Landtagswahl in Sachsen-Anhalt Wahlsieger Reiner Haseloff - Der Moderator im Karrierehoch
Magdeburg - Eigentlich wollte Reiner Haseloff nach seiner zweiten Amtszeit abtreten, wie sein Vorgänger Wolfgang Böhmer. Doch im Herbst vorigen Jahres entschied sich der 67-Jährige noch einmal anzutreten - und wurde am Sonntag mit einem sensationellen Wahlsieg dafür belohnt. Als erster Ministerpräsident Sachsen-Anhalts steht Haseloff nun vor einer dritten Amtszeit.
Damit startet der Wittenberger im letzten Abschnitt seiner langen politischen Karriere noch einmal kräftig durch: Schon seine Rolle in den Verhandlungen um den Kohleausstieg hatte ihm in der Bundespartei viel Respekt eingebracht. Im Herbst übernahm er turnusmäßig die Präsidentschaft im Bundesrat, die er sichtlich genießt, und stieg im Januar erstmals ins CDU-Bundespräsidium auf.
Haseloff überrascht in Sachsen-Anhalt mit Top-Ergebnis
Sein alle Erwartungen übertreffender Sieg dürfte Haseloff in der Bundespartei nun noch mehr Gewicht einbringen: Kein anderer Christdemokrat erreichte im Osten zuletzt ein auch nur annähernd so starkes Ergebnis, niemand sonst konnte die AfD so deutlich auf Distanz zur CDU halten. Sein Freund und Wahlkämpfer Friedrich Merz nennt Haseloff „das Gesicht der CDU im Osten“ - diesen Titel kann ihm nun keiner mehr streitig machen.
Haseloff ist gläubiger Katholik, promovierter Physiker und Großvater. Seinen Kaffee trinkt er schwach und süß - mit Milch und drei Stück Zucker. Für komplizierte technische Vorgänge kann er sich ebenso begeistern wie für Geschichte und Antiquitäten. In Antiquariaten stöbert er gern in uralten Büchern. Als Polizisten in einem Keller in Sachsen-Anhalt jüngst mehrere Maya-Skulpturen fanden, ließ er es sich nicht nehmen, die Fundstücke mit geradezu kindlicher Begeisterung selbst zu bestaunen, bevor sie zurück nach Mexiko geschickt worden.
Sein Interesse an Geschichte passt gut zum glühenden Lokalpatriotismus des Ministerpräsidenten. Bei jeder Gelegenheit preist Haseloff die reiche Geschichte des heutigen Sachsen-Anhalts, mit seinen Kaisern, Reformatoren, Künstlern und Erfindern. Seine Heimatstadt, die Reformationsstadt Wittenberg, sei neben Berlin die bekannteste deutsche Stadt der Welt, sagt Haseloff.
Reiner Haseloff setzte im Wahlkampf auf Stabilität für Sachsen-Anhalt
Die vielen Westdeutschen in ostdeutschen Führungspositionen sind ihm ein Dorn im Auge - auch am Kabinettstisch, wo er zuletzt der einzige gebürtige Sachsen-Anhalter und einer von nur zwei gebürtigen Ostdeutschen war. Anders als die Linke, die diese Ungleichheit zum zentralen Wahlkampfthema gemacht hat, drängt Haseloff mit dem Wunsch nach mehr Landeskindern in Verantwortung kaum in die Öffentlichkeit.
Überhaupt ist Haseloff kein Mann der markanten Slogans oder großer Kontroversen - sein zentrales Thema ist die Regierung selbst: Eine stabile Regierung aus der Mitte. Die Kenia-Koalition zusammenzuhalten, war in den vergangenen Jahres die schwierigste und wichtigste Aufgabe des 67-Jährigen und sie ist ihm gelungen. Folglich wirbt er vor allem mit dem Stabilitätsversprechen und vermeidet es, wo immer es geht, sich inhaltlich festzulegen oder gar mit zugespitzten Positionen seine potenziellen Koalitionspartner zu verprellen.
Das machte ihn für seine Bündnispartner - ähnlich wie Angela Merkel für ihre - zu einem schlecht greifbaren Gegner im Wahlkampf. Haseloff wirbt auch mit den Verdiensten seiner roten und grünen Minister und macht ihnen damit ihre Themen streitig. Wann immer die ihn im Wahlkampf attackieren, sagt er einfach, er wolle das gemeinsam Erreichte nicht schlechtreden. Haseloff will nicht nur für eine konservative Innenpolitik gewählt werden, sondern auch wegen steigender Löhne und des Ausbaus Erneuerbarer Energien.
Haseloff hielt schwierige Kenia-Koalition fünf Jahre lang zusammen
Die inhaltliche Flexibilität, die Haseloff in seiner Kenia-Koalition an den Tag legte und legen musste, wird er nun auch in den Sondierungsgesprächen mit SPD, Grünen und FDP brauchen. Erneut ist Haseloff auf zwei andere Parteien angewiesen, um weiter zu regieren. Dafür wird er den anderen Parteien, die für seinen Erfolg gegen die AfD Stimmen lassen musste, Zugeständnisse machen müssen.
In der Koalition mit SPD und Grünen ist ihm das gelungen, er brachte seine verhältnismäßig rechte CDU-Fraktion dazu, eine sozialdemokratische Sozialpolitik und eine grüne Umwelt- und Agrarpolitik mitzutragen und den Antifaschismus als Staatsziel in die Landesverfassung zu schreiben.
Mit wem Haseloff die nächsten fünf Jahre in Magdeburg regieren will, ließ er am Wahlabend offen. Mit wem er die meisten inhaltlichen Schnittpunkte hat, dürfte dabei eher zweitrangig sein: Für welche Inhalte er streitet, hat Haseloff nämlich weitestgehend für sich behalten. Sein einziges erklärtes Wahlziel war, stabil aus der Mitte weiter zu regieren. Der Machtpolitiker Haseloff dürfte in den nun anstehenden Gesprächen vor allem nach der Konstellation suchen, die am ehesten die vollen fünf Jahre der Legislaturperiode durchhält. Dann, mit 72 Jahren, soll aber wirklich Schluss sein.