Kommentar zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt Großer Sieg eines Unterschätzten
MZ-Chefredakteur Hartmut Augustin bewertet die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt.
Halle (Saale) - Reiner Haseloff ist auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere angekommen. Mit einer uneinheitlichen CDU Sachsen-Anhalt und wenig Rückenwind von der Bundespartei hat er dennoch und ganz klar die Landtagswahl gewonnen. Er hat etwas geschafft, was ihm die wenigsten in den vergangenen Wochen zugetraut haben: Die AfD auf Distanz zu halten und das noch deutlicher als vor fünf Jahren.
Für Haseloff, der sich oft im Vergleich mit anderen (westdeutschen) Ministerpräsidenten zurückgesetzt fühlt, ist es ein Tag voller Genugtuung. Der Unterschätzte hat es Deutschland gezeigt, wie man Wahlen in Pandemiezeiten überlegen gewinnen kann. Im Übrigen wird auch seinem Parteifreund Armin Laschet ein Riesenstein vom Herzen gefallen sein mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen. Denn nun kann der CDU-Chef den Sieg Haseloffs auch als seinen Sieg verkaufen.
Sachsen-Anhalt war einmal mehr besser als sein Ruf
Nicht nur Haseloff, sondern auch das gesamte Land Sachsen-Anhalt war am 6. Juni wieder einmal besser als sein Ruf: Die Populisten, die von einem Wahlsieg träumten, wurden klar deklassiert. Und im Gegensatz zu den beiden anderen Landtagswahlen in diesem Jahr war die Wahlbeteiligung nicht rückläufig. Die Demokratie hat gesiegt!
Haseloffs Strategie, im Wahlkampf nicht auf Einzelthemen zu setzen, sondern sich selbst und seine Frau in den Vordergrund zu schieben, hat sich für ihn und die CDU ausgezahlt. Immer mehr Menschen nehmen ihn als Landesvater wahr, der tagein, tagaus unterwegs ist, um mit den Leuten zu sprechen und der sich für ihre Sorgen und Nöte interessiert. Gerade in Corona-Zeiten kam das gut an. Seine teilweise deutliche Distanzierung von Bundesmaßnahmen zur Pandemiebekämpfung hat offenbar auch zum Wahlerfolg beigetragen.
SPD und Linke haben Rückhalt im Land verloren
Dennoch bleibt festzuhalten, dass die AfD nach der CDU zweitstärkste politische Kraft in Sachsen-Anhalt ist. Das selbst vor dem Hintergrund, dass die Grünen im Landtag bleiben und die FDP nach zehn Jahren wieder in den Landtag einziehen wird. Aber gerade die SPD und auch die Linkspartei - einst sehr starke Parteien in Sachsen-Anhalt - haben ihren Rückhalt in der Bevölkerung offenbar dauerhaft verloren.
Bereits vor fünf Jahren setzte dieser Abwärtstrend ein. Deshalb ist es umso unverständlicher, dass die SPD mit der wenig populären Spitzenkandidatin Katja Pähle ins Rennen ging. Die Partei stellt in der aktuellen Regierung immerhin eine Ministerin und einen Minister, die sich in der Kandidatenfrage aber vornehm zurückhielten. Etwas Ähnliches gilt im Übrigen auch für die Grünen, die vom Bundeshype der Partei nicht profitieren konnten. Statt die bekanntere - wenn auch umstrittene - Ministerin aufzustellen, trat die Partei mit Fraktionschefin Cornelia Lüddemann an. Ganz sicher werden SPD und Grüne daraus ihre Konsequenzen ziehen.
Nach dem Wahlabend ist klar, dass es mehrere Optionen für eine neue und stabile Landesregierung in Sachsen-Anhalt gibt. Nun ist aber auch klar, welche Aufgaben vor ihr liegen. Die Parteien müssen endlich erkennen, dass Wahlen nicht in den Großstädten Halle und Magdeburg gewonnen werden, sondern in den kleineren Städten und Gemeinden. Dort fühlen sich viele vernachlässigt, weil ihr Lebensumfeld immer schlechter geworden ist. Das muss sich ändern. Genauso wie die Tatsache, dass Sachsen-Anhalt ganz hinten beim Thema Digitalisierung ist. Es ist Zeit, neue und andere Wege zu gehen. Zum Beispiel mit einem Ministerium für Digitalisierung. (mz)
Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]