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Polizei Polizei: Mit Bleistift und Papier zum Phantombild von Merkel

Von Lisa-Marie Eckardt 01.11.2012, 08:54
Kriminalhauptkommissar Harald Nickoleit fertigt in einem Vernehmungsraum der Polizeidirektion Dresden nach den Vorgaben einer Journalistin eine Phantomzeichnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. (FOTO: DAPD)
Kriminalhauptkommissar Harald Nickoleit fertigt in einem Vernehmungsraum der Polizeidirektion Dresden nach den Vorgaben einer Journalistin eine Phantomzeichnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. (FOTO: DAPD) dapd

Dresden/dapd. - Die Betonung liegt hier auf dem Wort „Zeichner“, denn seine Kollegen am Computer nennen sich Phantombildersteller. Weil die Zeichenmethode aus Nickoleits Sicht nicht nur günstiger sondern auch erfolgreicher ist, würde der nebenberufliche Maler die Fahndungsweise der Polizei am Liebsten revolutionieren.

„Mit der Umstellung auf Handzeichner könnte man sehr viel Geld sparen“, sagt Nickoleit. Während die Kollegen mit teuren Spezialprogrammen arbeiten, kostet seine Ausrüstung höchstens fünf Euro - wenn er luxuriös einkauft. Obendrein würden die gesuchten Verbrecher auf gezeichneten Phantombildern häufiger erkannt, behauptet der Dresdner Kriminalist. Zum Beweis, gibt er gern eine Kostprobe seines Könnens: In etwas mehr als einer Stunde fertigt er nur der Beschreibung folgend ein Fahndungsbild an und erkennt selbst recht schnell - das ist Angela Merkel.

Normalerweise werden Phantombilder am Computer mithilfe von Schablonen erstellt. Aus tausenden unterschiedlichen Nasen, Mündern, Augen und Haaren muss der Zeuge wählen. „Eine ungünstige Beeinflussung“, findet Nickoleit. „Dazu muss der Zeuge das Gesicht im Geiste auseinanderdividieren. Viele kommen mit einer klaren Vorstellung und wissen am Ende gar nichts mehr.“ Wer sich 3.000 Paar Augen angesehen hat, kann sich schließlich nicht mehr an das erste erinnern und vergisst darüber die Erscheinung des Täters.

Das Gesamtbild muss stimmen

Der Zeichner hingegen setzt verstärkt auf die ganzheitliche Wahrnehmung. Er geht dabei von Außen nach Innen vor. „Wenn das Gesamtbild stimmt, müssen auch die Details stimmen“, sagt der 53-Jährige.

Bei Nickoleits Methode sitzt ihm der Zeuge gegenüber, satt auf einen Bildschirm zu starren. Während dieser die gesuchte Person beschreibt, macht der Maler noch keinen einzigen Strich. „Zunächst mache ich mir ein Bild in meinem Kopf“, erzählt er. Dann zückt er den Bleistift und beginnt zügig auf seiner Tischstaffelei zu skizzieren. Nach etwa einer halben Stunde ist der erste Entwurf fertig. Mit wenigen Strichen kann Nickoleit in sekundenschnelle unterschiedliche Nasenformen anbieten, das Gesicht breiter machen oder durch Falten älter wirken lassen.

Erst wenn das Bild komplett ist, bekommt der Zeuge es zu sehen. „So ist es für die Person einfacher, Korrekturen vorzunehmen“, erklärt der Kriminalist. „Es gibt Leute, die können nicht sagen, wie etwas ist - aber wie es nicht ist.“ Der Zeuge muss nicht aus einer willkürlich zusammengestellten Masse wählen - der Zeichner schlägt vor, was anatomisch möglich und dem Gesamteindruck entsprechend wahrscheinlich ist. Zur Not wird mit dem Radiergummi nachgebessert.

Bisher habe er jedes Stechen gegen seine Kollegen am Computer gewonnen, sagt Nickoleit. Zeichnerisch könne er viel plastischer darstellen, als es mit den vorgefertigten Schablonen möglich wäre. Details, wie Merkels markante Mundwinkel kann er viel individueller herausarbeiten. Nickoleits Zeichnungen wirken nicht nur lebendiger als die emotionslosen Computerdarstellungen, er kann die Täter auch in Farbe und im Halbprofil darstellen - das kann das in Sachsen verwendete Computerprogramm nicht.

Schablonentechnik ist immer nur ein Notbehelf

„Die Schablonentechnik ist immer nur ein Notbehelf, weil die meisten Kollegen nicht zeichnen können“, sagt Nickoleit. Dabei würde er es ihnen so gern beibringen. Noch vor kurzem hatte sich Sachsens bisheriger Polizeipräsident Bernd Merbitz von der Idee begeistert gezeigt. Ab November übernimmt jedoch Rainer Kann sein Amt.

Vom sächsischen Landeskriminalamt heißt es indes: Eine Aussage über die „Erfolgaussicht“ von Phantombildern nach der Erstellungsart zu treffen, sei nicht möglich. Beide Varianten seien abhängig von der Beschreibung durch die Zeugen. Über die Kosten für das Computerprogramm „Facette“ will das LKA keine Auskunft geben. Beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden ist das Programm nicht bekannt - man arbeiten mit herkömmlichen Bildbearbeitungsprogrammen.

1990 hat Nickoleit sein erstes Phantombild gezeichnet. Seitdem waren es fast 3.000 Bilder. Acht Jahre hat der Kriminalhauptkommissar noch bis zum Ruhestand. Die Hoffnung, dass sich bis dahin etwas ändert, will er nicht aufgeben. In einem Malkreis gibt er Kollegen seit Jahren Zeichenunterricht. Einige wären ebenso talentiert wie er, betont Nickoleit: „Zwei Polizisten sind gelernte Porzellanzeichner - denen könnte ich meine Technik in kürzester Zeit beibringen.“