Plastikfrei einkaufen in Dresden Plastikfrei einkaufen in Dresden: "Lose"-Laden verkauft Lebensmittel ohne Verpackung

Dresden - Im Tante-Emma-Laden von Berit Heller kommt nichts in die Tüte. Wer hier Müsli, Reis, Schokolade oder Waschmittel kaufen möchte, muss sich dafür das passende Gefäß von zu Hause mitbringen. „Oder er kann Mehrwegbehälter hier kaufen oder mieten“, sagt Heller, die im April den „Lose“-Laden in der Dresdner Neustadt eröffnet hat. An der Wand reihen sich hohe Gläser gefüllt mit Vollkornreis, Dinkel, Leinsamen und Cornflakes - natürlich bio. In gläsernen Ballons schimmern verschiedene Flüssigkeiten. Auch vom Öl bis hin zum Spülmittel wird hier alles abgezapft.
„Manche kommen mit ihrem Seifenspender, andere bringen sogar ihre Pfeffermühle mit“, sagt die 46-jährige Unternehmensgründerin. Bevor sie „Lose“ öffnete, war sie fast 20 Jahre im Büro einer großen Dresdner Firma angestellt. Diese Sicherheit hat sie aufgegeben, weil sie etwas Neues ausprobieren wollte - und weil ihr das Thema Umwelt und Verpackung am Herzen liegt. Schon seit Jahren geht sie im Bioladen einkaufen und versucht, möglichst ohne abgepackte Ware auszukommen.
Nach den ersten vier Wochen ist Berit Heller froh, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt zu haben. Das Interesse ist groß, nicht nur von den Kunden. „Das Thema Plastik und Verpackung bewegt viele.“ Anfragen aus ganz Deutschland erreichen die 46-Jährige - von Gleichgesinnten, die auch einen solchen Laden aufmachen wollen. Schulklassen haben sich ihr Konzept angeschaut, auch zu Vorträgen und Diskussionsrunden wird Berit Heller eingeladen. „Die Leute werden wach, die sind jetzt bereit, was zu tun“, sagt die Dresdnerin.
Mit „Lose“ hat Heller nach eigenen Angaben den ersten Laden dieser Art in Sachsen eröffnet - und ist damit in guter Gesellschaft: Zum Jahresende soll in München Bayerns erster verpackungsfreier Supermarkt öffnen. Bereits im Vorjahr starteten ähnliche Projekte in Kiel, Bonn und Berlin. „Bei vielen Verbrauchern findet langsam ein Umdenken statt“, sagte Ina Ebert vom Naturschutzbund (Nabu) Sachsen.
Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Nabu-Bundesverbandes ergab jüngst, dass 76 Prozent der Kunden Obst und Gemüse bevorzugen, das nicht abgepackt ist. Ebert sieht daher den Handel in der Pflicht, den Kunden einen möglichst verpackungsfreien Einkauf zu ermöglichen. Auch die Verbraucher könnten Einfluss nehmen und die Hände von eingeschweißten Äpfeln und Plastikflaschen lassen. Dafür müssten allerdings Gewohnheiten umgestellt werden, „und die Leute mit Stoffbeutel und Gläsern zum Einkauf losziehen“, sagt Ebert.
Laut Statistik produziert jeder Sachse pro Jahr gut 321 Kilogramm Haushaltsabfälle und liegt damit unter dem Bundesdurchschnitt von 453 Kilogramm. Etwa ein Drittel der Abfälle macht mit 125 Kilogramm in Sachsen der Restmüll aus - und in der schwarzen Tonne landen auch viele Plastiktüten.
30.000 Euro mit Crowdfunding gesammelt
Heller steht für ihren „Lose“-Laden von früh bis spät hinter der Theke. Sechs Tage die Woche. „Idealismus gehört dazu“, sagt sie. Um ihren Laden zu eröffnen, hat die 46-Jährige auf die Unterstützung der Internetgemeinde gesetzt. Über die Crowdfunding-Plattform „startnext“ warb die Unternehmerin rund 30.000 Euro über sogenannte „Schwarmfinanzierung“ für ihre Idee ein. Davon hat sie den Laden mit Kühltheken, Regalen und Gläsern ausgestattet und Ware eingekauft.
Anna Theil von „startnext“ attestiert Projekten wie denen von Heller eine gute Erfolgsquote. Aktuell seien Vorhaben aus den Bereichen Essen und gesellschaftliche Innovationen aussichtsreich. „Da sie immer eine Vision haben, was sie verändern wollen und diese Botschaft die Crowd sehr gut erreicht.“ Aktuell werden rund 500 Projekte über die Internetplattform beworben. 2014 wuchs die Geldsumme für die eingeworbenen Projekte um 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Davon profitieren unter anderem unkonventionelle Projekte wie das von Heller, die bei der Bank kaum Aussicht auf einen Kredit hätten.
An guten Tagen zählt der „Lose“-Laden schon einmal bis zu 70 Kunden. Die Neugierde lässt viele reinschnuppern, sagt Heller. Aber nicht nur Öko-Fans kommen zu ihr, auch zahlreiche Singles, die kleine und individuell zusammengestellte Portionen schätzen. Eine ältere Dame kommt regelmäßig, um sich etwas Frischkäse zu holen oder auch mal etwas Neues wie Couscous auszuprobieren - ohne gleich eine große Packung im Supermarkt kaufen zu müssen. Manch einer holt sich auch einfach nur ein Stückchen Schokolade. „Wie früher bei Tante Emma.“ (dpa)
