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Religion Religion: «St. Pauli» ist nach 145 Jahren jetzt zu

Von Susann Huster 12.07.2007, 06:27
Tilo Mahn, Leiter des Leipziger Predigerseminares, packt am Donnerstag (12.07.07) in seinem Arbeitszimmer in der Leipziger Innenstadt Unterlagen in eine Umzugskiste. (Foto: ddp)
Tilo Mahn, Leiter des Leipziger Predigerseminares, packt am Donnerstag (12.07.07) in seinem Arbeitszimmer in der Leipziger Innenstadt Unterlagen in eine Umzugskiste. (Foto: ddp) ddp

Leipzig/Wittenberg/ddp. - Die Stuhlreihen in den Seminarräumenstehen noch so, als würden die jungen Theologen jeden Moment kommenund im Kreis Platz nehmen. Doch in den Zimmern des Predigerseminars«St. Pauli» in Leipzig werden nie wieder angehende Pfarrer sitzen undüber moderne Seelsorge, die Gestaltung von Gottesdiensten oder ihrBerufsbild sprechen. Nach 145 Jahren ging jetzt im LeipzigerPredigerseminar eine Ära zu Ende.

Auch die Kirche muss sich den Anforderungen der neuen Zeitstellen. Deshalb haben die fünf Landeskirchen vonBerlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, der KirchenprovinzSachsen, der Anhaltinischen Landeskirche sowie derEvangelisch-Lutherischen Landeskirchen Thüringens und Sachsens stattder bisher streng getrennten Ausbildung ein gemeinsamesPredigerseminar in Wittenberg aufgebaut. Die Pfarrer in spe werden inder Lutherstadt nach einem neuen, modernen System zunächst auf daszweite theologische Examen und damit auch auf den Ernst ihresBerufslebens vorbereitet.

Im Juni ging der letzte Grundkurs im Leipziger Predigerseminar mitzwölf Teilnehmern zu Ende. Tilo Mahn, den bisherigen Leiter derAusbildungsstätte, überkommt in diesen Tagen schon etwas Wehmut.Immerhin ist mit der Schließung von Sachsens einzigem Predigerseminarauch für den 47-Jährigen ein Lebensabschnitt zu Ende gegangen. Aberdieser Schritt, so weiß er, war notwendig. «Die Gruppen derAuszubildenden wurden ständig kleiner, da die Landeskirchen immerweniger Absolventen in den Pfarrdienst übernommen haben», berichteter.

Durch die Zusammenlegung der Ausbildungsstätten bekämen die jungenTheologen nun die gleiche Ausbildung und lernten sich über dieGrenzen der Landeskirchen hinaus kennen. Bisher habe es regionaleUnterschiede gegeben, die den Pfarrern später unter anderem einenWechsel in die Gemeinde einer anderen Landeskirche erschwert hätten.Auch die Inhalte des Vikariats, der praktischen Vorbereitung auf denPfarrerberuf, seien nun aufeinander abgestimmt worden.

In Wittenberg werden in der künftigen Pfarrerausbildung einigeneue Akzente gesetzt. «Die Erkenntnisse und Arbeitsmethoden derPastoralpsychologie fließen mit ein», erklärt Mahn. ImPredigerseminar befassen sich die zukünftigen Pfarrerinnen undPfarrer mit allem, was ihnen später im Beruf begegnet: dem Aufbau,der Rhetorik und der körperlichen Haltung beim Gottesdienst, derSeelsorge, der Rolle der Kirche in unserer Gesellschaft, den ThemenEhe, Familie und Partnerschaft sowie Kinder- und Jugendarbeit. «Sielernen auch, wie man Leute für die moderne Kirche begeistert»,spricht Mahn einen besonders heiklen Punkt an. Schließlich stehen dieKirchen vor allem im überwiegend atheistisch geprägten Osten vor derschwierigen Aufgabe, wieder mehr Menschen für sich zu gewinnen.

Nach der 18-monatigen Ausbildung im Wittenberger Predigerseminarund in den jeweiligen Landeskirchen bekommen die jungen Theologeneine Beurteilung, die eine wichtige Rolle für die spätere Übernahmein das Pfarramt einer Landeskirche spielt. Wer eine Stelle bekommt,kann sich freuen, denn in der Landeskirche Sachsen beispielsweisewerden Mahn zufolge gerade mal sechs bis zehn Stellen pro Jahrvergeben. «Wer keine bekommen hat, kann sich in den nächsten fünfJahren wieder bewerben», sagt der Theologe, der ab September im neuenInstitut für Seelsorge und Gemeindepraxis in Leipzig arbeitet. Dortwerden den angehenden Predigern die dennoch notwendigen regionalenAspekte beigebracht. «Schließlich hat beispielsweise jedeLandeskirche ihre eigene Verfassung», erklärt Mahn.