Aktion gegen Hetze im Netz #NichtEgal: Der dunkle Parabelritter gegen Hetze im Netz

Querfurt - Mobbing, Schikane und Beleidigungen hat Alexander Prinz in seinem Leben schon oft erlebt. Er leidet an einer schweren Augenkrankheit. Mit einem Jahr entwickelte sich bei ihm ein grüner Star.
„Das hat man mir natürlich immer angesehen“, sagt der 24-Jährige. In der Schule habe er deswegen viele kränkende Kommentare abbekommen.
„Kinder sind halt grausam“, sagt Prinz mit einem Lächeln. Doch dann wird er wieder ernst: „Zum Glück war das in der vordigitalen Zeit.“
Smartphones und soziale Medien seien während seiner Schullaufbahn noch nicht so verbreitet gewesen. „Heute allerdings bleiben Beleidigungen nicht auf dem Pausenhof, sie verfolgen dich bis ins Private.“ Das sei auch das Tückische daran: „Man kann diesen Dingen nicht mehr entkommen.“
#NichtEgal: Der dunkle Parabelritter wendet sich gegen Hetze im Netz
Seine Erfahrungen mit Mobbing und Beleidigungen erzählt Prinz am Dienstagvormittag im Gymnasium Querfurt. Vor ihm sitzen Schüler der siebten Klasse. Ein Smartphone hat eigentlich jeder von ihnen. In den sozialen Netzwerken kennen sie sich besser aus als im Tafelwerk. Prinz machte 2013 im Gymnasium Querfurt Abitur. Nun ist er zurückgekehrt.
Allerdings nicht als Absolvent oder Mobbing-Opfer. Der Sachsen-Anhalter ist Teil der Kampagne #NichtEgal, die vom Online-Videonetzwerk Youtube initiiert wurde. Seit 2016 gehen bekannte Youtuber, also Videoproduzenten, die auf der Plattform eine große Fangemeinde haben, in Schulklassen.
Dort reden sie mit den Jugendlichen über Netzkultur und wie Hass und Hetze verhindert werden können. Alexander Prinz ist eines der Gesichter dieser Initiative - sozusagen ein Ritter in edler Mission.
Denn seit 2012 betreibt er auf Youtube den Kanal „Der dunkle Parabelritter“. Der Name geht auf ein Ereignis aus seiner Schulzeit zurück. Damals bewaffnete er sich während einer Pause mit einem Zeigestock als Schwert und einer Parabelschablone als Schild (beides Utensilien für den Geometrie-Unterricht).
So ausgerüstet schlüpfte er in eben jene Rolle des Parabelritters. In seinen Videos befasst er sich allerdings nicht mit Mathematik, sondern mit der Rock- und Metal-Szene - also viel mit Musik, aber auch mit Randaspekten wie Schwertkämpfen oder dem Thema: „Wikinger - zehn unbekannte Fakten“.
Seinen Kanal haben 155.000 Menschen abonniert. Damit ist Prinz der erfolgreichste Youtuber aus Sachsen-Anhalt. Und diese Bekanntheit qualifizierte ihn auch für die #NichtEgal-Initiative.
Mit der Kampagne geht Youtube, die Tochterfirma des Internetriesen Alphabet (ehemals Google), eines ihrer größten Probleme an: Die Verbreitung von Hass, Hetze und anderen unerwünschten Inhalten in ihrem Netzwerk.
Das unterstreicht auch Lutz Mache. Bei Google ist er für die Medienpolitik im deutschsprachigen Raum mitverantwortlich. Er ist nach Querfurt gereist, um den Workshop am Gymnasium zu begleiten.
„Da Youtube eine Plattform ist, auf der sich viele Menschen an Diskussionen beteiligen, kommt es manchmal auch zu Grenzüberschreitungen“, sagt Mache. „Das Problembewusstsein dafür ist bei uns ganz klar da.“ Und der Verantwortung wolle man unter anderem mit #NichtEgal gerecht werden.
Schon länger stehen soziale Online-Netzwerke in der Kritik, weil auf ihren Plattformen Hass und Hetze verbreitet werden. Die Debatte gipfelte in Deutschland im Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das die Betreiber seit 1. Januar verpflichtet, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde zu löschen.
Darum beteiligen sich google und andere Konzerne an #NichtEgal
Allerdings sind die Internetportale auch daran interessiert, dass solche Inhalte gar nicht erst auf ihre Plattform gelangen. Youtube stellt das vor eine enorme Herausforderung.
Weltweit werden dort jede Minute 400 Stunden Videomaterial hochgeladen - nicht nur Schmink-Tipps und Vogelhäuschen-Bauanleitungen, sondern auch gewaltverherrlichende, pornografische oder beleidigende Beiträge.
Um die Ausbeute nur eines Tages komplett zu sichten, bräuchte eine Person allerdings fast 66 Jahre. „Es ist nicht möglich diese Menge an Daten vor Veröffentlichung zu überprüfen“, sagt Lutz Mache. Deswegen setzt Youtube auch auf ein automatisches Meldesystem. Ein Algorithmus scannt alle hochgeladene Videos. Werden dabei Inhalte entdeckt, die gegen die Hausregeln verstoßen, werden sie einem Youtube-Mitarbeiter vorgelegt und gegebenenfalls gelöscht.
Im ersten Halbjahr 2018 wurden so weltweit schon 17,6 Millionen Videos aussortiert. Der überwiegende Teil wurde dabei automatisch erkannt. Jedoch spielen auch die Meldung der Nutzer eine wichtige Rolle.
Mit #NichtEgal soll auch dafür sensibilisiert werden. Deswegen gehört zu den Workshops an Schulen, von denen bundesweit 60 stattfinden, auch die Ausbildung von Mentoren. Das sind in Querfurt höherklassige Schüler. Ihnen wird beigebracht, dass man Hassrede und Beleidigungen im Netz aktiv entgegen treten und die Absender möglichst auf persönlicher Ebene stellen sollte. Ihr Wissen geben sie an jüngere Schüler weiter. So soll sich ein respektvoller Umgang im Internet etablieren.
Zum Abschluss des Workshops werden noch Videos gezeigt, die die Siebtklässler produziert haben. In einem lesen sie vor der Kamera Hassbotschaften vor und sagen dann, was sie davon halten: „Es bringt halt nix, sowas zu sagen, das zieht halt sehr runter“, meint ein Mädchen. Und ein Junge erklärt: „Das ist sehr beleidigend. Ich finde, das könnte zu Cybermobbing werden.“
Alexander Prinz, der Parabelritter sagt, dass die Initiative nur der Anfang sein könne. „Es muss viel mehr Medienbildung in den Schulen geben.“ Denn dadurch würden die Jugendlichen beginnen, ihr eigenes Verhalten im Netz zu hinterfragen. Und das sei wichtig - allerdings nicht nur bei Schülern.
„Ich stoße regelmäßig in den Kommentaren unter meinen Videos auf Bemerkungen, in denen sich über mein Auge lustig gemacht wird“, erzählt Prinz. Seit er 18 Jahre alt ist, hat er ein Glasauge, das in seinen Videos auch deutlich zu erkennen ist.
Doch die Öffentlichkeit habe Prinz deswegen nie gescheut - was allein sein Engagement auf Youtube zeigt. „Wenn solche Kommentare kommen, dann rege ich mich nicht auf oder beleidige zurück.“ Das würden die Absender ja erwarten.
Stattdessen schreibt Prinz ihnen, dass man doch auf einem anderen Niveau weiter kommunizieren könne. „Und oft genug funktioniert das auch und sofort ist die Kommunikation entspannter“, sagt der Parabelritter. (mz)
