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Prozess Prozess: Jalloh wegen Aggression gefesselt

14.01.2011, 07:30
Der angeklagte Polizist Andreas S. blickt am 12. Januar zum erneuten Prozessauftakt vor dem Landgericht Magdeburg zu seinem Anwalt. (FOTO: DPA)
Der angeklagte Polizist Andreas S. blickt am 12. Januar zum erneuten Prozessauftakt vor dem Landgericht Magdeburg zu seinem Anwalt. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Magdeburg/dpa. - Der Asylbewerber Oury Jalloh, der vor sechsJahren bei einem Feuer in einer Dessauer Polizeizelle starb, wurdelaut einem Polizisten wegen seines aggressiven Verhaltens an Händenund Füßen gefesselt. Der heute 48-Jährige hatte Jalloh damals inGewahrsam genommen, weil er Frauen belästigt haben soll. Auch auf demRevier habe sich Jalloh energisch gewehrt und um sich getreten, sagteder Beamte am Freitag bei der Neuauflage des Prozesses am LandgerichtMagdeburg. Im Polizeigebäude habe der Mann aus Sierra Leone mit demKopf gegen Tisch und Wand geschlagen. Deshalb sei Jalloh an Händenund Füßen auf einer Matratze gefesselt worden.

Der 23-Jährige starb in der Polizeizelle bei einem Feuer, das erselbst entfacht haben soll. Laut einem früheren Gutachten hatteJalloh einen Blutalkoholwert von fast drei Promille. In dem Prozessmuss sich ein Polizist wegen Körperverletzung mit Todesfolgeverantworten. Er soll den Feueralarm mehrmals ignoriert haben.

Der Beamte hatte am 7. Januar 2005 gemeinsam mit einem KollegenJallohs Kleidung auf Gegenstände durchsucht. Er fand nach eigenenAngaben ein Handy, eine Brieftasche und ein Taschentuch, aber keinFeuerzeug. Mit einem solchen soll Jalloh die Matratze angezündethaben. Fraglich ist, wie das Feuerzeug in die Zelle gelangte. DerPolizist sagte, er habe an dem Tag ein Feuerzeug vermisst, es späteraber wiedergehabt. Wie dies zustande kam, wisse er bis heute nicht.

Im ersten Prozess in Dessau-Roßlau war der am Freitag als Zeugegehörte Beamte mitangeklagt. Sein Freispruch wurde rechtskräftig, imGegensatz zu dem des nun in Magdeburg vor Gericht stehenden Mannes.Dessen Freispruch hatte der Bundesgerichtshof aufgehoben.

Eine Putzfrau, die die Zelle vor dem dramatischen Geschehengereinigt hatte, schloss als Zeugin größere Mängel an der Matratze,auf der Jalloh verbrannte, aus. Kleine Beschädigungen etwa an denNähten könnten aber möglich gewesen sein, sagte die 52-Jährige. DieErmittler gehen davon aus, dass Jalloh die Matratze selbst anzündete.Wie das trotz Fesselung möglich gewesen sein könnte, steht infrage.Offene Nähte oder Risse an der Matratze könnten dies begünstigthaben. Jalloh war infolge rund 800 Grad heißer Brandgase gestorben.

Ein Bruder des Mannes, der in dem Prozess als Nebenklägerauftritt, forderte eine genaue Untersuchung des Falls. Die Familie inSierra Leone sei sehr betroffen über das Verhalten der Polizisten imersten Verfahren in Dessau-Roßlau. Auch das Gericht hatte damals diewidersprüchlichen Aussagen der Beamten kritisiert. Jallohs Brudersagte am Freitag: «Es geht nicht um Schwarz oder Weiß, es geht umeinen Menschen.» Der Prozess wird am kommenden Freitag fortgesetzt.

Eine rote Rose und eine Schleife mit dem Namen von Oury Jalloh liegen am 07.01.2010 vor einer Polizeistation in Dessau-Roßlau. (FOTO: DPA)
Eine rote Rose und eine Schleife mit dem Namen von Oury Jalloh liegen am 07.01.2010 vor einer Polizeistation in Dessau-Roßlau. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild