1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt
  6. >
  7. Anschlag Magdeburg: Attentäter hatte freie Fahrt - wie die Stadt Menschenmengen künftig schützen will

Pläne werden konkret Attentäter von Magdeburg hatte freie Fahrt - wie die Stadt Menschenmengen künftig schützen will

Nichts hielt Taleb A. auf, sechs Menschen starben auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Jetzt will die Stadt Barrieren einbauen - im April soll es losgehen.

Von Hagen Eichler Aktualisiert: 24.03.2025, 18:24
An dieser Stelle begann Taleb A. seine Todesfahrt. Der Untersuchungsausschuss des Landtags hat den Tatort jetzt besichtigt.
An dieser Stelle begann Taleb A. seine Todesfahrt. Der Untersuchungsausschuss des Landtags hat den Tatort jetzt besichtigt. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Magdeburg/MZ - Als Reaktion auf den Weihnachtsmarkt-Anschlag will die Stadt Magdeburg Menschenmengen auf dem Alten Markt künftig besser schützen. Eine bislang offene Zufahrt werde noch im April durch einen versenkbaren Poller abgesperrt, kündigte Magdeburgs oberster Stadtplaner Ken Gericke am Montag an. Weitere versenkbare Poller sollen noch im Mai oder Juni folgen – sie sind für jene Stelle vorgesehen, an der kurz vor Weihnachten ein aus Saudi-Arabien stammender Mann in die Menge gefahren war. Bei dem Anschlag starben sechs Menschen, rund 300 wurden verletzt.

Gericke sagte, die gesamten Sicherheitsmaßnahmen für das Areal rund um das Rathaus würden voraussichtlich zehn bis 15 Millionen Euro kosten. Verschiedene feste und bewegliche Elemente sollen als Barrieren dienen. „Die Poller sollen im Normalfall versenkt sein und nur bei Großveranstaltungen zu sehen sein“, sagte Gericke.

Lernen vom Berliner Breitscheidplatz

Bei den Planungen habe man auf Erfahrungen der Stadt Berlin zurückgegriffen. Dort hatte bereits 2016 ein Attentäter ein Fahrzeug als Waffe eingesetzt und auf dem Breitscheidplatz Weihnachtsmarktbesucher getötet. Magdeburgs Stadtplanungschef räumte ein: „Hundertprozentige Sicherheit wird es nicht geben. Aber wir wollen unser Bestmögliches tun.“

Anlass der Ankündigung war ein Ortstermin: Gut drei Monate nach dem Anschlag verschaffte sich am Montag der Untersuchungsausschuss des Landtags erstmals einen Überblick über das Areal rund um das Magdeburger Rathaus. Der in Bernburg (Salzlandkreis) lebende Attentäter Taleb A. hatte einen gemieteten SUV auf den dort stattfindenden Weihnachtsmarkt gesteuert und war mit hoher Geschwindigkeit durch eine Budengasse gefahren. Weder am Eingang, noch beim Verlassen war er auf physische Barrieren gestoßen. Für das Fehlen von Hindernissen machen sich die Stadt Magdeburg und die Polizei wechselseitig verantwortlich.

Opferbeauftragte schildert die Erfahrung der Betroffenen

Am Vormittag hatte der Untersuchungsausschuss auch erstmals eine Zeugin befragt, Sachsen-Anhalts Opferbeauftragte Gabriele Theren. Die ehrenamtliche Ansprechpartnerin sei gebeten, „als Stimme der Opfer auszusagen“, erklärte Ausschussvorsitzende Karin Tschernich-Weiske (CDU). Theren sagte, die Betroffenen hätten sich dankbar gezeigt, dass sie schon unmittelbar nach der Tat Ansprechpartner gefunden hätten.

Lesen Sie auch den Kommentar: Für die Toten kommt das zu spät

Viele hätten es aber als belastend empfunden, dass sie ihre Erlebnisse verschiedenen Institutionen immer aufs Neue hätten schildern müssen. Neben der Polizei seien das alle weiteren Stellen, die für das Gewähren von Hilfe zuständig sind. Gewaltopfer haben Anspruch auf Entschädigung nach dem Sozialgesetzbuch. Geld steht auch über Spenden bereit, über die Opferbeauftragte des Landes und den Beauftragten des Bundes. „Mich treibt um, wie man das weniger belastend gestalten kann“, sagte Theren.

1.650 Menschen auf der Liste der Betroffenen

Ihren Angaben zufolge sind mittlerweile 1.650 „im weitesten Sinn“ Betroffene des Anschlags registriert. Nicht alle von ihnen hätten Schäden davongetragen, sagte die Beauftragte. Gerade psychische Problemen könnten sich allerdings auch noch Jahre später zeigen. Bei 84 Schwerstverletzten sei absehbar, dass es für sie trotz bester medizinischer Hilfe nicht mehr gut werde.

Der Opferbeauftragten zufolge haben rund 200 Geschädigte Hilfe aus dem Opferhilfe-Fonds des Landes beantragt. Rund 90 Anträge davon seien entscheidungsreif. Für die Auszahlung fehle allerdings noch eine vom Land angekündigte Richtlinie.

Die Opferbeauftragte nannte es „Glück im Unglück“, dass am Abend des Anschlags so schnell medizinische Hilfe geleistet werden konnte. Unfallchirurgen, DRK-Helfer, Feuerwehrleute und Katastrophenschützer seien privat auf dem Weihnachtsmarkt gewesen und hätten deshalb ohne Verzögerung durch Anfahrtswege helfen können.