzen setzen - im Fernsehen wie auch im Internet. MZ-Redakteur Hagen Eichler befragte den Minister zu seinen Forderungen.
Herr Robra, ARD und ZDF haben Vorschläge zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgelegt. Sparmöglichkeiten sehen die Anstalten bei der Verwaltung, bei der Technik, bei der Altersversorgung. Wurde da jahrelang Geld aus dem Fenster geworfen?
Rainer Robra: Die Anstalten haben jedenfalls jahrelang Einsparpotenziale nicht entdeckt. Der Druck, den die Länder zuletzt entfaltet haben, ist da heilsam gewesen. Die Vorschläge, die jetzt auf dem Tisch liegen, nehmen wir erstmal. Aber jetzt ist die Politik am Zuge.
Was die Anstalten ablehnen, sind Kürzungen am Programm. Kann der Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro so stabil bleiben?
Robra: Nein. Wenn es bei dem Vorschlag der Anstalten bliebe, wäre 2021 eine Beitragserhöhung von bis zu 1,20 Euro pro Haushalt nötig. Das haben die Beamten der Rundfunkkommission überschlägig berechnet. 2,1 Milliarden Euro würden fehlen, wenn wir nicht weitere Sparvorschläge finden.
Ein höherer Rundfunkbeitrag würde in Sachsen-Anhalt an der CDU scheitern. Ist das auch Ihre Einschätzung?
Robra: Das ist eine Prognose, die ich teile. Ich werde deshalb nicht müde, im Kreise der Länder deutlich zu machen, dass Beitragserhöhungen im Landtag von Sachsen-Anhalt wohl keine Mehrheit finden werden. Wir meinen: Es muss bei 17,50 Euro bleiben. Die Öffentlich-Rechtlichen sind mit rund acht Milliarden Euro auch für die nächsten Jahre auskömmlich finanziert.
Welche Sparideen steuern Sie bei?
Robra: Wir sollten das System zeitgemäß ausgestalten, indem wir das Zweite Deutsche Fernsehen als den nationalen Player betrachten. Die Landesrundfunkanstalten sollten sich stärker regional präsentieren. Ich bin seit anderthalb Jahren auch für Kultur zuständig und sehe noch deutlicher als zuvor, was an kultureller Vielfalt in den Ländern dargeboten wird und wie wenig sich davon in den Programmen wiederfindet.
Dann müsste das Erste seinen nationalen Anspruch aufgeben.
Robra: Das Erste wäre dann mittelfristig kein nationaler Sender mehr, sondern das Schaufenster der Regionen. Es soll das Beste aus Mitteldeutschland zeigen, aus dem Norden, aus allen Ländern.
Also mehr Schützenfeste ins Fernsehen?
Robra: Das ist sehr verkürzt. Ich glaube, dass es in den Ländern nicht nur kulturelle, sondern auch informative Angebote gibt, die von allgemeinem Interesse sind. Uns allen bekäme es gut, wenn wir stärker als bisher wahrnehmen, was die deutschen Länder zu bieten haben. Derzeit gibt es dafür nur kleine Sendefenster. Alles andere wird zugepflastert mit Zuviel vom Gleichen.
Ein nationales Ereignis wie das Kanzlerduell vor der Bundestagswahl gehört dann nicht mehr ins Erste?
Robra: Das wäre dann die Aufgabe des ZDF. Das Erste soll präsentieren, was in den Ländern läuft. Wenn man dafür mehr Freiraum schafft, gewinnt die Bundesrepublik Deutschland insgesamt.
Wie steht es mit Hollywood-Spielfilmen?
Robra: Die gehörten dann ins Zweite.
Und das Heiligtum der ARD, die Tagesschau?
Robra: Die wäre dann in dieser Form überflüssig.
Auch ein ARD-Hauptstadtstudio bräuchte es nach Ihrem Konzept nicht.
Robra: Natürlich müssten die Länder auch in der Hauptstadt präsent sein, aber für Berlin und Brandenburg wäre dann der RBB zuständig. Die zentralen Einrichtungen der ARD wären im Wesentlichen nicht mehr erforderlich.
Finden Sie dafür Verbündete in anderen Bundesländern?
Robra: In die Phase der politischen Diskussion treten wir jetzt ein. Mein Vorschlag ist in sich logisch und berücksichtigt, dass die Landesrundfunkanstalten die Basis bilden. Die ARD ist ja nicht einmal eine eigene juristische Person, sie ist die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten der Länder. Das ist in den letzten Jahrzehnten etwas aus dem Blick geraten, die ARD hat sich als Das Erste zu einem zu eigenständigen nationalen Programm entwickelt.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk drängt immer stärker ins Internet. Er bietet dort wie Tageszeitungen auch Texte an, alles gebührenfinanziert. Ist das fairer Wettbewerb zu den privaten Verlagen?
Robra: Nein, und das war auch nicht gewollt, als wir vor zehn Jahren die Rechtsgrundlagen für die öffentlich-rechtlichen Telemedien beschlossen haben. Presseähnliche Angebote ohne Sendungsbezug sind untersagt. Niemand von uns hat daran gedacht, dass dann jemand schlussfolgern könnte, dass Angebote mit Sendungsbezug dann presseähnlich sein dürfen.
Auch der MDR bietet online Texte, die als Aufmacher einer Tageszeitung geeignet wären. Ihre Folgerung?
Robra: Ich bin für ein konsequentes Verbot presseähnlicher Textproduktion im öffentlich-rechtlichen System. Unbestritten ist, dass der RBB munter dabei war, nicht sendungsbezogene Texte zu produzieren und dann im Nachhinein mit einem Sendungsbezug zu versehen. Das sind Symptome dafür, dass es da zu massiven Fehlentwicklungen gekommen ist.
Sie wollen, dass online nur noch das Programm angekündigt wird?
Robra: Erlaubt sein sollen Texte, die zu Sendungen hinführen oder im engeren Sinn mit der Sendung zu tun haben. Im Schwerpunkt müssen die Telemedien audiovisuell und auditiv gestaltet sein.
Also Beiträge zum Ansehen und Anhören.
Robra: Ja. Das ZDF hält sich ja daran. Es gab einen Kompromiss zwischen der ARD und den Zeitungsverlegern, nach dem zwei Drittel der Online-Angebote audiovisuell und auditiv sein sollten und nur ein Drittel Text. Dieser Kompromiss ist bedauerlicherweise in der ARD gescheitert. Die Redaktionen sollen davon absehen, Texte zu produzieren, die kaum jemand braucht. Dann hätten sie auch wieder mehr Kapazitäten für ihr eigentliches Programm. Die Aufgabe eines Fernseh-Journalisten ist es, Fernsehen zu machen – nicht Texte.
Die ARD-Vorsitzende Karola Wille schlägt vor, dass sich der Beitrag künftig nach einem festen Index automatisch erhöht. Was halten Sie davon?
Robra: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die Verantwortung für Beitragserhöhungen entparlamentarisieren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf sich der Diskussion mit den demokratisch Gewählten in den Landtagen nicht entziehen. Sonst ist die Legitimationsbasis irgendwann völlig erodiert. (mz)
Öffentlich Rechtliche: Der Gebührenstreit über die Pauschale
Jahrzehntelang wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk über eine Geräteabgabe finanziert. Seit 2013 wird pro Haushalt oder Unternehmen eine Pauschale fällig, derzeit 17,50 Euro. Der Beitrag, den jeder unabhängig von der tatsächlichen Nutzung entrichten muss, ist politisch und juristisch umstritten. Den Anstalten spülte das neue System erhebliche Mehreinnahmen in die Kassen. Aus der ARD gibt es bereits erste Forderungen nach einer Erhöhung der Rundfunkbeitrags im Jahr 2021. Die Entscheidung liegt bei den Ministerpräsidenten.
Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehören 18 Fernsehsender, 64 Radiowellen, Tausende Webseiten im Internet sowie Orchester, Chöre und Big Bands. Ende des vergangenen Jahres zählte die ARD 20.000 Vollzeitstellen.