Nachts im Flughafentower Nachts im Flughafentower: Lotsen beweisen ihre Multitasking-Fähigkeit

Schkeuditz - Routiniert bewegt Robert Arnold den Zeiger der Computermaus über eine lange Liste auf dem Bildschirm vor ihm. Zeile für Zeile aus kryptischen Zahlen- und Buchstabenkombinationen schnellen vorüber. Hinter ihnen verbirgt sich ein Teil der Arbeit, die auf den Lotsen im Tower des Flughafens Leipzig/Halle in dieser Nacht wartet: „Allein in den nächsten 45 Minuten haben sich 14 Maschinen zur Landung angekündigt“, blickt er voraus, während einige der Flugzeuge, die Nacht für Nacht das DHL-Luftfrachtdrehkreuz ansteuern, bereits mit bloßem Auge am Himmel zu erkennen sind.
Aufgereiht wie an einer Perlenschnur nähern sich ihre Lichter dem Flughafen. Wenn der Flughafen Leipzig/Halle jeden Abend ab 22 Uhr so richtig zu Leben erwacht, dann hat das auch Folgen für den Saalekreis. Denn alle Flugzeuge, die Schkeuditz anfliegen oder bis zum frühen Morgen wieder verlassen queren früher oder später auch den Saalekreis - in mehr oder weniger großer Höhe. Vor allem im westlichen Kreisgebiet sorgt der Lärm der Maschinen seit Jahren für Ärger.
Fluglotse in Leipzig: In der Spitze landet oder startet alle zwei Minuten eine Maschine
„In der Spitze landet oder startet alle zwei Minuten eine Maschine“, erklärt Arnold von der Deutschen Flugsicherung zu den Intervallen. Nur in Köln/Bonn gebe es nachts noch einen halbwegs vergleichbaren Flugbetrieb.
Ob Wien, Stockholm, Madrid oder Hongkong - aus allen Himmelsrichtungen steuern Frachtflugzeuge den vergleichsweise kleinen Flughafen an. „Jetzt ist gerade Los Angeles gelandet“, kommentiert Arnold einen kurzen Funkkontakt zwischen einem seiner Kollegen und einem Piloten. Für Laien ist das Gesprochene unverständlich. „Es ist aber auch auf das Nötigste reduziert.“ Viel Zeit bleibt ja auch nicht, von der 70 Meter hohen Kanzel des zwischen Nordpiste und Autobahn 14 gelegenen Towers ist schon das nächste Flugzeug zu sehen.
Technische Ausstattung im Flughafentower Leipzig
Dank der technischen Ausstattung in dem rundum verglasten und komplett mit Monitoren ausgestatteten Turm wissen Arnold und seine vier Kollegen aber schon viel früher, mit welchen Flugzeugen sie es zu tun bekommen. Der Lotse deutet auf einen weiteren Bildschirm. Über den schwarzen Untergrund verlaufen zahlreiche Linien. Zwei große blaue Flecken symbolisieren auf dem Radar die Städte Halle und Leipzig, zwei weiße, gestrichelte Linien die Ein- und Abflugschneisen von Leipzig/Halle, an die sich grüne Zahlen- und Buchstabenreihen annähern.
„Das sind die Bezeichnungen der Flugzeuge, eine abnehmende Zahl in der zweiten Reihe zeigt zudem die Flughöhen“, erklärt er. Bis kurz vor dem Flughafen werden sie von Arnolds Kollegen in München auf den richtigen Kurs gebracht. „Wir übernehmen dann für einen kleinen Bereich, der sich in etwa zwischen Leipzig und Halle erstreckt“, erklärt der Fluglotse. „Ohne uns kommen die Flugzeuge zwar zum Flughafen, aber erst wir erteilen ihnen die Lande- beziehungsweise Starterlaubnis.“ Zudem müssen die Towerlotsen darauf achten, dass beim Anflug die Abstände groß genug sind und die Flieger auf die vorgegebene Parkposition rollen.
Lotsen erleben regelmäßig persönliche Höhepunkte am Himmel
Auch wenn vieles wie Routine wirkt, erleben die Lotsen regelmäßig persönliche Höhepunkten am Himmel: „Wenn der A400M landet, oder die Galaxy der Amerikaner zum Beispiel“, zählt Arnold auf. „Oder die Bullen wie heute Nacht.“ Gemeint ist ein Charterflug von RB Leipzig, das von einem Auswärtsspiel im Europapokal zurückkehrt. Da nicht immer alles glatt läuft, ist der Tower über drei große grüne Alarmknöpfe direkt mit der Flughafenfeuerwehr verbunden.
„Ich habe noch keinen größeren Zwischenfall erlebt“, sagt Arnold. Nicht alle Piloten hängen bei der Anmeldung technische Probleme an die große Glocke. „Aber wenn wir bei beim Funkkontakt raushören, dass etwas nicht normal läuft, schicken wir sicherheitshalber schonmal die Feuerwehr raus.“
Fluglotse - ein verantwortungsvoller Job
Es ist ein verantwortungsvoller Job, den Arnold und seine Kollegen erfüllen müssen. Alle drei Stunden ist eine mindestens 30-minütige Pause Pflicht. Nach fünf Diensten, gibt es drei Tage frei. Auch an die Auszubildenden werden hohe Anforderungen gestellt: „Die Bewerber brauchen Abitur, sehr gute Englischkenntnisse und dürfen maximal 24 Jahre alt sein“, erklärt Stefan Jaekel, Pressesprecher der Deutschen Flugsicherung.
95 Prozent der Bewerber fallen durch den Einstellungstest, in dem unter anderem das räumliche Orientierungsvermögen und die Multitasking-Fähigkeit überprüft werden. „Da das angeborene Fähigkeiten sind, kann man sich auch nur einmal bei uns bewerben“, betont Jaekel. Die hohe Verantwortung wird entsprechend vergütet: Das Einstiegsgehalt liege bei 6.000 Euro brutto. „Unsere Lotsen machen den Job aber nicht des Geldes wegen“, versichert Jaekel. (mz)