MZ-Künstlerserie Schelmisch, aber mit Tiefe zeigt sich Wallwitzer
Trotz finanzieller Unsicherheiten ist Bernhard Michel der Kunst treu geblieben und hat nach 82 Jahren immer noch kein Ende im Blick.
Wallwitz/MZ - Bernhard Michel verkörpert einen Künstler, wie man ihn aus Filmen kennen mag – Alkohol, Zigaretten und Geliebte spielen in seinem Werdegang eine nicht zu missachtende Rolle. Während der 82-Jährige auf sein bisheriges Leben zurückblickt, fallen ihm zahlreiche erzählenswerte Geschichten ein. Heute ist er als Maler und Grafiker im Saalekreis bekannt, doch auf dem Weg dahin durchlief Michel mehrere Stationen.
Als geborener Weimarer und Sohn eines Organisten und einer Sängerin wurde ihm die Kunst in die Wiege gelegt. Noch im Kindesalter zog er mit seiner Familie nach Halle. „Schon als kleiner Junge habe ich gerne gemalt. Die Bibel zählte zu meinen Lieblingsbüchern.
Damals noch nicht wegen der Texte, sondern wegen der Bilder“, erläutert Michel. Die Schule sei nichts für ihn gewesen. „Der Rückweg war das Beste“, sagt er scherzhaft. Er habe nur in der letzten Reihe gesessen und gezeichnet.
Mit nur 14 Jahren begann er eine Lehre als Klempner und Installateur. „Niemand wollte Klempner werden. Ich hatte schlechte Noten, mein Vater ist im Krieg gefallen, und meine Mutter hat geschaut, wo sie mich unterbringen kann.“ Aber er brauchte Geld, um sich über Wasser zu halten.
Währenddessen besuchte er jedoch in den Abendstunden regelmäßig einen Zeichenzirkel. Dort wurde gezeichnet, was man vor sich sah, und dann wurden noch die Arbeiten, die man zu Hause fertigte, ausgewertet. „Es herrschte eine konzentrierte Stille. Man konnte richtig das Knistern der Blätter hören“, erinnert sich der 82-Jährige zurück.
Im Anschluss an seine Ausbildung arbeitete er als Rundfunkmechaniker und Fernmeldekabelmonteur. „Ich habe auf Montage gelernt, auf kleinstem Raum zu malen“, sagt Michel. „In einem Campingbeutel hatte ich eine Mappe, Streichhölzer und Tusche. Daraus hat sich dann ein eigener Stil entwickelt.“ Das sei ein Grund dafür, warum er heute noch eher kleinere Bilder malt.
Der Künstler bezeichnet die damaligen Jahre auch als Burschenzeit. „Das waren wilde Zeiten, wir waren nur unterwegs, haben gesoffen, gequalmt und dann auch das erste Mal geheiratet.“ Doch er wollte eine Veränderung. Seine Frau, Lehrerin, bekam einen Job in Wittenberg. Michels Mutter riet ihm, ans Theater zu gehen, wenn er gar nicht weiter wüsste. „Im Nachhinein war das mein größtes Glück“, betont er.
Von 1960 an arbeitete er als Beleuchter am Theater in Wittenberg. Doch die Malerei kam nie zu kurz. Er befand sich in einem Umfeld, in dem viel gemalt und gedichtet wurde. Auch heute dichtet er manchmal noch Schüttelverse. Erstmals bekam er als Volkskünstler Preise und Anerkennung für seine Werke. „Lob ist ganz schön, man sollte aber nicht darauf aus sein“, meint der heutige Wallwitzer.
In seiner Zeit am Theater lernte er jede Menge Leute kennen und stand in einem regen Austausch, bis er sich beim Verband Bildender Künstler bewarb – und angenommen wurde. „Es war wieder Zeit für etwas Neues. Arbeit, Familie mit zwei Kindern und Malen, das war heftig.“ Nach einem weiteren Umzug nach Gardelegen und einer Trennung landete er schlussendlich wieder in Halle. Seit 1986 ist er als freischaffender Künstler in der Händelstadt tätig. Seit 1997 in Wallwitz.
Auf seiner Reise wandte er verschiedene Techniken an. Die Radierung nimmt dabei einen großen Part ein, doch auch als Grafiker war er tätig. Ebenso fertigt er Aquarelle, Tusche und Ölmalereien an. „Meine Hände müssen auch mal richtig arbeiten. Deswegen arbeite ich auch mit Zement“, ergänzt Michel.
Seine Werke sind schlussendlich Produkte für ihn. Dennoch kämen seine Gefühle und Gedanken mit rein, wenn auch manchmal unbewusst. „Es ist wie ein eigenes Gespräch mit der Welt.“ Er betrachtet die künstlerische Arbeit als Spiel: „Man muss die kindliche Naivität wahren. Alles, was ich in die Finger bekomme, versuche ich zu verwerten.“
Das spiegelt sich in den Arbeiten wieder. Er schafft schelmische Karikaturen, aber auch Werke mit einem tieferen Sinn. Michel sieht seine Bilder nicht als fertig an. Sie müssen offen bleiben. Regelmäßig dreht er sie um, um sie aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Meistens haben sie dann auch eine andere Bedeutung.
Seine Bilder landeten in zahlreichen Kunstausstellungen innerhalb Deutschlands. Aber auch in Budapest, Moskau, Neu Delhi und anderen Städten der Welt waren sie zu sehen. Weitermachen will er, bis es nicht mehr geht. „Ohne Arbeit kann ich nicht“, sagt er.