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Britischer Schlossbesitzer Britischer Schlossbesitzer Lord James Richard Welsh: Adelsfrust im Saalekreis

Von Ralf Böhme 30.06.2016, 20:26
Lord James Richard Welsh wurde 1950 in England geboren. Jetzt besitzt er ein Schloss im Saalekreis.
Lord James Richard Welsh wurde 1950 in England geboren. Jetzt besitzt er ein Schloss im Saalekreis. Stedtler

Schochwitz - Raus aus der EU, raus aus der Fußball-EM. Was zu viel ist, ist zu viel. Nun grummelt es hinter den Mauern von Schloss Schochwitz im Saalekreis. Seit dem Doppel-Desaster findet Lord James Richard Welsh auf seinem Altersruhesitz im grünen Laweketal keine Ruhe mehr.

Weder der traditionelle Fünf-Uhr-Tee mit englischen Früchteküchlein noch ein gepflegtes Golf-Spiel können ihn derzeitig auf angenehme Gedanken bringen.

Deshalb will der Mann, der sich eigentlich für die Restaurierung historischer Möbel begeistert, nun ein starkes Zeichen setzen - seine private Antwort auf die Volksabstimmung in seiner alten Heimat.

Um darüber nachzudenken, läuft der ehemalige Weltumsegler auf dicken Teppichen im Turmzimmer im Kreis. Ab und an tritt der 66-Jährige dabei an eines der vielen Fenster, blickt auf den Vorplatz des Schlosses.

Dort flattert die britische Flagge im Sommerwind. und dann kommt dem vitalen Edelmann endlich die Idee, die auch seiner deutschen Frau Ingrid Straub-Zerfowski gefällt. „Spaltet sich das Vereinigte Königreich tatsächlich von Europa ab, dann melden wir unsere Wagen um.“

Ein Fahrzeug als Statussymbol

Dass diese Entscheidung nicht leicht fällt, ist Lord Welsh anzusehen. Seinen Jaguar, ausgestattet mit weißem Leder, reichlich Holz und Chrom, darf man getrost als Statussymbol verstehen.

Noch rollt die Oldtimer-Karosse mit englischem Kennzeichen - schwarze Buchstaben und Ziffern auf gelben Grund - vom Hof. Aber wie lange noch?

Versagt das politische Personal, womit der Schlossherr rechnet, werde man höchst selbst in der nächsten Kraftfahrzeugzulassungsstelle aufkreuzen und dort ein schlichtes deutsches Kennzeichen beantragen.

Was auf den ersten Blick wie eine adlige Schrulle klingt, gründet sich im Fall der Schochwitzer Lordschaft auf eine ziemlich schonungslose Analyse.

Dreh- und Angelpunkt dabei ist die Antwort auf die Frage: Wie geht es dem britischen Pfund? Die jüngste Entwicklung - eine grausige Talfahrt - lasse ihm da die Haare zu Berge stehen.

Verachtung verdienten seiner Meinung vor allem diejenigen Politiker, die das Referendum nur missbraucht hätten, um sich bei ihren Wählern zu profilieren. Kein gutes Haar lässt der Gastgeber auch an der eigenen Generation. Wie sich jetzt nämlich zeige, sei es ganz überwiegend die Generation 60 plus gewesen, die für eine Abschottung eintreten.

Seine Finger trommeln hart auf dem Tisch. Welsh ruft: „Brexit, was für ein kapitaler Fehler in einer globalisierten Welt!“ Es sei, behauptet Welsh, der bislang verrücktestes Schritt der Briten im 21. Jahrhundert.

Alle seine Sympathie bekundet der Schlossherr dagegen für die jungen Leute im Inselreich, die entweder pro Europa gestimmt oder wie die 34-jährige Herzogin Kate das Spektakel gleich ignoriert hätten. „Meine Kinder, die ohne Einschränkungen kreuz und quer durch Europa reisen wollen, haben genauso entscheiden.“

Ein Grund: Papa ist das beste Beispiel, wie man Reise- und Geschäftsfreiheit im geeinten Europas unternehmerisch gekonnt nutzt. Sowohl in England als auch in Portugal gibt es viele Spuren seines Wirkens.

Spezialität der Familie nennt Welsh das Wirken für den Erhalt und die Restaurierung alter Gemäuer - Kirchen, Landsitze und andere Anwesen mit Geschichte.

Schloss Schochwitz habe besondere Spiritualität

Mit Schloss Schochwitz aus dem 12. Jahrhundert, dass das Paar vor einigen Jahren für einen fünfstelligen Betrag günstig erwerben konnte, haben sie ihrer Meinung nach sogar eine Stätte mit besonderer Spiritualität entdeckt.

Entstanden ist daraus ein Healing Castle, das sich nach dem Willen ihrer Begründer als internationales Zentrum für Meditation, Yoga und gesunde Lebensführung versteht. Gestressten Mitmenschen soll es ein Ort des Innehaltens sein - kurz ein Kraftquell, wie Lord Welsh sagt.

Abseits der großen Städte können die Gäste nach Lösungen für ihre mitunter schwierigen persönlichen Probleme suchen. Welsh erweist sich an diesem Punkt als völlig unorthodoxer Ratgeber.

Seine Erfahrung: „Nicht alles, was logisch ist, ist auch richtig.“ So betreibt der Lord sein Schloss nicht als Hotel, sondern als eine Non-Profit-Gesellschaft. Dabei setzt Welsh auf freiwilliges Engagement.

Schaut man sich um, scheint es als Erfolgsrezept zu funktionieren und ungeahnte Energien freizusetzen. Mit Unterstützung vieler freiwilliger Helfer ist ein beträchtlicher Teil der Räume denkmalgerecht saniert worden. Religiöse Figuren, Gemälde, Spiegel, Lüster und Teppiche aus aller Welt runden das Bild ab.

Der ungewöhnlichste Blickfang ist jedoch eine zwölf Meter hohe Mutter-Gottes-Figur aus kanadischem Holz, die Patronin des Schlosses. In ihrem Schutz agieren derzeit Helfer aus Dubai, den USA, aus Tschechien und von den britischen Inseln. Brexit hin, Brexit her. (mz)

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