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AfD und Neue Rechte AfD und Neue Rechte: Warum Alice Weidel bei Götz Kubitschek in Schnellroda auftritt

Von Alexander Schierholz 18.09.2019, 02:00
Alice Weidel, Co-Vorsitzende des AfD-Bundestagsfraktion
Alice Weidel, Co-Vorsitzende des AfD-Bundestagsfraktion dpa

Schnellroda - Sollte die AfD Ratschläge benötigen, kann sie bei Götz Kubitschek nachlesen. Nur einen Tag nach den Wahlerfolgen der Partei in Sachsen und Brandenburg Anfang September nennt der neurechte Verleger aus Schnellroda (Saalekreis) in einem Blog-Beitrag die Wahlen einen „Meilenstein“. Und gibt der Partei gleich Tipps mit auf den Weg - Kräfte sammeln in der Opposition, neue Mitglieder und Mitarbeiter rekrutieren, wankelmütige rechte Christdemokraten für sich gewinnen.

Auf der rechten Online-Plattform „Ein Prozent“, eine Art Online-Sprachrohr des rechtsintellektuellen Milieus, bedankt sich der Brandenburger AfD-Spitzenkandidat Andreas Kalbitz noch am Wahlabend in einem Video bei allen, die das Wahlergebnis möglich gemacht haben. Dabei nennt er ausdrücklich auch „Ein Prozent“.

AfD und die Neue Rechte: Erst Skepsis, nun Wohlwollen

Die AfD und die Neue Rechte - nach den Höhenflügen der Partei in Sachsen und Brandenburg demonstrieren sie den Schulterschluss.

In Teilen der neurechten Szene habe lange Zeit Skepsis gegenüber Parteien geherrscht, sagt Szene-Beobachter David Begrich von der „Arbeitsstelle Rechtsextremismus“ in Magdeburg. Mittlerweile werde die Partei aber mit kritischem Wohlwollen begleitet.

Das Milieu suche nach einem politischen Akteur, der zum „Transmissionsriemen“ seiner Inhalte werden könne, sagt Begrich. Kubitschek sieht in seinem Blog angesichts der jüngsten Wahlerfolge der AfD sogar schon eine „politische Wende in Deutschland“ heraufziehen.

Vor diesem Hintergrund könnte der kommende Freitag noch einmal ein ganz anderes Gewicht bekommen: Die AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel spricht bei der „Sommerakademie“ des von Kubitschek mitgegründeten „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda, eine Denkfabrik der Neuen Rechten.

Als Thema im Programm ist „Politik in Berlin“ vermerkt. Der Termin steht schon lange fest, doch nun kann Weidel als große Gewinnerin auftrumpfen.

Schon mehrere AfD-Politiker waren in Schnellroda zu Gast, etwa Weidels Co-Fraktionschef im Bundestag, Alexander Gauland, der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, Thüringens Landeschef Björn Höcke. Nun also Weidel.

Kubitschek sei „eine sehr wichtige Figur für das rechtskonservative Spektrum unserer Partei - auch wenn er nicht Mitglied der AfD ist“, hatte sie im August gesagt. Eine Anfrage der MZ vor dem Hintergrund der jüngsten Wahlerfolge lässt sie unbeantwortet. Auch Kubitschek will sich nicht äußern.

Alice Weidel und Björn Höcke: So rauften sich die AfD-Politiker zusammen

Ausgerechnet Weidel. Die den Kubitschek-Vertrauten und Partei-Rechtsaußen Höcke noch im Februar 2017 aus der Partei werfen lassen wollte. Sie hatte damals ein Ausschlussverfahren des Bundesvorstandes gegen den Thüringer unterstützt.

In diesem Sommer dann soll Weidel mit Höcke, vermittelt durch Kubitschek, eine Art Nichtangriffspakt geschlossen haben, was sie allerdings dementiert. Höcke ist Mitbegründer und Kopf der rechtsnationalen Parteiströmung „Der Flügel“, die gerade in den ostdeutschen Bundesländern so mächtig ist, dass niemand an ihr vorbeikommt.

„Der ,Flügel’ ist im Osten das Machtzentrum der Partei“, sagt Szene-Beobachter David Begrich. Wer bei seinen Anhängern punkten wolle, müsse Schnellroda als Bühne nutzen. Weidel wisse das.

Das „Institut für Staatspolitik“ gilt als eine Art Ideologie- und Taktik-Tankstelle für den rechten Flügel der AfD, sein Mitbegründer Götz Kubitschek als Vordenker der rechtsintellektuellen neurechten Szene. Die Verbindungen sind eng: Höcke hat mal gesagt, er sei mit Kubitschek befreundet, Schnellroda hat er eine „Oase der geistigen Regeneration“ genannt.

Als die AfD vor dreieinhalb Jahren, im März 2016, bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ihr damals bestes Ergebnis einfährt, ist Götz Kubitschek auch dabei: Gemeinsam mit dem damaligen Vorsitzenden und starken Mann der Landespartei, André Poggenburg, gibt er ein Interview im TV-Studio des rechtspopulistischen Publizisten Jürgen Elsässer.

Poggenburg ist mittlerweile in die politische Bedeutungslosigkeit gestürzt; nicht nur mit der AfD, auch mit der von ihm im Januar gegründeten rechten Kleinstpartei hat er gebrochen. Kubitschek ist immer noch da.

Und er streckt seine Fühler weit aus: Die Online-Plattform „Ein Prozent“, die einen neurechten Blog betreibt, hat er mitbegründet. Das „Institut für Staatspolitik“ hat zeitweise ein Büro im Haus der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ in Halle unterhalten.

Ob die Außenstelle noch existiert, ist unklar; Einladungen zu Veranstaltungen des Instituts in Halle sind schon länger nicht bekannt geworden.

Ohnehin ist es in der Öffentlichkeit still geworden um das, so die Eigenwerbung, „patriotische Zentrum“. Schon im April hatte einer der maßgeblichen Akteure aus der Anfangsphase des Hausprojekts, der heutige hessische AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Lichert, eingeräumt, außerhalb der eigenen Klientel erreiche man kaum Publikum.

Der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich sieht die Identitären als „jugendkulturelles Projekt“ gescheitert. „Aber als Durchlauferhitzer für die Rekrutierung von Nachwuchskadern sind sie erfolgreich“, sagt Begrich.

Vorbereiten aufs Regieren?

Das könnte nun, nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg, von Belang werden. Für ihre neuen großen Landtagsfraktionen braucht die AfD in Dresden und Potsdam reihenweise Mitarbeiter, darauf weist auch Kubitschek in seinem Blog hin.

Er schreibt dort, zum Glück werde es keine Koalitionsverhandlungen geben. Das bedeute weitere geschenkte Jahre.

Er meint wohl: So könne die Partei sich in Ruhe aufs Regieren nach den nächsten Wahlen vorbereiten.

Ob dieses Kalkül aufgeht? Das wird sich schon in eineinhalb Jahren exemplarisch zeigen: Dann wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt, wo die AfD schon seit März 2016 stärkste Oppositionsfraktion ist. (mz)