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"Flügel "der AfD "Flügel "der AfD: Radikale könnten bald vom Verfassungsschutz beobachtet werden

Von Jan Schumann und Jan Sternberg 08.03.2020, 18:09
Ein Polizeiauto fährt an dem Veranstaltungsgebäude in Schnellroda vorbei, in dem Veranstaltung der AfD stattfindet.
Ein Polizeiauto fährt an dem Veranstaltungsgebäude in Schnellroda vorbei, in dem Veranstaltung der AfD stattfindet. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Jetzt wird im Takt geklatscht in der Gaststätte „Zum Schäfchen“, etwa 150 Gäste stehen an den langen Tischen und heizen die Stimmung an. Sie müssen sich gedulden: Minutenlang spielt die Marschmusik, erst dann kommen die Fahnenträger herein. Und jetzt: Jene AfD-Männer, die als Spitze des „Flügel“ gelten. Also des radikalsten Zusammenschlusses in einer ohnehin weit rechts stehenden Partei.

Treffen in Schnellroda als „patriotische Feier ersten Ranges“

Am Freitagabend trifft sich der Flügel in Schnellroda im Saalekreis. Es ist ein Muskelspiel jenes Teils der Partei, der über die Jahre den Verfassungsschutz auf den Plan gerufen hat. Aus AfD-Sicht ist die Gästeliste prominent: Mit Björn Höcke und Andreas Kalbitz sind die Parteichefs aus Thüringen und Brandenburg da, eingefädelt hat dieses Flügel-Treffen in Sachsen-Anhalt der lokale AfD-Rechtsaußen Hans-Thomas Tillschneider. Er kündigt eine „patriotische Feier ersten Ranges“ an - allerdings hinter verschlossenen Türen. Unter Jubel preist Höcke hier am Abend den Flügel als eine Art Avantgarde der AfD.

Da brodelt das „Schäfchen“, durch die Reihen gehen „Höcke, Höcke“-Rufe. Der Austragungsort ist kein Zufall, in Schnellroda sitzt auch der ultrarechte Verleger Götz Kubitschek. Hier schult er Nachwuchskader, galt lange als Spiritus Rector der rechtsextremen Identitären Bewegung. Auch die Fahnen für den Einmarsch ins „Schäfchen“ dürften mit Bedacht gewählt sein und Hinweise auf geistige Traditionen des Treffens geben: Es sind Banner der Preußischen Ära. So ruft Tillschneider auch in seiner Rede: „Wir sind die Gemeinschaft der diszipliniertesten Soldaten dieser Partei!“ Und: „Wir sind die Preußen der AfD!“

Treffen in Schnellroda auch für den Verfassungsschutz interessant?

Auch der Verfassungsschutz dürfte sich für das Treffen am Freitag interessiert haben. Denn schon jetzt ist der Flügel ein Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus. Der Inlandsgeheimdienst sieht Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen. Als Belege zitierte er 2019 in einem Gutachten unter anderem Höcke und Tillschneider. Bereits jetzt darf der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Die AfD stellt den Geheimdienst hingegen als Kampfinstrument der Bundesregierung dar.

Dennoch: Die Entwicklung des Flügel kann dem Rest der Partei nicht egal sein. Er gilt als mächtigste Strömung, soll ungefähr ein Drittel der AfD ausmachen.

Wird die Gesamt-AfD womöglich zum Verdachtsfall hochgestuft?

In der Partei glauben mittlerweile viele, dass der Verfassungsschutz aufgrund der Radikalisierung bald durchgreift. Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR steht der Flügel kurz davor, zum offiziellen Beobachtungsobjekt hochgestuft zu werden. Dann stünde er auf einer Stufe mit der rechtsextremen NPD. In der Parteiführung schrillen deshalb die Alarmglocken. In einem Mitgliederbrief versuchten die zwei Co-Bundeschefs Jörg Meuthen und Tino Chrupalla am Wochenende, Parteifreunde zu beruhigen - für den Fall, dass der Flügel Beobachtungsobjekt und die Gesamt-AfD womöglich zum Verdachtsfall hochgestuft wird.

In Schnellroda protestieren etwa 170 Demonstranten gegen AfD-Treffen

In dem Schreiben, das der MZ vorliegt, formulieren die Parteichefs: „Wir merken durch viele Gespräche, die wir überall im Land führen, dass es gerade bei Ihnen eine gewisse Verunsicherung gibt“. Und: „Selbst wenn die politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes auf die Spitze getrieben und die AfD tatsächlich als Verdachtsfall beobachtet werden würde, wäre das allein kein Anlass für Beamte, die Partei zu verlassen.“ Die Parteichefs skizzieren bereits Gegenmaßnahmen: „Auch im Fall einer ‚Beobachtung‘ werden wir uns natürlich rechtlich zur Wehr setzen. Seien Sie versichert: Wir lassen uns nicht überraschen und haben bereits entsprechende Strategien vorbereitet.“ Zuletzt hatte die Kölner Kanzlei Höcker bereits Klagen, Abmahnungen und Eilanträge gegen den Verfassungsschutz eingereicht. Die AfD plant zudem eine Medienkampagne: „Wir sind Grundgesetz“.

Am Freitag protestieren in Schnellroda etwa 170 Demonstranten gegen das AfD-Treffen. Zum Protest hatte unter anderem das Bündnis Halle gegen Rechts aufgerufen. Auch Antifa-Aktivisten demonstrierten. Vereinzelt kam es zu Drohungen. So skandierten einzelne Demonstranten: „Kubitschek, aus der Traum - bald liegst du im Kofferraum.“ (mz)