Saaleck Saaleck: Grabstein als Provokation
saaleck/MZ. - Die evangelische Kirchgemeinde Bad Kösen (Burgenlandkreis) wehrt sich gegen ein Grab mit einem Gedenkstein, der vor wenigen Tagen vermutlich von Rechtsextremen illegal auf dem Friedhof in Saaleck angelegt wurde. Das Grab soll an die Mörder von Walther Rathenau erinnern. Der Reichsaußenminister war am 24. Juni 1922 bei einem Attentat einer rechtsextremistischen Organisation getötet worden.
Die Anlage werde bald verschwinden, versichert Pfarrerin Anke Nagel vom Pfarrbereich Bad Kösen, zu dem das kleine Dorf gehört. Einwohner hatten sie vor kurzem über die illegale Grabstelle informiert. "Mit einem Aushang fordern wir die Verursacher auf, den Gedenkstein und die Anlage zu entfernen, weil diese der Friedhofsordnung widersprechen." Bis Montag hätten die Unbekannten - vermutet werden Leute aus dem NPD-Umfeld - Zeit, die Stelle auf dem Gottesacker wieder in Ordnung zu bringen. Ansonsten würden Grab und Grabstein durch städtische Mitarbeiter entfernt. Außerdem sei der Staatsschutz informiert worden.
Mit runenähnlicher Schrift
Auf dem Stein stehen in einer runenähnlichen Schrift die Namen Kern und Fischer sowie deren Todesdatum. Es sind die Mörder von Walther Rathenau. Die der Terror-Organisation Consul angehörenden Täter waren nach ihrem Anschlag auf den Außenminister in Berlin auf der Flucht in Saaleck untergekommen. Hilfe erhielten sie von Hans Wilhelm Stein, einem vorbestraften Hochstapler, Freizeitdichter und NS-Vorkämpfer, der die Burg Saaleck gepachtet hatte. Das Versteck auf der Burg flog auf, weil Stein auf der Suche nach einer neuen Bleibe für die Attentäter nach München gereist war und diese nachts Licht im Turm angeschaltet hatten.
Anwohner verständigten am 17. Juli 1922 die Polizei, die die Burg durchsuchte. Bei einem von ihm provozierten Schusswechsel kam Kern ums Leben, Fischer beging Selbstmord. In der NS-Zeit wurden die Täter zu nationalen Helden hochstilisiert. Man bettete sie vom Rand des Friedhofs an jene Stelle um, an der jetzt der neue Stein aufgestellt wurde. In der DDR-Zeit in Vergessenheit geraten, mutierte das Grab nach der Wende zum rechten Wallfahrtsort.
Im Januar 2000 endgültig beräumt
Deshalb beschloss der Gemeindekirchenrat damals, das Grab gemäß Friedhofsordnung zu beräumen. Das Landesamt für Denkmalspflege stimmte zu. Im Januar 2000 rückte die Bundeswehr an und entfernte auf Wunsch der Kirchgemeinde die Anlage. Zugleich legte der Gemeindekirchenrat fest, dass der entsprechende Bereich nicht mehr als Grabstelle vergeben wird.