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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Kunstraub nach 17 Jahren aufgeklärt

Von Ralf Böhme 11.10.2012, 11:34
17 Jahre nach dem Diebstahl dieser wertvollen Stücke aus einer Kirche in Frankleben bei Merseburg hat die EKM sie zurückerhalten. (FOTO: DPA)
17 Jahre nach dem Diebstahl dieser wertvollen Stücke aus einer Kirche in Frankleben bei Merseburg hat die EKM sie zurückerhalten. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Magdeburg/MZ. - Fassungslos. Vor Glück. Das ist Albrecht Schunke, Gemeindekirchenrat in Frankleben. Er jubelt: "Es ist ein Wunder geschehen." Der Kirchenschatz ist wieder komplett. Damit kehrt auch die wertvollste barocke Kanne, die es in Mitteldeutschland gibt, wieder an ihren angestammten Platz zurück. Nun hat die Zeit des Bangens ein Ende, so Schunke - 17 Jahre nach dem Diebstahl durch Kirchenräuber im Saalekreis.

Acht Kannen, Becher, Teller und Kästen aus Gold, Silber und Zinn stehen auf einem strahlend weißen Tuch. Bettina Seyderhelm, die Konservatorin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland, streift Handschuhe aus besonders weichem Stoff über ihre Finger. Erst dann berührt sie die sakralen Gegenstände, teils über 300 Jahre alte Goldschmiedearbeiten. Aus ihrer Sicht handelt es sich um eine einzigartige Sammlung. Die Stücke erinnerten auf ihre Weise an die Kraft des Glaubens, gerade in schweren Zeiten.

Wer wüsste das besser als Albrecht Schunke und die drei Dutzend aktiven Christen in dem kleinen Dorf in der Nähe des Geiseltalsees. All die Jahre haben sie gebetet, dass die beim Abendmahl verwendeten Gerätschaften nicht endgültig verloren sind. "Wir haben immer gehofft, aber der Kripo fehlte die ganz heiße Spur", so Schunke. Die Riesenüberraschung passiert Ende September: Ein Kunsthistoriker erkennt die ihm von einem Händler vorgelegte Sammlung und verhindert damit ihren Weiterverkauf. Gottes Fügung oder ein glücklicher Zufall?

Diana Seeber-Grundmann, verantwortlich für die Erfassung sämtlicher Kunst- und Kulturgüter in den mehr als 2 200 Kirchen der Region: "Innerhalb weniger Tage konnten wir nachweisen, dass das Diebesgut kirchliches Eigentum ist." Als wichtigstes Merkmal erweisen sich Inschriften mit den Namen der Stifter. Die größte der Kannen stammt danach aus dem Jahr 1695 und ist ein Geschenk von Anna Margareta von Bose, der Patronin des Kirchenspiels. Auch ihr Mann, ein Beamter und Gutsherr, sowie einige der insgesamt 13 Kinder zahlen die teuren Rechnungen der Goldschmiede. Immerhin dauert es zwei Monate und mehr, bis damals eine solche reich verzierte Kanne fertiggestellt ist.

Beulen, Risse und viel Schmutz

Damit die Sammlung in neuem Glanz präsentiert werden kann, ist jetzt eine umfassende Restaurierung erforderlich. Laut EKM müssen vor allem Beulen und Risse beseitigt werden - Folgen der langen und offenbar unpassenden Lagerung in Verstecken. Außerdem sind alle Gegenstände stark verschmutzt, so dass eine gründliche Reinigung durch einen versierten Restaurator unumgänglich ist. Die Kosten übernimmt zum großen Teil die spendenfinanzierte Kirchenstiftung Kunst und Kulturgut. Bis zum Jahresende sollen diese Arbeiten bereits erledigt sein. Danach ist die offizielle Übergabe an die Kirchengemeinde in Frankleben geplant. Albrecht Schunke vom Gemeindekirchenrat glaubt, dass an diesem Tag die in den zurückliegenden Jahren sanierte Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt sein wird. "Oblaten aus dem historischem Behältnis, Wein aus der Stifterkanne - das wird ein ganz besonderer Abendmahlsgottesdienst." Und über einen Gast freue sich die Gemeinde ganz besonders: Harald von Bose. Landesweit ist der Jurist als Beauftragter für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt bekannt, nach Frankleben zieht es ihn in anderer Eigenschaft. Er ist Nachfahre der barocken Patronatsfamilie. Ganz in ihrem Sinn will von Bose nun auch die Restaurierung der Sammlung finanziell unterstützen, erklärte eine EKM-Sprecherin.

Wer sind die Räuber?

Trotz des Happy Ends bleibt eine Frage wohl für immer ungeklärt: Wer sind die Kirchenräuber? Dass es sich um mehrere Verbrecher handelt, darauf deuten die nach dem Diebstahl gesicherten Spuren. Allerdings spricht einiges dafür, dass die Akte des Ermittlungsverfahrens demnächst ins Archiv wandert. Vom Landeskriminalamt gibt es dazu zwar noch keine Stellungnahme. Aber aus Sicht der EKM ist der Fall erledigt, seitdem der Kunsthändler das Diebesgut freiwillig und ohne Gegenleistung übergeben hat. Weitere Angaben über den ostdeutschen Kunsthändler, der zum Erwerb der Kostbarkeiten mehrere Zehntausend Euro an Unbekannte gezahlt haben soll, will die EKM nicht machen. Nach ihren bisherigen Erfahrungen geht Kirchenkonservatorin Bettina Seyderhelm zudem davon aus, dass die eigentliche Straftat - Diebstahl in besonders schwerem Fall - inzwischen ohnehin verjährt ist.

Der Kirchenraub von Frankleben ist ein Teil in einer langen Kette ähnlicher Raubzüge. Kriminalhistoriker erklären die Zunahme kurz nach dem Mauerfall mit den vielfach nicht ausreichend gesicherten Kirchen. Inzwischen verfügen die meisten Gemeinden aber über Tresore, so eine EKM-Sprecherin. In einem Punkt ist sich Gemeindekirchenrat Schunke in Frankleben sicher: "Dieben lassen wir keine Chance."