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Verschwundene Industrie Verschwundene Industrie im Saalekreis: So ging es mit der Schafstädter Molkerei erst bergauf - und bergab

Von Robert Briest 20.01.2019, 11:01
Eine Ansicht aus dem Jahr 1912: Vom Pferdefuhrwerk aus verkaufte der Molkereimitarbeiter die Produkte.
Eine Ansicht aus dem Jahr 1912: Vom Pferdefuhrwerk aus verkaufte der Molkereimitarbeiter die Produkte. Repro/Peter Wölk

Schafstädt - An die Molkerei in Schafstädt kann sich Fritz Pfeiffer noch gut erinnern. „Ich habe hier als Kind noch selber Milch abgegeben“, erklärt der Senior. Seine Familie habe damals nur 500 Meter entfernt gewohnt. Fast jeder Haushalt habe seinerzeit zumindest eine Ziege gehabt. „An manchen Tagen haben wir da auch nur zwei Liter hingebracht.“

Als Pfeiffer, der sich mit der wirtschaftlichen Geschichte seiner Heimatstadt beschäftigt, Mitte des 20. Jahrhunderts mit der Milchkanne durch Schafstädt zog, befand sich die Molkerei bereits im Schlussdrittel ihrer gut 80-jährigen Existenz.

Geschichte der Molkerei in Schafstädt nahm schon 1883 ihren Anfang

Die nahm ihren Anfang am 8. April 1883 im Schafstädter Schützenhaus. Dort trafen sich an jenem Tag, so heißt es in einer Broschüre zum 50. Firmenjubiläum, die in der örtlichen Heimatstube ausliegt, neun Herren, um über die Gründung einer Molkerei-Genossenschaft zu beraten: „Der Hauptzweck des genossenschaftlichen Zusammenschlusses war, die im Argen liegende Milchwirtschaft gewinnbringend zu gestalten und die Wirtschaftsbroschüre zu entlasten“, verkündet die Festschrift.

Pfeiffer erklärt: „Schafstädt war landwirtschaftlich geprägt: viele Großbauern, viele Kühe. Das musste verwertet werden.“ Der Transport über weite Strecken, wie er heute praktiziert wird, sei damals angesichts der schwierigen Kühlung der Milch kaum möglich gewesen.

Molkerei in Schafstädt: Grundstück wurde der Zuckerfabrik abgekauft

Die Lösung dieses Problems für Schafstädt und die umliegenden Orte wie Steuden oder Wünsch nahm am 26. Juli 1883 konkretere Form an. Zu diesem Datum erfolgte die Gründung der Genossenschaft. Ihre Milch konnten die Landwirte allerdings noch nicht abgeben.

Die Chemie ist heute das wirtschaftliche Aushängeschild der Region zwischen Querfurt und Günthersdorf. Doch im Laufe der vergangenen anderthalb Jahrhunderte waren für die einzelnen Städte und Dörfer noch ganz andere Wirtschaftszweige prägend. Sei es das Eisenwerk von Schafstädt, die Papierfabrik in Merseburg oder die Zuckerproduktion in Vitzenburg. Die MZ hat sich auf die Spurensuche begeben und beleuchtet an dieser Stelle jede Woche verschwundene Unternehmen oder Wirtschaftszweige.

Der erste Vorstand, bestehend aus Hermann Hochheim, Hermann Stoeber und Georg Weidlich, musste erstmal ein geeignetes Areal finden. Schließlich einigte man sich auf das Grundstück an der Grünen Straße, auf dem der Molkereibau, heute als Wohnhaus genutzt, noch immer steht. Für 2.000 Mark je Morgen kaufte man es der Zuckerfabrik ab. „Die Molkerei war stark abhängig von Wasser“, berichtet Pfeiffer. Da sei es günstig gewesen, dass das Grundstück nebenan über einen Brunnen verfügte.

Molkerei in Schafstädt: Mit dem Käse gab es Probleme

Bereits im Februar des Folgejahres konnte die Molkerei dann ihre Produktion aufnehmen. Neben Frischmilch stellte die Molkerei etwa Quark, Sahne und Butter her.

Auch mit Käse versuchte man es, was anfänglich offenbar von wenig Erfolg gekrönt war: „Die Käserei brachte oft nicht die gewünschte und erwartete Verwertung“, wird in der Jubiläumsschrift bilanziert. Der aus der Zentrifugenmagermilch hergestellte Käse habe nicht den rechten Anklang bei den Kunden gefunden. Deshalb wurden Mager- und Buttermilch nach wenig erfolgreichen Versuchen, sie zwangsweise an die Milchlieferanten abzugeben, später für die Mast eingesetzt. Allerdings auch das nur mit mäßigem Ertrag, wie der Autor der Festschrift einräumt.

Frische Milch aus Schafstädt wurde von der Kutsche aus verkauft

Für die absatzfähigen Produkte hatte die Molkerei ganz unterschiedliche Wege: Pfeiffer deutet auf ein Bild. Es zeigt einen Mitarbeiter, der im Jahr 1912 vor einem Kutschgespann mit Kastenwagen steht: „Das ist immer durch Schafstädt gefahren, hat die Milch literweise verkauft.“

Später sei der Vertrieb der Molkereiprodukte dann in einem Laden am Markt erfolgt. Teile der Ware gingen aber auch über die Ortsgrenzen hinaus, insbesondere die Frischmilch vertrieb die Molkerei bis nach Merseburg und in die nahen Großstädte.

In ihrem Jubiläumsjahr 1933 bezeichnete sich die Schafstädter Molkereigenossenschaft als die älteste ihrer Art in der Provinz Sachsen. Pfeiffer geht davon aus, dass sie in der Spitze bis zu 30 Mitarbeiter zählte. Als weiteres Indiz für die Bedeutung der Schafstädter Molkerei, deutet Pfeiffer, dass diese nach dem ersten Weltkrieg verpflichtet worden sei, ihr Pendant in Merseburg zu übernehmen.

In den 1960ern war dann jedoch Schluss in Schafstädt. Das genaue Schließungsdatum ist Pfeiffer nicht bekannt, dafür aber der Grund: „Man konnte die Milch jetzt kühlen. Sie wurde gesammelt und dann gekühlt nach Merseburg gebracht.“ (mz)

Das alte Molkereigebäude ist heute ein Wohnhaus.
Das alte Molkereigebäude ist heute ein Wohnhaus.
Peter Wölk
Die jährlichen Produktionsmengen sind akribisch dokumentiert.
Die jährlichen Produktionsmengen sind akribisch dokumentiert.
Repro/Peter Wölk
Ein Blick ins Innere der Molkerei.
Ein Blick ins Innere der Molkerei.
Repro/Peter Wölk