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Prozess Prozess: Männer stahlen DDR-Geldscheine aus Stollen

16.01.2002, 16:11

Halberstadt/dpa. - Nach dem Diebstahl von rund 600 000 DDR-Mark aus einem unterirdischen Stollensystem am Harzrand müssen sichzwei Männer vor dem Amtsgericht Halberstadt verantworten. Der Fall erwies sich am Mittwoch beim ersten Verhandlungstermin schwieriger als gedacht. Gericht und Verteidiger konnten sich nicht darüber einig werden, nach welchem Maßstab der Wert der Beute bemessen werdensollte. Deshalb soll jetzt ein Gutachter Klarheit schaffen. Der Prozess wird dazu voraussichtlich im Spätsommer neu aufgenommen.

Die beiden 24 und 26 Jahre alten und einschlägig vorbestraftenAngeklagten aus Halberstadt hatten bereits zu Beginn des Prozesseszugegeben, im Sommer 2001 in die Stollenanlage nahe der Nordharzstadteingestiegen zu sein. Sie erklärten, dort über einen Luftschachteingedrungen zu sein und einen Rucksack voller eingelagerter DDR-Banknoten mitgenommen zu haben. Nach ihren Aussagen wollten sie dierund 10 000 Geldscheine für sich selbst als Andenken behalten. DenVorwurf, die Banknoten, darunter auch 313 nagelneue 500-Mark-Scheine,die in der DDR überhaupt nicht im Umlauf waren, an Münzsammlerverkaufen zu wollen, bestritten sie.

Das einst von KZ-Häftlingen angelegte und später von der DDR-Volksarmee und Bundeswehr genutzte weit verzweigte Stollensystem warals Milliardengrab der DDR-Mark allgemein bekannt. Nach derWährungsunion hatte die Kreditanstalt für Wiederaufbau hier die DDR-Banknoten eingelagert. Wie sich bei der Verhandlung zeigte, muss dasStollensystem schon zuvor öfters von Unbefugten heimgesucht wordensein. Der vermauerte Stollen mit den DDR-Banknoten war bereitsaufgebrochen. Als sich die beiden Täter mit den alten Scheinen vondannen machen wollten, rückte das Team einer Wachmannschaft an, umdie Stollen zu sichern. Sie konnten die jungen Männer auf frischerTat stellen.

Der Staatsanwalt wirft ihnen nun Diebstahl in schwerem Fall vor.Ein sachverständiger Münzhändler hatte den Wert eines 500-DDR-Mark-Scheines beispielsweise mit 50 D-Mark beziffert. Dagegen führten dieVerteidiger an, dass es sich nach ihrer Ansicht bei den eingelagertenDDR-Banknoten um «aufgegebenes Eigentum» der Kreditanstalt fürWiederaufbau handele. Wie Rechtsanwalt Thomas Tschammer sagte,könnten die Täter nicht dafür belangt werden, wenn sie etwasmitnehmen, was keinem mehr gehöre. Ebenso sei der Vorwurf desEinbruchs nicht haltbar, da die Stollen bereits offen standen.

Staatsanwalt Harald Sehorsch hingegen blieb beim Vorwurf desDiebstahls und Einbruchs, was für die Vorbestraften Geldstrafe bisFreiheitsstrafe bedeuten könnte. Um eine Bewertung vornehmen zukönnen, gab Richter Holger Seliger den Anträgen der Verteidigungstatt, wonach ein Gutachter nun den Wert der Beute bestimmen soll.Außerdem will das Gericht ergründen, wie die Eigentumsfrage so sehenist.