"Etwas Mühe macht es" "Etwas Mühe macht es": Kardiologe Alexander Plehn zeigt Wege gegen den Herzinfarkt

Salzmünde - Sachsen-Anhalt hat es am Herzen. Das bestätigt einmal mehr der aktuelle Bericht der Deutschen Herzstiftung. Auch wenn sich die Zahlen verbessert haben - die Wahrscheinlichkeit, an einem Infarkt oder einer anderen Herzerkrankung zu sterben, ist hierzulande mit am höchsten.
Das wird alljährlich beklagt. Aber wie lässt sich das ändern? Darüber sprach Bärbel Böttcher mit dem Kardiologen Dr. Alexander Plehn (43). Der Arzt, der vor zwei Jahren selbst als Risiko-Patient galt. Er war stark übergewichtig. Hat damals aber die Notbremse gezogen und sein Leben verändert.
Herr Dr. Plehn, die Zahlen, die über die Herzgesundheit der Sachsen-Anhalter im Herzbericht stehen, sind etwas besser als die im Jahr zuvor. Aber wirklich gut sind sie auch nicht: Unser Bundesland ist weiterhin bei allen Krankheitsbildern Schlusslicht. Wenn Sie sich Ihren Praxisalltag ansehen – wo liegen dafür die Ursachen?
Alexander Plehn: Na, ja - viele Patienten liegen dick und rund vor mir auf der Behandlungsliege. Und die piekse ich schon mal in den Bauch und frage sie, wie viele Schritte sie denn am Tag zurücklegen. Die meisten haben Ausreden parat, warum sie die empfohlenen 8000 bis 10.000 Schritte am Tag nicht schaffen.
Aber, je älter ein Mensch wird, desto mehr muss er dafür sorgen, dass sein Körper bei Laune gehalten wird. Und es ist nun einmal so: Ungesunde Ernährung gepaart mit mangelnder Bewegung führt zu Übergewicht, dadurch kommt es vermehrt zu Bluthochdruck, es treten mehr Diabetesfälle auf. Hier liegen die Ursachen der Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Sie sind mit gutem Beispiel vorangegangen und haben ihr Leben radikal verändert. Wie hat sich das auf Ihre Gesundheit ausgewirkt?
Vor zwei Jahren wog ich noch 121 Kilogramm. Durch die Umstellung meiner Ernährung auf eiweißreiche Kost und viel Bewegung habe ich etwa 25 Kilogramm abgenommen. Dadurch hat sich mein Blutdruck, der an der Grenze zum Bluthochdruck lag, verringert. Die damals leicht erhöhten Blutfettwerte befinden sich wieder im normalen Bereich. Kurzum: Mein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist gesunken. Darüber hinaus bin ich auch leistungsfähiger geworden.
Die Öffentlichkeit konnte ihren Weg zu einem gesunden Leben verfolgen, da die MZ Sie begleitet hat. Hat ihr Vorbild auf ihre Patienten gewirkt?
Ja, es waren sogar mehr als ich dachte. Etliche haben toll abgenommen. Andere haben sich Schrittzähler gekauft. Aber die meisten, die mich darauf angesprochen haben, fanden zwar gut, was ich tue, sahen für sich selbst aber keine Notwendigkeit, das umzusetzen.
Sie laufen wieder auf der Halbmarathon-Distanz, nehmen an Triathlon-Wettbewerben teil. Das kann man doch aber nicht von jedem verlangen?
Natürlich nicht. Jeder Mensch muss sich eine Sportart suchen, die zu ihm und passt. Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren, ja selbst wer nur spazieren geht oder täglich fünf, sechs Kilometer mit dem Hund unterwegs ist, tut etwas Gutes für sich. Wichtig ist die Regelmäßigkeit.
Dafür muss schon ein bisschen Selbstdisziplin aufgebracht werden. Auch mir ist es nicht immer leicht gefallen, den inneren Schweinehund zu überwinden. Aber ich höre immer die gleichen Ausflüchte: Das Knie tut weh, die Hüfte schmerzt, der Bauch ist im Weg ...
Apropos Bauch. Es ist ja immer wieder zu hören, gesunde Ernährung sei sehr teuer.
Sie sprechen da etwas an, worüber nicht gern geredet wird. In Sachsen-Anhalt sind die Einkommen vergleichsweise gering. Der sozio-ökonomische Standard ist niedrig. Man muss ganz klar sagen, dass da ein direkter Zusammenhang zu ungesunder Ernährung und damit, verkürzt gesagt, auch zu der großen Anzahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht.
Nicht zu vergessen, es wird auch viel geraucht, was die Probleme verstärkt.Und viele Patienten hören damit auch nach dem Infarkt nicht auf. Das alles betrifft übrigens einen Großteil der neuen Länder - besonders aber Sachsen-Anhalt und Brandenburg, die in der Herzstatistik die Schlusslichter sind.
Aber geringes Einkommen muss nicht automatisch ungesunde Ernährung bedeuten?
Nein. Man kann sich auch mit kleinem Geldbeutel vernünftig ernähren. Aber das erfordert eben etwas mehr Aufwand als ein Fertiggericht. Schauen Sie, viele Menschen in den ländlichen Regionen haben einen Garten. Da können Salat, Kohlrabi, Möhren und vieles andere mehr angebaut werden. Aber das macht Mühe. Es ist einfacher - aber auch teurer - in den Supermarkt zu gehen.
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, besagt ein Sprichwort. Müsste sowohl bei der Ernährung als auch bei der Bewegung nicht bei den Kindern angesetzt werden?
Absolut. Kinder spiegeln das Verhalten ihrer Eltern. Wenn die Eltern ihren Kindern beispielsweise von Anfang an ungesüßten Tee oder Wasser zu trinken geben, dann greifen sie später automatisch dazu. Das sehe ich bei meinen Zweien- die natürlich wie alle anderen auch mal eine Cola verlangen. Was nicht schlimm ist. Aber wenn sie durstig sind, greifen sie zu Wasser.
Müssen auch Kitas und Schulen ihren Teil dazu beitragen?
Sicher. Und vielerorts geschieht das auch. Toll fände ich es, wenn es in allen Schulformen - auch an den Gymnasien - ein Fach gäbe, das Kindern vermittelt, wie sie sich einfach aber gesund ernähren können. Das wäre ein wichtiges Fach fürs Leben. Neben dem Sportunterricht.
Animiert der Sportunterricht in seiner jetzigen Form zur Freude an der Bewegung?
Nicht 100prozentig. Das Zeiten und Weiten zur Vergabe einer Note herangezogen werden, halte ich für falsch. Das verdirbt den Kindern den Spaß am Sport. Im Sportunterricht sollte vielmehr individuell auf Kinder eingegangen werden. Ein kleiner gedrungener Schüler kann die Runde um den Sportplatz nicht in einer so grandiosen Zeit laufen wie der sportliche Typ.
Wichtig ist aber, dass sie beide laufen. Mit welcher Zeit sie ins Ziel kommen, ist Nebensache. Der Leistungssportgedanke hat aus meiner Sicht im Schulsport nichts zu suchen. Generell ist zu fragen: Wie sinnvoll ist es, hier Noten zu verteilen? Wenn das aber sein muss, dann sollte sie nicht in Bemessungen für eine Bewerbung einfließen.
Kommen wir noch einmal zum Medizinischen. Ihre Praxis ist täglich voll. Ist nicht auch die Versorgung ein Grund für die schlechten Werte?
Wir haben gerade in den ländlichen Bereichen eine sehr geringe Arztdichte. Das betrifft sowohl Haus- als auch Facharztstellen. Mit anderen Worten: Auf dem Land ist der Weg zu einem Arzt oft weit und beschwerlich. Also überlegt sich ein Kranker dreimal, ob er den antritt oder nicht. Viele Patienten kommen deshalb erst, wenn die Krankheit fortgeschritten ist.
Hinzu kommt, dass es in Sachsen-Anhalt Kardiologen nicht gerade im Übermaß gibt. Wartezeiten von einem dreiviertel bis einem ganzen Jahr auf einen Termin sind keine Seltenheit. Was allerdings auch darin liegt, dass die Ärzte nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung haben. Viele Facharztpraxen arbeiten bereits weit darüber und werden für ihre Arbeit nicht adäquat vergütet. (mz)