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„Im Moment schlafen die Würmer noch“ Holzwürmer werden in der Kirche Gollma mit Gasgemisch bekämpft

In der Kirche in Gollma werden Schädlinge mit einem Gasgemisch bekämpft. Warum das Gotteshaus deshalb besonders gesichert werden muss.

Von Claudia Crodel 29.04.2021, 06:27
Auch andere Kirchengemeinden haben Möbel und Artefakte aus Holz, die vom Holzwurm befallen sind,  in die Kirche gebracht.
Auch andere Kirchengemeinden haben Möbel und Artefakte aus Holz, die vom Holzwurm befallen sind, in die Kirche gebracht. (Foto: Claudia Crodel)

Gollma - Bereits von Außen sieht die Dorfkirche in Gollma (Ortsteil von Landsberg) derzeit seltsam aus. Die Türen sind mit einer dicken Folie überzogen und abgeklebt. Neben der Haupttür werden Schläuche und ein Elektrokabel in das Gebäude geführt. Auch dort ist alles abgedichtet. Jens Wehner von der Firma Groli bringt Schilder an den Eingangstüren an: Darauf sind ein Totenkopf im roten Viereck und allerlei Sicherheitshinweise zu sehen wie: Gefahr! Zutritt verboten! Sehr giftige Gase! Was ist da los, in dem doch sonst so friedlich da stehenden Gotteshaus?

In der Kirche ist der Wurm drin und das im wahrsten Sinne des Wortes. „Überall hat der Holzwurm sich breitgemacht, im Kirchengestühl, im Taufstein, sogar im Altar und der Orgel“, sagt Inge-Lena Wießner, die Vorsitzende des Gemeindekirchenrats. „Durch kleine Reparaturen ist das nicht mehr zu machen“, fügt Joachim Piechowiak hinzu, der ebenfalls im Gemeindekirchenrat ist. Deshalb habe sich die Gemeinde für eine professionelle Bekämpfung der Schädlinge entschlossen.

„Jetzt wollen wir nicht so lange warten, bis die Kirche eventuell verloren und nicht mehr zu retten wäre“

Man habe bereits wegen der großen Bauschäden das 1741 errichtete Pfarrhaus aufgeben müssen, weil die Kirchengemeinde eine Sanierung aufgrund der hohen anfallenden Kosten nicht stemmen konnte. „Jetzt wollen wir nicht so lange warten, bis die Kirche eventuell verloren und nicht mehr zu retten wäre“, erklärt Inge-Lena Wießner. So hat man die Groli Schädlingsbekämpfung GmbH, ein Spezialbetrieb aus Dresden, nach Gollma geholt. Der Auftrag war bereits im Herbst 2020 ausgelöst worden. „Wenn solche Holzschädigungen vorliegen, ist eine Begasung des gesamten historischen Gebäudes für einen nachhaltigen Schutz angebracht“, sagt Marco Müller, Geschäftsführer der Firma Groli.

Die Kirche in Gollma ist vom Holzwurm befallen.
Die Kirche in Gollma ist vom Holzwurm befallen.
(Foto: Claudia Crodel)

Dazu werde das Gebäude abgedichtet, bisweilen sogar komplett eingepackt. „Aber das brauchen wir in Gollma nicht zu machen. Die Bausubstanz ist so gut, dass eine Abdichtung von Fenstern und Türen ausreicht“, erläutert Müller. Nach der Abdichtung ist nun das Betreten strengstens verboten, denn ein längeres Einatmen des Gases - zum Einsatz kommt der Wirkstoff Sulfuryldifluorid - sei krebserregend. Deshalb wurden alle Schlüssel eingesammelt und sogar Türschlösser ausgetauscht. Sicher ist sicher.

„Im Moment schlafen die Würmer noch“

Die Kirchengemeinde hatte im Vorfeld der Aktion bei benachbarten Gemeinden und Restauratoren nachgefragt, ob sie vom Holzwurm betroffene bewegliche Dinge in die Kirche einstellen und auch begast haben wollen. „Bei uns machen Stühle aus der Winterkirche einige Probleme. Im Moment schlafen die Würmer noch, aber im vergangenen Sommer haben sich an den Stuhlbeinen kleine Haufen Sägemehl gebildet“, erzählt Matthias Weiske, Kirchenvorstand aus Osmünde. Deshalb hat er bereits am vergangenen Freitag die Stühle nach Gollma gebracht. Auch das Altarkreuz war dabei.

Jens Wehner hat die Eingangstür abgedichtet und bringt ein Warnschild an.
Jens Wehner hat die Eingangstür abgedichtet und bringt ein Warnschild an.
(Foto: Claudia Crodel)

Oliver Dietze, Restaurator aus Leipzig, der gegenwärtig den reich verzierten Taufstein der Gollmaer Kirche restauriert, hat nicht nur dessen Teile zur Begasung gebracht, sondern auch historische Stühle und ein Sofa. Die vielen kleinen Löcher, die die Holzwürmer hinterlassen, seien übrigens nur die Ausflugslöcher des flugfähigen Insekts, sagt Marco Müller. Die Larven, die fünf bis acht Jahre im Holz verbringen, verursachen die Schäden. „Und wenn die immer größer werden, kann es sein, dass Kirchenbänke zusammenbrechen oder die Statik eines Hauses so geschädigt ist, das es zusammenfällt.“

Noch am Montag ist das Gas in den Kirchenraum eingeleitet worden

Noch am Montag ist das Gas in den Kirchenraum eingeleitet worden. Dort muss es 72 Stunden bleiben, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Dann wird das Gas wieder abgesaugt und der Raum gelüftet. Am Freitag ist alles vorbei. Um die Funktionsfähigkeit der Begasung nachzuweisen, erfolgt eine messtechnische Überwachung und das Auslegen von Prüfkörpern, die an ein unabhängiges Labor in Eberswalde geschickt werden.

Marco Müller und seine Kollegen haben übrigens festgestellt, dass in den letzten 30 Jahren der Holzwurmbefall deutschlandweit generell zugenommen hat. Woran dies liegt, ist noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Das untersuche zurzeit die Fachhochschule Anhalt. (mz)