AfD-Politiker Gottfried Backhaus AfD-Politiker Gottfried Backhaus: Zwischen politischem Anspruch und Wirklichkeit

Allstedt - Der Wähler in Allstedt, in Gestalt von Eberhard Marx, hat nichts zu meckern. Was er denn seinem Landtagsabgeordneten mit auf den Weg geben will, wenn er ihn schon mal persönlich sprechen kann? Marx zuckt mit den Schultern, ihm fällt da nichts ein. Keine Probleme in Allstedt, 3.500 Einwohner, Kreis Mansfeld-Südharz?
Nein, sagt er. Und er muss es ja wissen: 65 Jahre alt, Mitglied im Heimatverein, seit mehr als 40 Jahren Abteilungsleiter Tischtennis beim SV Allstedt. „Ich bin hier bekannt wie ein bunter Hund“, sagt Marx.
Ist der Wähler zufrieden, freut sich der Abgeordnete. Gottfried Backhaus nickt und lächelt still in seinen grauen Rauschebart. Dann erklärt er dem Wähler Marx geduldig weiter, wie es so läuft im fernen Magdeburg.
Von null auf 9.670 Stimmen in einer Wahl
Gottfried Backhaus, 58, war selbstständiger Fahrlehrer und Orgelbauer, jetzt ist er Abgeordneter für die AfD. In den Landtag gespült von Volkes Zorn, von null auf 9.670 Stimmen, 33,1 Prozent, Direktmandat im Wahlkreis 40 Querfurt.
Montag für Montag klappert Backhaus die Dörfer und Städte ab im riesigen Wahlkreis, der von der Landesgrenze Thüringens bis kurz vor die Tore Halles reicht.
Dafür hat er sich einen blauen VW-Transporter gekauft, eine Art rollendes Bürgerbüro, finanziert aus der Kostenpauschale von 1.800 Euro, die Abgeordnete monatlich erhalten. Heute ist Allstedt dran. Es nieselt aus einem bleigrauen Himmel, das Thermometer zeigt vier Grad plus. „Schlecht“, murmelt der Abgeordnete, „wenn’s regnet, bleiben die Leute weg.“
Kann die Partei ihren Anspruch einlösen?
Die AfD ist angetreten mit dem Anspruch, die einzige wahre Politik „für die Bürger“ zu machen. Soll heißen: Die anderen können nix, nur wir kriegen das hin. Mehr als ein halbes Jahr nach dem Einzug in den Landtag stellt sich die Frage: Kann die Partei diesen Anspruch einlösen?
Die Antwort von Backhaus darauf lautet kurz und bündig: Ja. Dabei hat er dem Wähler Marx doch gerade erklärt, dass das alles nicht so einfach ist. Dass die anderen Fraktionen „durchweg alles ablehnen, was wir einbringen“.
Neulich ging es um die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta. Da habe, erregt sich Backhaus, die Koalition im AfD-Antrag einfach einen Satz umgestellt, einen Änderungsantrag neu eingebracht, „dann ging das durch“.
Freilich: Wer sich einmal die Mühe macht und die Anträge vergleicht, sieht deutlich größere Unterschiede als nur einen umgeschriebenen Satz. Zudem kam der zweite TTIP-Antrag nicht von der Koalition, sondern von der Linken.
Magere Bilanz seit den Landtagswahlen im März 2016
Doch mit diesen Details hält sich Backhaus in Allstedt nicht auf und fährt fort: So gehe das ständig im Landtag. „Eigenartig“, murmelt der Wähler Marx. Opposition ist Mist, würde SPD-Urgestein Franz Müntefering da wohl sagen.
Zur Wahrheit gehört auch, dass die persönliche politische Bilanz des Abgeordneten Backhaus bisher eher mager ausfällt: zwei Reden im Landtag, dazu eine Wortmeldung in der Fragestunde. Parlamentsanfragen, in denen Backhaus der Landesregierung unangenehm auf den Zahn fühlte könnte, stellte er bislang nicht.
Bei einer Demonstration am Mittwochabend in Magdeburg hat sich die AfD Vertreter der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ auf die Bühne geholt. In Pausen zwischen Redebeiträgen traten eine Frau mit dem Namen „Melanie Halle“ als Sängerin sowie ein Mann am Klavier auf. Beide outeten sich als „Aktivisten“ der Identitären. Nach einem Bericht der „Zeit“ sang Melanie Halle bereits bei der Wahlparty der AfD Anfang September in Schwerin - dabei hatte der Parteivorstand im Sommer beschlossen, dass mit der Bewegung nicht zusammengearbeitet werde. Erst am vorigen Wochenende war AfD-Landeschef André Poggenburg gemeinsam mit einem führenden Identitären aus Österreich bei einer Konferenz in Berlin aufgetreten. Der MZ hatte Poggenburg erklärt, die AfD wolle „gesprächsbereit in alle Richtungen“ sein.
„Er ist vielleicht nicht der große Redner, aber ein fleißiger Arbeiter“, sagt seine Frau Claudia in Allstedter Nieselregen. Sie ist seine treue politische Begleiterin, arbeitet ehrenamtlich in seinem Büro auf seinem Grundstück in Langeneichstädt. Fest anstellen darf er sie nach den Regularien des Landtags nicht.
Gottfried Backhaus: „Theater dient der Nationalbildung“
1. Juni, Premiere für Backhaus: Im Landtag hält er seine erste Rede, es geht um die Finanzierung der Theater- und Orchesterlandschaft. Backhaus kritisiert, die Kultur in Sachsen-Anhalt werde „schlicht und einfach heruntergefahren“.
Brisant ist das zunächst nicht, doch dann wird es unruhig im Parlament. Backhaus sagt: „Im Vergleich zu den Unsummen, die unsere Regierung für die sozialstaatlichen Umsorgungsmaßnahmen - so will ich es einmal bezeichnen - unserer Wohlstandsflüchtlinge ausgibt“, seien die Kulturkürzungen lächerlich.
„Jetzt kommt’s“, ruft der SPD-Abgeordnete Andreas Steppuhn dazwischen, CDU-Frau Angela Gorr ist zu hören: „Das passt aber in diesem Zusammenhang nicht!“ Unruhe, notieren die Landtags-Stenografen.
Und Backhaus sagt in die Mikrofone, „Theater dient der Nationalbildung“, müsse „volkspädagogischen Charakter“ haben. „Manipulatives Theater“, wie es teils in Sachsen-Anhalt gemacht werde, sei ein Problem.
„Wir als AfD planen keine Zensur. Das heißt aber nicht, dass wir alles fördern müssen.“ Aber, so Backhaus, zum Glück sei die Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt „nicht ganz so links-versifft“. Eine gute Sache, so ist das wohl zu verstehen.
Kein Handschlag von den Linken
Im Allstedter Regen drückt sich Backhaus unter die Markise eines Bekleidungsgeschäfts, es gibt Frottee-Pullover und Hausschuhe. „Ich bin überrascht, wie viel Gegenwind da im Landtag bei den Reden weht.“
Er müsse gestehen, er habe sich im Vorfeld des AfD-Einzugs keine Debatte angeschaut. Als ihm die CDU-Abgeordnete Gorr bei seiner ersten Rede empfiehlt, selbst mal häufiger ins Theater zu gehen, wirkt Backhaus düpiert.
Hat er sich die Arbeit so vorgestellt? „Mir war schon klar, dass wir auf Widerstand stoßen werden, weil wir von der AfD sind.“ Pause. „Man will uns nicht zuhören. Aber dass das auch ins Persönliche geht, hätte ich nicht gedacht.“ Er erzählt vom Ausschuss für Bildung und Kultur, in dem ihm die Kollegen von der Linkspartei den Handschlag verweigern würden.
Gottfried Backhaus: „Die wenigsten Gespräche und Probleme haben mit meiner direkten Arbeit zu tun.“
Und seine Wähler an der Basis? Vielleicht wollen die auch gar nicht so viel wissen von der Theater- und Orchesterlandschaft oder vom Elbe-Biber, um den es neulich im Landwirtschaftsausschuss ging. Dort sitzt Backhaus auch.
Wer zu ihm ins rollende Bürgerbüro kommt, in Allstedt, in Querfurt oder in Mücheln, erzählt von Problemen mit Hartz IV, mit der Rente oder mit der Krankenkasse.
„Viele wollen einfach nur mal Luft ablassen“, sagt Backhaus. Dann schreibt er Briefe, bittet Behörden um Termine. Gottfried Backhaus, der Kümmerer, so sieht er sich gerne.
Aber: „Ich muss schon zugeben, die wenigsten Gespräche und Probleme haben etwas mit meiner direkten Arbeit zu tun.“ Konkrete Zusagen kann er selten machen. Eine ältere Dame in Querfurt habe ihm geklagt, dass sie von der Krankenkasse keinen Zuschuss für eine Gehhilfe bekomme, berichtet er. „Wir haben das weitergeleitet, ich hoffe, dass etwas daraus wird.“
Schuld sind die anderen
Wer Gottfried Backhaus sucht, kann ihn auf seiner Facebook-Seite finden. Dort postet er allerlei: zu verschärften Sicherheitsgesetzen, zum gefälschten Lebenslauf einer SPD-Bundestagsabgeordneten, zur Christenverfolgung - schließlich ist er „kirchenpolitischer Sprecher“ seiner Fraktion und gehört der „Bundesvereinigung ,Christen in der AfD’“ an.
Über seine Arbeit im Wahlkreis und im Landtag findet man dagegen kaum etwas. Auch öffentlich ist der AfD-Mann in seinem Wahlkreis bisher wenig in Erscheinung getreten.
Backhaus hat für all das seine eigenen Erklärungen: Zu wenige Mitarbeiter für Facebook; Medien, die nicht über die AfD berichten; Vermieter, die der Partei keine Räume für Bürgerversammlungen zur Verfügung stellen; Veranstaltungen, zu denen er nicht eingeladen wird. Was hängen bleibt, ist: Schuld sind die anderen.
Wir schicken hier niemanden weg
So fühlt sich der Volksvertreter, der doch Politik fürs Volk machen will, geschnitten. Dabei sieht er sich als Gesprächspartner für alle. In Allstedt tritt ein gedrungener Mann mit Mütze ans AfD-Mobil.
Als er das Parteilogo erkennt, sagt er mit kräftiger Stimme: „Der Nazi vom Dienst.“ Es ist unklar, ob er Backhaus meint, oder sich selbst, oder jemand anderen. Er sei ehemaliger NPD-Politiker, heute fast 84 Jahre alt, und habe zuletzt AfD gewählt.
„Ich bin Bismarck-Deutscher“, erklärt er. Was das bedeuten soll, bleibt im Trüben. „Lasst euch eure Partei nicht kaputtmachen.“ Er nimmt ein Exemplar der AfD-Zeitschrift „Blauer Aufbruch“ und geht. „Wir schicken hier niemanden weg“, sagt Claudia Backhaus. „Das sind ja auch unsere Wähler.“
(mz)