Poker Poker: Zockerin startet durch
BERLIN/MZ. - Doch statt dort in Clubs zu gehen, um Leute kennen zu lernen, pokerte Sandra Naujoks im Internet, studierte Fachliteratur und erstellte Wahrscheinlichkeits-Rechnungen. Vor drei Jahren saß sie erstmals an einem Pokertisch im Casino Berlin - und seither hat sie zwei Millionen Dollar mit dem Spiel gewonnen.
Nach den ersten Erfahrungen am Spieltisch ging es schnell: Im Herbst 2008 gewann sie als erste Frau die Poker-Europameisterschaft und im März 2009 die mit 917 000 Euro dotierte "Poker-Stars European Poker Tour" (EPT) - die Champions League unter den Pokerturnieren. Seither führt die 27-jährige Zockerin ein Leben wie im Jet-Set. Die Verbindungen in die alte Heimat sind abgerissen. "Ich bin zwar ein Kind des Plattenbaus, aber wenn man in der Welt herumfliegt, bleibt an Dessau oder Magdeburg nicht viel Schönes mehr übrig", sagt sie.
Finanziell sollte sie schon mit den bisherigen Erfolgen ausgesorgt haben. Doch sie ist weit davon entfernt, sich auf die faule Haut zu legen. "Ich kann mir nicht vorstellen, einen anderen Beruf auszuüben. Außerdem gibt es noch viel zu erreichen, ich habe gerade erst begonnen", sagt sie. Ein Leben lang am Pokertisch? Für Naujoks ist das durchaus denkbar.
Ihr nächstes Ziel ist die Verteidigung des EPT-Titels. Das Vorhaben wird zum Heimspiel, denn das hochrangige Turnier findet erstmals in Berlin statt. Für die Veranstaltung vom 2. bis 4. März soll auf dem Potsdamer Platz ein zweistöckiger Glaspavillon mit 2 000 Quadratmetern Fläche entstehen. "Dies wird das größte Turnier, das je in Deutschland veranstaltet wurde", sagt Naujoks. In der Tat ist eine Veranstaltung der Superlative mit 1 000 Teilnehmern geplant, die je 5 000 Euro zahlen, um mitzumischen. Mit dabei ist in der Hauptstadt Poker-Amateur und Werbegesicht Boris Becker.
Selbstverständlich will Naujoks bei dem Turnier erneut erfolgreich sein. Die nötige Portion Ehrgeiz hat die junge Frau, die nicht mal einem Laien ihre Tricks und Kniffe verrät, zweifelsohne. Sie spiele jedoch nicht allein wegen des Geldes, sondern auch wegen des Nervenkitzels, bekräftigt sie. Spricht sie von ihrem Job, kneift sie ihre eisblauen Augen zusammen und wirkt hochkonzentriert. "Ein knallharter Job ist das", sagt sie. Einer jener Jobs, der einem geregelten Privatleben im Wege steht. Schließlich ist sie rund 300 Tage im Jahr unterwegs.
Wie in dieses Bild eines geschäftigen Profis die Beziehung mit dem Schauspieler Sebastian Deyle passen soll, lässt sie im Dunkeln. Aber vielleicht kann sie sich ja bei Deyle wenigstens ab und an Schwäche erlauben - in ihrem Beruf geht das nicht. Denn sie bewegt sich in einer Männerwelt - lediglich vier Prozent der professionellen Spieler sind weiblich. "Als Frau kannst du bloß überleben, wenn du taff bist", sagt Naujoks.
Mitunter bekommt sie sexistische Sprüche oder unmoralische Angebote zu hören. "Viele Männer sind testosterongeladene Ego-Spieler, die niemals gegen eine Frau verlieren wollen", hat Sandra Naujoks dazu einmal gesagt. Man brauche deshalb starke Nerven, dürfe keinerlei Gefühlsregung zeigen und müsse das Verhalten des Gegners lesen können.
All das ist der 27-Jährigen schon lange in Fleisch und Blut übergegangen. Und sie wirkt nicht bloß beim Pokern unnahbar und abgebrüht. Auch beim Gespräch im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg lässt sie sich kaum in die Karten blicken. Mal entrinnt ihr ein Lächeln, doch meist wirkt sie beherrscht und abgeklärt. Privat trägt sie, im Gegensatz zu ihrer Berufskleidung, gerne auch mal bunte Outfits. Am Spieltisch hingegen ist sie meist in schwarz gekleidet, auf ihrem Kopf ein Cowboyhut, in ihrem Mund eine Zigarre oder ein Lollipop - dieses Auftreten hat ihr den Spitznamen "Black Mamba", Schwarze Mamba, eingebracht.
Doch hinter der Zocker-Attitüde, verbirgt sich eine Frau mit Herz. Naujoks engagiert sich für caritative Projekte in Afrika und Asien. "Wer viel hat, muss der Welt etwas zurückgeben." Die Welt, das sind auch die Eltern. "Der größte Luxus am Luxus ist, finanziell abgesichert zu sein und den Eltern etwas zurückgeben zu können", sagt Naujoks. Also hat sie nach dem EPT-Sieg ihrem Vater eine Harley Davidson, der Mutter eine Wohnungseinrichtung und der Großmutter eine Küche gekauft.