Kommunalparlamente konstituieren sich Kommunalparlamente konstituieren sich: Wie sich die Neuen vorbereitet haben
Braunsbedra/Merseburg - Seit dem 26. Mai gäbe es zu Hause eigentlich nur noch ein Thema: Kommunalpolitik, sagt Lisa Stöffgen. Das hängt mit einer eher spontanen Entscheidung der 30-Jährigen im März zusammen. Damals entschied sie, noch als Parteilose auf der Liste der Grünen für den Stadtrat Braunsbedra und den Kreistag zu kandidieren.
Vier Monate später zählt Stöffgen zu den weit über 100 Neuen, die in den nächsten Tagen im Saalekreis in den diversen konstituierenden Sitzungen von Kreistag, Stadt-, Verbandsgemeinde-, Gemeinde- und Ortschaftsräten auf ihre neue Aufgabe verpflichtet werden. Allein im Kreistag, dessen Personal zu mehr als der Hälfte wechselt, und in den höchsten Räten der Gemeinden im südlichen Saalekreis sind 134 von 282 Mandaten neu vergeben.
Seminar zum Kommunalverfassungsgesetz bei der Böll-Stiftung in Halle
Und so sitzt Lisa Stöffgen, wenn ihr jüngstes Kind schläft, nun über Protokollen alter Sitzungen, Satzungen und Beschlüssen, die die Grünen in anderen Städten durchgebracht haben: „Man muss ja nicht alles neu erfinden“, sagt sie. Nach der Wahl hat sie in Vorbereitung auf ihre neuen Aufgaben ein Seminar zum Kommunalverfassungsgesetz bei der Böll-Stiftung in Halle besucht. „Das war an Ratsneulinge gerichtet. Das hat sehr geholfen. Es ging etwa darum, welche Fraktion wann Zugriff auf Ausschusssitze hat.“
Stöffgen, mittlerweile Parteimitglied, hat ihre Fraktionen gefunden. Im Kreistag werden die vier Grünen wieder mit der Linken zusammenarbeiten. „In Braunsbedra machen wir eine sehr bunte Fraktion aus Linken, Grünen, FDP und einem Einzelbewerber.“ Sie sei froh gewesen dass die Linke gleich nach der Wahl auf sie zugekommen sei. „Es hilft natürlich mit Leuten zusammenzuarbeiten, die schon Erfahrung haben.“ Denn, so sagt die Studentin, sie habe schon die Hoffnung, dass sie im Rat etwas umsetzen kann. Auch wenn die Kommunalpolitik aus ihrer Sicht ein Feld ist, dass nicht ausreichend wertgeschätzt wird.
AfD: Die Partei hat im Saalekreis nun 59 Sitze
Michael Hell sagt, er sei, als er in Vorbereitung auf die Wahl begonnen hat die Sitzungen des Bad Dürrenberger Stadtrates zu besuchen, überrascht gewesen, wie wenig Bürger das machen. Der 51-Jährige zählt zur größten Gruppe von Neulingen: der AfD. Die Partei hat im Kreis nun 59 Sitze. Lediglich vier AfDler bringen politische Vorerfahrungen mit. Hell ist allerdings nicht unvorbereitet. Schon 2017 hätten sie mit der Gründung der Ortsgruppe die Vorbereitung auf die Wahl 2019 begonnen.
Er packt einen dicken blauen Aktenordner auf den Tisch. Darin hat er Gesetzestexte abgeheftet und Lehrmaterial von Seminaren. Gleich drei habe er besucht, eines von der AfD organisiert und zwei bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Bad Honnef. „Es war ein Aufwand, aber es hat sich gelohnt.“ Bei seinen Besuchen im Stadtrat seit 2018 habe er positive Erfahrungen gemacht. Einige Vertreter hätten stets die Chance genutzt, die AfDler zu begrüßen: „Man hat hier keine Scheuklappen“, lobt Hell. Auch nach der Wahl habe es Gespräche mit anderen Parteien gegeben. Letztlich bleibt die AfD jedoch erstmal unter sich.
Hell: „Man kann mit drei Leuten, nicht alles machen“
Mitte Juni hielten sie ihre konstituierende Fraktionssitzung ab, wählten Hell zum Vorsitzenden, besprachen, welche Ausschüsse sie besetzen wollen: „Man kann mit drei Leuten, nicht alles machen“, sagt der Ratsneuling. Dass seine Fraktion keine Vorerfahrung hat, sie er als Vor- und Nachteil: Man könne an manche Themen unvoreingenommener herangehen, dafür wüssten die gestandene Fraktionen, wann man wie welchen Antrag stellt.
Carl Pinkert möchte von solcher Erfahrung profitieren. „Ich tausche mich viel mit den erfahrenen Räten aus, habe online auch mal in die Ausschüsse reingeguckt oder mir die Ratssitzungen beim offenen Kanal angeschaut“, berichtet der CDU-Politiker, der mit 20 den Altersschnitt im Merseburger Stadtrat gewaltig drücken wird. Dass er so jung gewählt wurde, sieht er als „unglaublichen Vertrauensvorschuss“. „Den will ich in den nächsten fünf Jahren nicht verspielen.“
Die erste Fraktionssitzung hat er nun schon hinter sich. Dort hätten sie festgelegt, dass er in den Bildungsausschuss soll. Am Donnerstag beginnt dann das Abenteuer Kommunalpolitik im Merseburger Stadtrat auch offiziell, wobei: „Bei der konstituierenden Sitzung geht es ja erstmal um Wahlen und Organisatorisches. Die richtige Arbeit geht erst später los.“ (mz)