Reformations-Jubiläum Reformations-Jubiläum : Asisi-Panorama "Luther 2017"ist eröffnet

Wittenberg - Schwenk nach hier, aber auch nach da. Jetzt der Zoom, dann in die Höhe gestreckt. Schließlich leichtfüßig im Kreis. Es sieht aus wie ein Tanz: Ein Dutzend Kameraleute bei der Arbeit, am Freitag in Wittenberg. Sie versuchen etwas einzufangen, das sensationell erscheint - und so nur hier zu sehen ist: das neue Asisi-Panorama. „Luther 2017“, so heißt das Werk, ist nun eröffnet.
4,5 Millionen Euro Kosten für Reformations-Projekt
130 Menschen passen auf das Besucherpodest in sechs Metern Höhe. Dort gibt es den unschlagbaren Logenblick - mitten hinein in den mittelalterlichen Trubel, 360 Grad rundum. Wer jedoch die Hauptperson auf der Bildfläche ist, kriegt man freilich schon vorher mit.
Bereits beim Eintritt in den Rundraum zieht ein kleiner Mann in Kutte unwillkürlich alle Blicke auf sich: der Prediger mit den Thesen, der große Reformator. Ihm ist das einmalige Kunst- und Bauobjekt mit dem Slogan „Glaube, Wissen, Selbstbestimmung“ gewidmet. Kommune und Kirche lassen sich diese Ehrung etwas kosten: 4,5 Millionen Euro.
Hören und sehen vergeht dem Besucher nicht. Im Gegenteil. Er beginnt eine Zeitreise, 500 Jahre zurück. Eine Stimme, die Luthers Worte spricht, ist dabei zu vernehmen. Es sind nur wenige Sätze, die an das Ohr dringen. In wahrhaft beseeltem Tonfall. Was ist gottgefällig, was nicht?
Eine große Frage, im Grunde nach Redlichkeit und Sinn: Luthers Antwort erntet Zustimmung, aber auch heftigen Widerspruch. Streit entbrennt, doch geht alsbald im Marktlärm unter. Bilder und Geräusche passen zueinander. Siehe da, gerade poltert eine Kutsche über das Pflaster. Und Vögel zwitschern. Ein Choral ertönt hinter Kirchenmauern, später Glockengeläut - dröhnend, machtvoll. Das ist der Anspruch auf Ewigkeit.
Das überwältigende Panorama von Asisi
Zehn Jahre sind seit der ersten Idee vergangen, erzählt Yadegar Asisi mit der Stadtansicht im Hintergrund. In dieser Zeit habe er auch viele gedankliche Umwege zurückgelegt, um an sein Ziel zu gelangen. Dafür stehe die Auseinandersetzung mit Zeitgenossen Luthers, beispielsweise dem rebellischen Bauernführer Thomas Müntzer oder Johann Tetzel, der Sünden gegen Bares erlässt.
Beide und viele andere Gestalten werden sichtbar. Der 61-jährige Asisi, Sohn persischer Einwanderer und Schöpfer von bisher 21 Panorama-Bildern, hofft auf diese Erkenntnis beim Betrachter: „Reformation reicht weit über die Kirche hinaus“, so der Panorama-Künstler.
Margot Käßmann, die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirchen Deutschlands und Schirmfrau des Projektes, stimmt Asisi zu und erlaubt zugleich Einblick in ihre Gefühlswelt: „Das Panorama überwältigt, einen Moment lang war ich ganz bei mir und in der Luther-Zeit.“ Asisi vermittle auf ganz eigene und vor allem anschauliche Art, dass Luther für Mut, Aufbruch und Veränderung steht. Ob Luther nagelt oder seine Thesen verliest, das sei ihr in diesem großen Zusammenhang zweitrangig, eine Sache für Historiker.
Perspektive: Von der Schlosskirche zur Elbe
Bilder auf einer Gesamtfläche von 1.100 Quadratmetern - das ergibt eine Länge von 75 Metern. Der bedruckte und bemalte Stoff, eine robuste Kunststofffaser, ist damit die innere Hülle des stählernen Rundbaus. 500 Kilogramm Geschichte und Kunst, perfekt in Szene gesetzt, ein Kilogramm für jedes Jahr seit Luthers Tat.
15 Meter hohe Wände, das ermöglicht unterschiedliche Perspektiven, so von der Schlosskirche über die Stadtmauer bis zur Elbe. Das ist kein Zufall. Auf den Wiesen am Fluss soll Ende Mai 2017 der größte Gottesdienst gefeiert werden, denn es je in Mitteldeutschland gegeben hat. Von rund 300.000 Pilgern, die aus der ganzen Welt kommen werden, ist schon die Rede.
Diese Erwartung versetzt Wittenbergs Oberbürgermeister in eine ausgesprochen optimistische Stimmung. Torsten Zugehör (parteilos) glaubt, dass der Rundum-Blick „vom Kleinkind bis zur Oma jeden in Erstaunen versetzen kann“. Insofern könne man getrost von einer halben Million Besucher im ersten Jahr ausgehen. Frühestens 2021 soll das Panorama wieder abgebaut werden. Damit dürfte das Projekt auch geschäftlich ein Erfolg werden - bei Eintrittsgeldern zwischen vier und elf Euro. (mz)
